Das Storytelling der Küchen-Revoluzzer Elif Oskan und Markus Stöckle

Was kann, was soll Gastronomie? Zürichs kulinarisches Traumpaar Elif Oskan und Markus Stöckle gibt mit ihren Restaurants Antworten, die die Gastronomie weit über die Schweizer Grenzen hinaus auf den Kopf stellt.
März 6, 2025 | Text: Lucas Palm | Fotos: Julia Losbichler, Marie-Christine Gerber, Joan Minder

Sie sind mehr als Zürichs Gastrowunderpaar: Mit ihrer zeitgemäßen Interpretation der türkischen Küche im „Gül“ und der bayerischen im „Rosi“ zeigen Elif Oskan und Markus Stöckle weit über die Schweizer Grenzen hinweg, was die Gastronomie der Zukunft wirklich braucht: mehr Geschichten, mehr Bauchgefühl – und weniger Sicherheitsrezepte, die auf Sterne und Hauben schielen.

Unter gastronomischen Gesichtspunkten kann man ruhig sagen: Zürich ohne Elif Oskan und Markus Stöckle ist sicher möglich, aber sinnlos. Das Paar hat der Stadt an der Limmat in den vergangenen Jahren seinen ganz eigenen Gastrostempel aufgedrückt – und insgesamt drei Restaurants eröffnet, die weit über die Schweizer Grenzen von sich reden machen. Im Gül und dem Gül Express zelebriert Elif Oskan ihre leidenschaftliche Beziehung zur türkischen Küche, während Markus Stöckle im Rosi seinen bayerischen Wurzeln auf den Grund geht. Doch so verschieden beide Restaurants auch sind: Es verbindet sie der Blick über den Tellerrand, das Verständnis von Gastronomie, in der es um weit mehr geht als ums Essen. Was heißt das genau? Wie hat alles begonnen? Was haben sie noch vor? Das alles und noch vieles mehr verraten die beiden Ausnahmegastronomen im exklusiven Interview.

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Haben einen heißen Draht zueinander, ­stehen aber beide ihren kulinarischen Mann – und ihre gastro­nomische Frau: Markus Stöckle (li.) und Elif Oskan.

Sie sind mehr als Zürichs Gastrowunderpaar: Mit ihrer zeitgemäßen Interpretation der türkischen Küche im „Gül“ und der bayerischen im „Rosi“ zeigen Elif Oskan und Markus Stöckle weit über die Schweizer Grenzen hinweg, was die Gastronomie der Zukunft wirklich braucht: mehr Geschichten, mehr Bauchgefühl – und weniger Sicherheitsrezepte, die auf Sterne und Hauben schielen.

Unter gastronomischen Gesichtspunkten kann man ruhig sagen: Zürich ohne Elif Oskan und Markus Stöckle ist sicher möglich, aber sinnlos. Das Paar hat der Stadt an der Limmat in den vergangenen Jahren seinen ganz eigenen Gastrostempel aufgedrückt – und insgesamt drei Restaurants eröffnet, die weit über die Schweizer Grenzen von sich reden machen. Im Gül und dem Gül Express zelebriert Elif Oskan ihre leidenschaftliche Beziehung zur türkischen Küche, während Markus Stöckle im Rosi seinen bayerischen Wurzeln auf den Grund geht. Doch so verschieden beide Restaurants auch sind: Es verbindet sie der Blick über den Tellerrand, das Verständnis von Gastronomie, in der es um weit mehr geht als ums Essen. Was heißt das genau? Wie hat alles begonnen? Was haben sie noch vor? Das alles und noch vieles mehr verraten die beiden Ausnahmegastronomen im exklusiven Interview.

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Haben einen heißen Draht zueinander, ­stehen aber beide ihren kulinarischen Mann – und ihre gastro­nomische Frau: Markus Stöckle (li.) und Elif Oskan.

Rolling Pin: Elif und Markus, ihr habt euch in Heston Blumenthals legendärem The Fat Duck kennengelernt. Das hat allerdings auch dazu geführt, dass einer von euch gehen musste, weil in der Küche Pärchen nicht gerade erwünscht waren.

Oskan: Es war eigentlich weniger dramatisch, als es vielleicht klingt. Dort herrscht einfach eine bestimmte Firmenkultur – eine, die wir schon damals gut nachvollziehen konnten. Wenn du zwei starke Persönlichkeiten in wichtigen Positionen hast, musst du immer abwägen, welche Risiken damit verbunden sind. Als Unternehmer, die wir heute in der Gastronomie ja selbst sind, verstehen wir das voll und ganz.

