Stiller Wilder(er)
Wenn man durch den 4.000-Seelen-Ort spaziert – zwischen Handweberei Christl, Premiere Sportsbar und Blumen-Liesl –, kommt es einem schon ein bisschen vor, als wäre hier die Zeit vor vielen Jahren stehen geblieben. Als noch alles so idyllisch war und als noch jeder jeden kannte. Ausgesprochen viele Hotels und Restaurants gibt es hier in Golling – eines davon das der Döllerers. Wobei „eines davon“ für insgesamt fünf Hauben und einen Stern ein bisschen harmlos klingt …
Das Postkartenidyll draußen ist fast kitschig, drinnen im Restaurant des kreativen Shootingstars unter Österreichs Spitzenköchen brodelt es. Bei Andreas Döllerer geht Salzburger Tradition eine prickelnde Liaison mit frecher Avantgardeküche ein. Dann hat ein mit Blutwurst gefülltes Apfelstück ein Date mit einem behutsam gegarten Scampo, flirten Austern mit Gin-Tonic-Marinade.
Andreas Döllerer ist jung (28), wild (aber nur in der Küche) und mit dem Riesentalent ausgestattet, auf dem Instrument seiner regionalen Kreativküche im Konzert der internationalen Gourmetszene mitzuspielen. Er ist kein Marktschreier, seine ruhige und freundliche Art verleiht ihm eher immer noch einen sympathischen Bubencharme. Wenn es um die Produkte geht, wird Andreas Döllerer allerdings schnell zum unnachgiebigen Qualitätsfetischisten. „Die größte Sünde eines Kochs ist die fehlende Liebe zum Produkt. Bei uns in der Metzgerei werden Wurst, Speck und Schinken selbst hergestellt.“ Berühmt ist vor allem die Kalbfleischweißwurst „Döllerers Frische“, die der bayrischen Institution mächtig Konkurrenz macht. Viele Gäste lockt allein schon diese Wurst, „aber das Rezept ist ein Familiengeheimnis“. Milchprodukte bezieht Döllerer von einem Bauern aus Golling, der extra für ihn auf Rohmilchbasis produziert. „Aus dem Nachbarort Kuchl bekommen wir die Eier, aus dem Pinzgau Kalb, Wild und Lamm. Alle Süßwasserfische stammen hier aus dem Bluntautal…
Wenn man durch den 4.000-Seelen-Ort spaziert – zwischen Handweberei Christl, Premiere Sportsbar und Blumen-Liesl –, kommt es einem schon ein bisschen vor, als wäre hier die Zeit vor vielen Jahren stehen geblieben. Als noch alles so idyllisch war und als noch jeder jeden kannte. Ausgesprochen viele Hotels und Restaurants gibt es hier in Golling – eines davon das der Döllerers. Wobei „eines davon“ für insgesamt fünf Hauben und einen Stern ein bisschen harmlos klingt …
Das Postkartenidyll draußen ist fast kitschig, drinnen im Restaurant des kreativen Shootingstars unter Österreichs Spitzenköchen brodelt es. Bei Andreas Döllerer geht Salzburger Tradition eine prickelnde Liaison mit frecher Avantgardeküche ein. Dann hat ein mit Blutwurst gefülltes Apfelstück ein Date mit einem behutsam gegarten Scampo, flirten Austern mit Gin-Tonic-Marinade.
