Wie Bar-Philosoph Stan Vadrna Gastfreundschaft neu denkt
Ein Surfer? Ein Alt-Hippie? Ein Rockstar? Nein, das ist einer der prominentesten und eigenwilligsten Barkeeper, den die globale Mixologenszene zurzeit zu bieten hat: Stanislav Kaiholomālie Vadrna. Stan, wie ihn die Kollegenschaft liebevoll nennt, ist unter den Barkeepern das, was Ronaldo für die Fußballfans ist – ein Guru, nur eben auf einer philosophischen Metaebene.
Mixen allein reicht dem Slowaken schon lange nicht mehr, der Cocktail mutiert bei ihm beinahe zur Nebensache, die Interaktion mit dem Gast steht im Mittelpunkt seines Bar-Universums. Vadrna lehrt in seinen weltweit ausverkauften Masterclasses – so auch bei der jüngsten Rolling Pin.Convention in Graz – seine Kollegen ganz spezielle Tricks, damit diese ihre Gäste auch ohne Worte verstehen, lesen lernen und mit einem personifizierten Drink glücklich machen können. Selbst bezeichnet sich der Philosoph hinter dem Tresen gerne als Fan der menschlichen Natur und menschlichen Beziehungen.
Ein Surfer? Ein Alt-Hippie? Ein Rockstar? Nein, das ist einer der prominentesten und eigenwilligsten Barkeeper, den die globale Mixologenszene zurzeit zu bieten hat: Stanislav Kaiholomālie Vadrna. Stan, wie ihn die Kollegenschaft liebevoll nennt, ist unter den Barkeepern das, was Ronaldo für die Fußballfans ist – ein Guru, nur eben auf einer philosophischen Metaebene.
Mixen allein reicht dem Slowaken schon lange nicht mehr, der Cocktail mutiert bei ihm beinahe zur Nebensache, die Interaktion mit dem Gast steht im Mittelpunkt seines Bar-Universums. Vadrna lehrt in seinen weltweit ausverkauften Masterclasses – so auch bei der jüngsten Rolling Pin.Convention in Graz – seine Kollegen ganz spezielle Tricks, damit diese ihre Gäste auch ohne Worte verstehen, lesen lernen und mit einem personifizierten Drink glücklich machen können. Selbst bezeichnet sich der Philosoph hinter dem Tresen gerne als Fan der menschlichen Natur und menschlichen Beziehungen.
Als Praktiker der Gastfreundschaft im tiefsten Sinne. „Meine Erkundungen hinter der Bar und über die Bar hinaus haben mich gelehrt, die Momente echter Interaktion, gemeinsamer Freude und des Verständnisses zu schätzen und weiterzugeben“, erklärt der Mann, für den Barkeeper mehr als ein Beruf ist. Für ihn bedeutet Barkeeper-Sein Menschen zu beobachten und auf einen Blick zu erkennen, was sie gerade brauchen.
Bratislava, das Epizentrum der Mixologie?
Bei allen gravierenden Unterschieden zu anderen, herkömmlichen Barkeepern hat Vadrna dennoch eine Gemeinsamkeit mit heute weltberühmten Starkeepern wie Marian Beke, Čudkez Čudrnák oder Erik Lorincz – alle haben sie ihre Karriere hinter einem Tresen in Bratislava begonnen. Warum die slowakische Hauptstadt als eines der Zentren der Mixologie so viele prominente Kollegen hervorbringt, weiß aber auch Stan nicht. Seine Vermutung: „Wir sind ein reiselustiges Völkchen, trinkfest und kreativ. Offen für vieles in diesem Kosmos!“
Sein Kosmos begann jedenfalls ebenso in Bratislava. Ursprünglich wollte er Künstler werden, besuchte verschiedene Schauspielschulen, fotografierte und jobbte bei der Bahn als Kellner im Nachtzug, als Schulkellner und in einer Brauerei in Zemno. Mit 23 Jahren schließlich fand er endgültig seine Bestimmung, als er in Israel in einem Hotel einen Barkeeperjob annahm. Bald danach kehrte Stan zurück nach Bratislava, arbeitete sieben Jahre als Manager der legendären „Paparazzi Bar“ für die er unter anderem die Auszeichnung „Worlds Best Cocktail Menu – Cocktail 200 Awards“ oder den „Spirited Award, Tales Of The Cocktail“ in den USA einheimsen konnte.