Elif ist dann zurück nach Zürich und du, Markus, bist ihr zwei Jahre später gefolgt. Fällt einem das nicht schwer, eines der weltweit besten ­Restaurants für eine vergleichsweise provinzielle Stadt wie Zürich hinter sich zu lassen?

Stöckle: Natürlich war es irgendwie auch hart. Ich habe über fünf prägende Jahre dort verbracht und Dinge erlebt, die die wenigsten Köche erleben dürfen. Es war harte Arbeit, aber es war eine sehr erfüllende Arbeit, weil gut mit den Leuten ­umgegangen worden ist und weil man dort immer Neues wagen konnte, neue Türen aufstoßen konnte, die woanders immer verschlossen geblieben wären.

Ich hätte mir auch vorstellen können, mit der Firma weiterzuwachsen, aber gleichzeitig war es so, dass auch ich älter wurde und merkte, dass ich meiner Heimat wieder näher sein will. Als ­Bayer habe ich dann zwischen München und Zürich abgewogen – und zusammen mit Elif festgestellt, dass uns Zürich mehr reizt.

Warum?

Stöckle: Ich finde, hier vibriert alles ein bisschen mehr. Man merkt auch, dass hier Kunst und Kultur von den Menschen besonders stark gelebt werden, das war von Anfang an etwas, das mich beeindruckt hat. Außerdem fand ich es spannend, dass in Zürich unter gastronomischen Gesichtspunkten noch mehr Platz für Neues war.

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Ein Huhn, in dem Kalb steckt: in Form einer Farce mit ganz viel Kräutern. Inspiriert von einem Rezept nach Johann ­Rottenhöfer, dem Haus- und Hofkoch von König Ludwig II.

War dann von Anfang an klar, dass ihr beide jeweils euer eigenes Konzept hier eröffnen würdet?

Oskan: Nein, wir hatten nie einen festen Plan, dass Markus ein bayerisches Restaurant macht und ich ein türkisches. Es war vielmehr ein natürlicher Prozess, der sich Schritt für Schritt entwickelt und irgendwann einfach Sinn gemacht hat. Wir haben dabei vor allem auf unser Bauchgefühl gehört. Was für uns immer feststand: Wir wollten eine Gastronomie schaffen, die genau unseren Vorstellungen entspricht, etwas wirklich Eigenes.

Wenn man das ernsthaft verfolgt, entsteht automatisch etwas sehr Persönliches. So ist bei mir das Gül entstanden, in dem ich mich auf meine Weise der türkischen Küche widme. Und Markus macht das wiederum mit seiner sehr persönlichen Art im Rosi.

Bevor wir über eure Restaurants sprechen: Ihr habt zwar jeder euer eigenes, arbeitet aber trotzdem viel zusammen. Wie kann man sich das vorstellen?

Oskan: Wir sind gegenseitige Teilhaber und leiten alle betriebsübergreifenden Thematiken von einem Dach aus. Beim Kochen nutzen wir unsere Synergien: Wenn einem von uns beispielsweise ein neues Gericht vorschwebt, findet automatisch ein Austausch statt, man kostet, man versucht, möglichst objektiv Rückmeldung zu geben. So haben wir uns ursprünglich als Köchin und als Koch kennengelernt und genau so arbeiten wir bis heute zusammen.

Stöckle: Wobei uns eines besonders wichtig ist: Die Leute sollen im Rosi etwas anderes erwarten als im Gül. Beide Restaurants sollen persönlich und individuell bleiben. In der heutigen Welt der Gastronomie ist das, finde ich, alles andere als selbstverständlich.

«Der Gast soll etwas mitnehmen, das über das Kulinarische hinausgeht.»

Womit wir bei euren beiden Restaurants wären, die gerade wegen der persönlichen Geschichten, die dahinterstecken, so erfolgreich sind. Ist die gehobene Gastronomie zu steril, zu geschichtslos geworden?

Stöckle: Ich glaube, was wir alle – und vor allem die Gäste – immer mehr suchen, sind Menschen, die sich verletzlich zeigen. Menschen, die sich trauen, sich selbst mit dem, was sie sind und können, ein Stück weit zu exponieren. Und gleichzeitig muss es dabei um den Gast gehen. Wir ­dürfen nie vergessen: Wir machen Dienst­leistung. Wir lieben das, und unser Ziel, dass der Gast etwas mitnimmt, das über das Kulinarische hinausgeht.

Natürlich, wir sind Köche, und das Kochen ist unser Handwerk. Aber von Anfang an war uns wichtig, über den Tellerrand schauen und ein ­Restaurant zu schaffen, das mehr ist als nur ein Ort zum Essen. Da darf das Ego des Kochs ruhig einmal zurücktreten. Wie viele Elemente auf einem Teller interessieren den Gast am Ende wirklich? Woran erinnert man sich nach einem ­Restaurantbesuch am meisten? Zum Schluss ­bleiben da nur die wirklich starken Momente, und die müssen nicht zwangsläufig rein kulinarischer Natur sein.