Andreas Döllerer ist jung (28), wild (aber nur in der Küche) und mit dem Riesentalent ausgestattet, auf dem Instrument seiner regionalen Kreativküche im Konzert der internationalen Gourmetszene mitzuspielen. Er ist kein Marktschreier, seine ruhige und freundliche Art verleiht ihm eher immer noch einen sympathischen Bubencharme. Wenn es um die Produkte geht, wird Andreas Döllerer allerdings schnell zum unnachgiebigen Qualitätsfetischisten. „Die größte Sünde eines Kochs ist die fehlende Liebe zum Produkt. Bei uns in der Metzgerei werden Wurst, Speck und Schinken selbst hergestellt.“ Berühmt ist vor allem die Kalbfleischweißwurst „Döllerers Frische“, die der bayrischen Institution mächtig Konkurrenz macht. Viele Gäste lockt allein schon diese Wurst, „aber das Rezept ist ein Familiengeheimnis“. Milchprodukte bezieht Döllerer von einem Bauern aus Golling, der extra für ihn auf Rohmilchbasis produziert. „Aus dem Nachbarort Kuchl bekommen wir die Eier, aus dem Pinzgau Kalb, Wild und Lamm. Alle Süßwasserfische stammen hier aus dem Bluntautal.“
Macht-süchtig-Sydrom Andreas Döllerer geht mit uns in den Feinkostladen neben dem Restaurant, wo uns Tante Marianne Döllerer freudig empfängt. Überhaupt ist hier alles von einer ehrlichen Fröhlichkeit umgeben, die man in Großstädten oft vermisst. Hausgemachte Würste hängen von der Decke, Fleisch- und Käsespezialitäten liegen in der Vitrine, stolz zeigt Andreas Döllerer auch die exklusiven Marmeladen-, Schokoladen-, Nudel-, Essig- und Ölkreationen. „Meine Familie hat mir sehr schnell die Ehrfurcht vor Produkten und das Verständnis dafür vermittelt. Ich habe schon als ganz kleiner Junge gewusst, dass Koteletts nicht am Baum wachsen.“ Und man wird auch angesteckt von dem Will-haben-Syndrom. Das dann im nächsten Moment aber in das Macht-süchtig-Syndrom umschlägt – denn wer einmal bei ihm gegessen hat, wird danach länger vergeblich nach diesen Glücksmomenten mit so viel kreativer Tradition (man nehme die gegrillten Jakobsmuscheln mit Döllerer-Speck) und bodenständiger Regionalität (wie das geschmorte Rauriser Reh) suchen – und nach Aha-Effekten mit so viel Witz: Duftender Gewürzrauch steigt am Nebentisch auf, als die Glaskuppel über dem Forellenfilet vor den Augen des Gastes gelüftet wird, eine herrliche Komposition ist das süße Spiegelei mit Hokkaidokürbis und Ingwer. Verblüfft wird man auch von den Räucherfischzigarillos, dem Weizenbiereis und den Holunder-Marshmallows. Zum „Schokoholic“-Dessert wird ein Zerstäuber serviert, um seine süßen Sünden mit Rum zu besprayen. Und dann auch noch Ananas-Praliné-Ravioli, die perfekt mit roter Paprikacreme und holländischem Kakao harmonieren. Geschmacksexplosionen pur! Leidenschaftliche Gefühle machen sich bei uns breit. „Ich stehe auf wilde Kreationen, will besondere Geschmackserlebnisse liefern, die in positiver Erinnerung bleiben.“ Eine seiner gewagtesten Kombinationen bisher? „Die Schweineohren mit bretonischem Hummer.“
Dennoch: So schräg seine kulinarischen Bauwerke auch sein mögen, sie haben stets einen bodenständigen, klassischen Untergrund, unterkellert mit all seinem Wissen und Können, das er sich im Laufe der Jahre vor allem beim großen Dieter Müller angeeignet hat. „Er hat mich sicherlich sehr geprägt, er war schließlich mein erster Kontakt mit der großen, klassischen Küche. Ich habe dort nicht nur alle perfekten Grundlagen gelernt, sondern auch von ihm als Mensch profitiert – ich habe gesehen, dass es in der Küche auch ohne Brüllereien geht. Dieter Müller ist sehr umgänglich und ruhig – so wie ich.“
Familypower Seit 99 Jahren ist das Haus mit der nostalgisch-romantischen Fassade im Besitz der Familie, Andreas’ Großvater und Vater haben bereits vor langer Zeit ein gut gehendes Gasthaus aufgebaut. „Ich bin hier im Betrieb aufgewachsen, habe von klein auf mitgeholfen – also war klar, dass ich ihn einmal übernehmen werde“, erzählt er. Auch heute noch wohnt und arbeitet der ganze Döllerer-Clan im Haus. Seine Frau Christl (die mit dem Gasthof Schloss Aigen in Salzburg auch einen eigenen Betrieb besitzt) arbeitet im Service mit, die Mutter managt den 4-Sterne-Hotelbetrieb, der Onkel die eigene Metzgerei. Die Tante ist Herrin über den anliegenden Feinkostladen, die zwei Cousins sind für den gesamten Weinhandel zuständig. Die graue Eminenz ist Papa Döllerer.