Zuhören, anpassen, liefern – das ist die Essenz für Service.
Bar-Philosoph Stanislav Vadrna
Mit 30 Jahren eröffnete sich für Stan dann die einmalige Gelegenheit für ein Praktikum in Japan. Zuvor hatte er auf seinem Weg des „Studenten des menschlichen Verhaltens“ ein Jahr lang Mails an die verschiedensten Wunschdestinationen verschickt, bis es schließlich klappte.
Seine Erinnerungen an diese Zeit in einem kryptischen Satz: „Das war mein eigentliches Erweckungserlebnis, denn in Japan habe ich mein Ego verloren.“ Will heißen: Er besuchte Teezeremonien, beobachtete Sushimeister beim Fischbereiten und durfte bei Kazuo Ueda, der Barkeeper-Legende aus Tokio, der als Erfinder der Cocktail-Schütteltechnik „Hard Shake“ und „Three Step Shake“ gilt, zusehen.
Klar, da fühlt man sich schnell klein. Außerhalb Japans jedenfalls war diese Ueda-Bar-Technik damals gänzlich unbekannt, was sich mit Stans Rückkehr nach Europa blitzartig ändern sollte. Er führte diese Mixkunst ein und zog damit freilich das internationale Interesse auf sich. Dennoch: Stan zog sich aus der gutgehenden Bar in Bratislava zurück, gründete stattdessen sein eigenes Analog Bartending Institute, wurde weltweiter Botschafter der japanischen Whisky-Marke Nikka und verbreitet seither weltweit in Masterclases diese adaptierte japanische Bartradition, die auf stoische Art Bewegung in die Barszene bringt.
Philosophie als wichtigste Cocktail-Ingredienz
Denn Stan ist einer, der die Dinge immer etwas anders sieht als der Rest der Welt. Die Eckpfeiler seiner Identität und Botschaft an die Barwelt basieren auf zwei philosophischen Ansätzen: „Die Philosophien, die ich vertrete, sind nicht über Nacht entstanden. Es sind Entwicklungen von Gedanken, Überzeugungen, Erfahrungen und Inspirationen, die im Laufe der Jahre in Bars und im Kontakt mit Menschen und in intensivem Studium zusammengewachsen sind. Ich habe Orientierung in Mythologie und Spiritualität gefunden, Ruhe in Zen-Prinzipien und eine tiefere Ebene der Verbindung in der hawaiianischen Weisheit von ,Mea Ho‘okipa‘ entdeckt“.
Letzteres erklärt auch seinen zweiten Vornamen, Kaiholomālie, der ein tiefes spirituelles Geschenk eines hawaiianischen Kumu und traditionellen Kakau-Tätowier-Künstlers ist. „Aloha ist ein Konzept, das meine Lebens- und Arbeitsphilosophie geprägt hat, seit ich denken kann. Es verkörpert alles, woran ich glaube und wonach ich leben möchte – die Anerkennung des Atems des Lebens, unsere Verbundenheit, die Abwesenheit von Trennung“, beschreibt Stan die Philosophie der Liebe, Freundlichkeit, Empathie und des gegenseitigen Respekts aus der Südsee.
Ein Cocktail, der die Seele des Gastes widerspiegelt, ist mehr als nur ein Drink; er ist ein unvergessliches Erlebnis!