«Worum es uns geht? Echte Eigenständigkeit.»

Oskan: Wir haben immer gesagt: Wir entscheiden uns für Menschen. Wir sind Menschen und möchten mit Menschen für Menschen kochen. Das ist der Fokus und dabei bleibt es auch. Man kann sich auch für einen anderen Weg entscheiden – zum Beispiel ein französisch inspiriertes Restaurant eröffnen und darauf hinarbeiten, von den großen Guides mit einem oder zwei Sternen ausgezeichnet zu werden.

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Das berüchtigte Cordon bleu aus dem Rosi – mit dem längsten Fondue-Streifen – wahrscheinlich der Welt.

Es gibt klare Rezepte, wie man das erreicht. Aber: Was macht dich dann wirklich eigenständig? Wer bist du? Darum geht es uns vielmehr. Mit unserer Küche spiegeln wir unsere Herkunft und die Kultur wider, in der wir aufgewachsen sind – jeder auf seine eigene, sehr persönliche Art.

Nur das Essen in den Vordergrund zu stellen, funktioniert heute, vor allem in der gehobeneren Gastronomie, weniger denn je. Und doch ist es der Kern eines Restaurants. Wie findet man die Balance?

Stöckle: Was auf dem Teller liegt, interessiert nicht jeden Gast so sehr wie uns als Köche. Das dürfen wir nicht vergessen, die Welt dreht sich nicht nur um uns. Wenn man über den Tellerrand schaut, wird klar, dass wir auch eine Verantwortung haben. Wir leben in Zeiten, in denen zu viel Zucker konsumiert wird, viele Menschen mit ihrem Blutzuckerspiegel kämpfen, zu wenig Gemüse essen und alles nur noch um Labels und Marken und ständigen Stress geht. Da sehen wir es als unseren Auftrag, im Restaurant etwas Gutes zu tun. Das nehmen wir sehr ernst.

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Weil Essen doch auch etwas Märchenhaftes hat: Markus Stöckles Disney-Schloss mit Topfenknödel und Vanillesauce.

Oskan: Uns liegt bewusster Konsum sehr am Herzen. Wenn man eines unserer Restaurants besucht, geht es darum, bewusst die Entscheidung zu treffen, dort Zeit zu verbringen und etwas für sich zu tun. Jeder für sich entscheidet, was einem gut tut und was man in dem Moment braucht. Dabei geht es nicht nur um Ernährung im klassischen Sinn, sondern um das, was uns „nährt“, im ganzheitlichen Sinn, wie es das englische Wort „Nourishing“ so schön beschreibt. Das muss gar nicht immer nur Essen sein, es geht vielmehr darum, was ich bewusst in mir aufnehme, was mir guttut und mich stärkt.

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«Es wird keine zehn Güls und Rosis geben», sagt Gastronomin Elif Oskan.

Mit den drei Restaurants, die so dermaßen gut aufgenommen werden: Denkt ihr da auch darüber nach, zu wachsen und weitere Restaurants zu eröffnen?

Stöckle: Mit dem Gül und dem Rosi sind wir jetzt im sechsten bzw. siebenten Jahr. Dabei wird immer deutlicher, wie lange es dauert, bis ein Restaurant wirklich seine eigene Seele entwickelt und von innen heraus auch eine echte Identität entfaltet. Das ist nichts, was man einfach so reproduzieren kann, denn es braucht dafür echte Gastgeber, die diese Kultur wirklich leben. Das ist jeden Tag aufs Neue unser Auftrag.

Oskan: Ich denke, es gibt unterschiedliche Arten von Wachstum. Wir könnten uns zum Ziel setzen, wir eröffnen 30 Restaurants. Dabei würde es aber keine Rolle mehr spielen, wer wir wirklich sind. Stattdessen stünde ein einfaches, standardisiertes Produkt im Vordergrund. Was uns jedoch viel mehr interessiert, ist das, was wir haben, zu bewahren und in die Tiefe gehen, nach innen zu wachsen. Es wird keine zehn Güls und Rosis geben, weil das schlicht nicht reproduzierbar ist.

Aber natürlich sind wir offen, wenn sich irgendwo die Möglichkeit ergibt, etwas Neues zu schaffen, das Mehrwert bringt – für eine Region, für einen Stadtteil, für eine Gemeinschaft oder eine Kultur. Entscheidend ist dabei, dass das Bauchgefühl stimmt, genau wie damals beim Gül und Rosi.

www.guel.ch

rosi.restaurant/de

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