Das Herzstück des Betriebes ist die Gaststube, die – geschickt konzipiert – eine feine Symbiose aus dem klassischen Wirtshaus (2-fach behaubt) und dem gehobenen Genießerrestaurant (3 Hauben, 1 Stern) bildet. Letzteres ist eine gelungene Mischung aus moderner Eleganz und traditionellem Landhausstil, fast lässt ein bisschen Laura Ashley grüßen. Klassischer, aber auf genauso hohem Qualitätslevel wird man im Wirtshaus – vom Genießerrestaurant nur durch eine Glaswand getrennt – verwöhnt. Stolz ist die Familie Döllerer – eine alte Weindynastie – auch auf Österreichs größte Altweinkarte. Rund 2.000 Flaschen lagern im Keller des Hauses, darunter sehr edle und feine Tropfen. „Für diesen Petrus 1947 müsste man ca. 5.800 Euro hinblättern, hier haben wir auch noch einen Veltliner Honivogl 1986 von F. X. Pichler und einen Blaufränkisch Mariental 1986 von Ernst Triebaumer.“ Man sieht ihm den passionierten Hobbysommelier an. Seit 2000 ist der Betrieb auch unter die Weingroßhändler gegangen – 200.000 Flaschen liegen in der Lagerhalle im Gewerbegebiet bereit, um die internationale Gastronomie zu beliefern.
Positiver Phlegmatiker Sport ist nicht gerade seine größte Leidenschaft – ab und zu „muss“ er aber „laufen und mountainbiken gehen“. Zwecks Ausgleich und Kondition. Dass er ein sehr ruhiger und gelassener Mensch ist, scheint sein Erfolgsgeheimnis zu sein. „Ich bin ein sehr positiv eingestellter Phlegmatiker“, sagt Andi D. über Andi D. „Ich handle überlegt, bin harmoniebedürftig, familienbewusst und mir sind viele Sachen, die andere ganz furchtbar aufregen, schlicht und einfach völlig wurscht. Man muss nicht immer alles hinterfragen.“
Einen Tag in der Woche nimmt er sich gemeinsam mit seiner Frau frei, für seinen zweijährigen Sohn zwischendurch auch immer wieder ein paar Stunden. „Da wir ja alle hier im Haus wohnen, habe ich das für einen Koch seltene Vergnügen, mein Kind einige Tage in der Woche ins Bett zu bringen.“ Und dabei kann es schon einmal vorkommen, dass der Starkoch zum Gesangsstar wird und ein Gutenachtlied trällert. „Ich singe sehr gerne und noch kann er ja nicht sagen, ob es ihm gefällt oder nicht.“ Der zweite Nachwuchs kommt nun im April zur Welt. „Zwei, maximal drei Kinder sind fantastisch – noch mehr würden sich mit dem Job aber kaum unter einen Hut bringen lassen.“ Und er gibt zu: 90 Prozent seiner Gedanken drehen sich rund um die Küche. „Wichtig ist, dass man in der Materie lebt. Im Urlaub, in der Freizeit – ich muss immer ans Essen denken, nur so kommen neue Ideen und Inspirationen.“ Seine Frau versteht das, auch wenn es „mit ihr natürlich schon noch andere Themen außer Kochen zu bereden gibt“. Die restlichen Döllerers sind genauso fanatisch wie er und auch seine Freunde sind fast alle aus der Gastronomie. Selbst die Speisekartengestaltung im Restaurant betrifft die ganze Familie: „Bevor ich eine neue schreibe, koche ich immer für alle Verwandten Probegerichte. Was ihnen schmeckt, kommt auf die Karte.“ Eine ähnliche Begeisterung wie für seine Produkte bringt er auch für die Gäste selbst auf. „Sie sind für mich das Herzstück – wir haben viele Stammgäste aus der Umgebung, genauso wie Leute von ganz Österreich, Deutschland und Teilen Italiens.“ Auch Politiker und Prominente gehen bei ihm ein und aus – von Angela Merkel über DJ Ötzi bis hin zu Ralf Schumacher.