Sein zweites Lebenscredo hat sich der interkulturelle Mystiker sogar unübersehbar auf seinen linken Unterarm tätowiert: Ichi-go Ichi-e . Ein Satz aus der japanischen Teezeremonie, der für ihn von der Tinte auf der Haut zum Mantra des Herzens wurde: „Ein Konzept, das soviel bedeutet wie ‚die Unwiederholbarkeit eines Augenblicks schätzen zu wissen‘ – privat wie auch beruflich. Dieser Satz bringt die Philosophie wunderbar auf den Punkt, dass jede Interaktion, jeder Moment einzigartig und unersetzlich ist – auch hinter dem Tresen.“
Nahtoderlebnis als Weckruf
Doch manchmal ist kraftvolle Philosophie das Resultat von schwacher Physiologie. Es war im Februar 2005. Stans erster Aufenthalt in New York City, um beim legendären Gary Regans den Barkeeper-Kurs „Cocktails In The Country“ zu absolvieren. „Ich war so sehr auf meine Karriere konzentriert und darauf, die Paparazzi-Cocktailbar zu leiten, dass ich vergessen hatte, auf die anderen Aspekte meines Lebens zu achten. Dann geschah das Undenkbare. Was ich für einen Kater hielt, entpuppte sich als schwere Herzerkrankung.“
Die Folge: ein Herzinfarkt mitten im Big Apple, den Stan heute als seine zweite Geburtsstadt bezeichnet. „Ich habe das Glück, überlebt zu haben, doch dieser Weckruf hat mein Leben damals erheblich verändert. Auf den Kopf gestellt. Es hat mir letztendlich die Tore für mein heutiges Leben geöffnet, den spirituellen Weg zu Aloha und Ichi-go Ichi-e, den ich nun auch immer etwas mahnend in meinen Masterclasses weiterzugeben versuche.“
Die Cocktail-Gedanken der Gäste
Aber zurück zu Stans großem Ziel, seinen Gästen die Wünsche von der Nasenspitze ablesen zu können: „Hinter der Bar zum Gedankenleser zu werden, ist nicht so mystisch, wie es sich anhört!“, versichert er, der nicht von ungefähr unter dem Namen
@ferasaman täglich seinen Instagram-Account füttert. Al Ferasa bezeichnet die alte orientalische Tradition des Gesichterlesens und Erkennens von Gedanken – auch das ist Teil der Ausbildung in Vadrnas Barphilosophie. „Ich biete mehr als nur Unterricht. Ich präsentiere ein interaktives, mehrdimensionales Erlebnis, das meinen Kollegen die Möglichkeit gibt, das Gästeerlebnis zu verbessern. Workshops zu Muhinshu, Ichi-go Ichi-e und Al Ferasa werden bei jedem Teilnehmer Verständnis, Achtsamkeit und Gastfreundschaft fördern.“
Seine Mission sieht Stan darin, Barkeeper zu inspirieren, authentische, gastfreundliche Wesen zu werden, die im Moment leben und jeden Gast zum Mittelpunkt ihrer Welt machen. Beim Betreten der Bar zu erkennen, wie es ihm wirklich geht. „Sich auf den Gast einzulassen, ihn aktiv zu beobachten und mit ihm in Kontakt zu treten, ist das Geheimnis. Eine Art Tanz zwischen Empathie, Intuition und Erfahrung. Jede Geste, jeder Blick, jeder Tonfall ist Hinweis darauf, was dem Gast gefallen könnte. Es ist ein Prozess des aktiven Zuhörens und der einfühlsamen Interaktion.“
Der Bar-Guru schreibt das Drehbuch des traditionellen Bar-ABCs ganz einfach um: „Anstatt zu präsentieren, was wir mischen möchten, konzentrieren wir uns auf das, wonach sich der Gast sehnt.“ Sein plausibles Motto: „Zuhören, sich anpassen und liefern – das ist die Essenz des außergewöhnlichen Service.“
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Stanislav Kaiholomālie vadrna
wurde 1976 in Bratislava geboren und strebte ursprünglich eine Karriere als Künstler an. Nach mehreren Aushilfsjobs als Schulkellner und in einer Brauerei in Zemno absolvierte er mehrere Schauspielschulen und machte eine Ausbildung zum Fotografen. Mit 23 wurde er Manager der Paparazzi Bar in Bratislava. Es folgten Kurse bei Bartendern in New York, Hawaii und Japan. Seit 2006 hält Stan weltweit und höchst erfolgreich seine Analog Bartending Trainings ganz im Sinne der Aloha- und Ichi-go Ichi-e-Philosophie ab.