Was würde Andreas Döllerer niemals über den Pass schicken? „Asiatische Speisen sollte man meiner Meinung nach in Asien lassen, das ist doch nichts für Golling! Molekulare Experimente habe ich eine Zeit lang einfließen lassen, aber damit hab ich großteils wieder aufgehört.“ Und doch vermitteln die Handmade-Marshmallows, Fische unter einer Rauchkuppel, eine geeiste Wildkräutergazpacho oder Gänselebereis schon einen winzigen Hauch El Bulli. „Ich denke, Molekularküche wird sich aber zu 90 Prozent totlaufen.“ Gegessen hat er übrigens schon einmal beim großen Ferran Adrià. „Aber wenn ich bei 33 Gängen kein Messer und keine Gabel brauche, dann ist das für mich kein Essen. Nur Schaum und Gelee statt Schneiden und Kauen – schrecklich.“ Döllerer kommt immer mehr weg vom Variationsschnickschnack und besinnt sich auf klare Traditionsküche. „Ich finde, dass es in Österreich ohnehin zu wenig Gasthäuser gibt, die Gulasch oder Innereien auf einem Toplevel zubereiten können. Die vielen Restaurants der gehobenen Mittelklasse machen sich doch nur gegenseitig kaputt.“
Die Döllerers haben heuer noch viel vor. „Wir haben drei Hauben und einen Stern, aber da geht noch mehr. Wir wollen immer Verbesserungen.“ Außerdem ist eine Vergrößerung des Gesamtbetriebes geplant, vor kurzem wurde das Nachbarhaus dazugekauft, jetzt werden Restaurant und Hotel erweitert. Andreas’ jüngstes Werk, „Das neue Heimat-Kochbuch“, ist genauso ein Verkaufsrenner wie seine mindestens einmal im Monat stattfindenden Kochkurse im und außer Haus. Andi D.s große Vorbilder? „Sicher habe ich mich früher immer an den besten Kollegen orientiert, aber jetzt glaube ich, meine eigene Linie gefunden zu haben. Aber ich bewundere Gastronomen, die es schaffen, ihr Restaurant an einem Ort, an dem sich Fuchs und Henne gute Nacht sagen, zu einem Mekka für Gourmets zu machen.“ Na ja – Döllerers Homebase ist auch nicht gerade New York City. Wegen des mörderischen Freizeitangebots werden die Genussjunkies also wohl nicht nach Golling pilgern.
word rap
Sport: Ich bin passiver Fußballer, also Fan. Aktiv muss ich aber auch wieder mehr machen – mountainbiken und laufen auf jeden Fall.
Peinlich ist mir … gar nichts.
Kirche: Ist Bestandteil unserer Volkskultur und wichtig – bin aber nicht extrem religiös.
Liebe: Braucht jeder, damit er erfolgreich ist.
Schönster Moment: Die Geburt meines Sohnes am 21. Dezember 2005. Das hat mein Leben verändert.
Essen: Darum drehen sich 90 Prozent meiner Gedanken.
Lieblingsessen: Zwiebelrostbraten
Traumland: Österreich
Leidenschaft: Gastronomie
Zur Weißglut treibt … mich Schlampigkeit.
Tick: Kochbücher! Ich besitze rund 650 Stück.
Letztes Abendmahl: Das ist hoffentlich noch lange weg. Vielleicht habe ich dann ohnehin keine Zähne mehr.
Stärke: Erstklassige Produkte zu finden und mit Gespür zu neuen Geschmackserlebnissen zu kombinieren.
Schwäche: Das Vernachlässigen der Verwirklichung der vielen Visionen und Ideen in meinem Kopf.
info
Döllerers Genusswelten
Am Marktplatz 56
A-5440 Golling
Tel.: +43 (0) 62 44/42 20-0
www.doellerer.at
So. und Mo. Ruhetage
Warm geräucherte Bluntauforelle mit Williams, Grapefruit und Roten Rüben
Rezept für 4 Personen
Rote-Rüben-Sorbet:
500 ml Rote-Rüben-Saft
100 g Glucose
2 cl Zitronensaft
100 g Zucker, 1 Blatt Gelatine
Forelle:
4 Bluntauforellenfilets,
entgrätet und enthäutet
3 EL Beize, Olivenöl
Birnen-Grapefruit-Ragout
16 Williamsbirnenkugeln
12 Grapefruitfilets
4 cl Birnennektar
Chilipulver, Olivenöl
Gewürzrauchpulver:
4 Sternanise
10 Pimentkörner
1 Zimtstange
4 Gewürznelken
Zubereitung:
Den Rote-Rüben-Saft, Glucose, Zitronensaft und Zucker aufkochen und eingeweichte Gelatine einrühren. In der Eismaschine gefrieren.
Forellenfilets mit Beize bedecken und 2 Stunden ziehen lassen. Unter kaltem Wasser abwaschen und trockentupfen. Teller mit Olivenöl einpinseln, Forelle darauflegen und mit Frischhaltefolie abdecken. So im Ofen bei 65° C ca. 20 Minuten garen.
Birnenkugeln und Grapefruitfilets mit Olivenöl, Birnennektar und etwas Chilipulver marinieren.
Alle Zutaten in der Moulinette fein
cutten.
Forelle auf dem Ragout anrichten und eine Cloche darübergeben.
Gewürzrauchpulver in eine elektrische Pfeife füllen, anzünden und
den Rauch unter die Cloche leiten. Vor dem Gast öffnen.
Das neue Heimat-Kochbuch
Salzburger Traditionsgerichte und moderne Avantgarde-Küche.
A la Carte-Kochbuch,
D + R-Verlag, 2007,
175 Seiten,
125 Fotos,
ca. € 39,50.