Klaus Jaquemod – Gegen den Fischschwarm
Fotos: Werner Krug
Der Mann hat echt Humor. „Wir brauchen einen Fisch für das Foto? Einen etwas größeren? Kein Problem. Wir borgen uns einen aus.“ Wir schleppen gerade so einen „etwas größeren“ Fisch aus dem Laden. Mit Schwert misst der Bursche sicher 2 Meter und dürfte an die 50 Kilo auf die Waage bringen. Klaus Jaquemod findet das ziemlich drollig. Er schwitzt und stöhnt zwar, aber hat während der Plagerei noch genügend Zeit, sich einen Ast zu lachen.
Es soll ja Menschen geben, die das Abenteuer suchen. Ein solcher Zeitgenosse ist mein (Mit-)Schlepper. Als er sich vor über drei Jahrzehnten die Küchenschürze umband, hat ihn seine Familie quasi für verrückt erklärt. Ein Jaquemod und kein Akademiker? Mon dieu! Und er wurde trotzdem Koch. „Mein Vater hat 20 Jahre lang nicht mit mir gesprochen. Immerhin hat er mir danach zugestanden, dass ich doch alles richtig gemacht habe.“
In gängige Kategorien ist Klaus Jaquemod auf jeden Fall nicht einzuordnen. Er betreibt das kleinste Sternerestaurant von Köln, vielleicht sogar von Deutschland, mit vier Tischen für insgesamt 16 Gäste. Und das ausgerechnet in der Kölner Südstadt, zwar ein aufstrebender, aber doch ein Arbeiterbezirk. Ein abenteuerliches Risiko. Maximal 2 Prozent seiner Gäste kommen aus der Südstadt, schätzt Klaus Jaquemod. Einen Schuss Abenteuer hat auch die personelle Konstellation.
Judith Werner war früher seine Partnerin, die Partnerschaft beschränkt sich mittlerweile auf das Geschäft. Er drinnen in der Küche, sie draußen im Restaurant. Da wagen zwei ausgeprägte Charaktere und kämpferische Visionäre jeden Tag aufs Neue ihr Genussprojekt. Er im Sternzeichen Widder, sie ein Steinbock, daher auch der Name des Restaurants Aries i Capricorn. Aber die Sache läuft rund…
Fotos: Werner Krug
Der Mann hat echt Humor. „Wir brauchen einen Fisch für das Foto? Einen etwas größeren? Kein Problem. Wir borgen uns einen aus.“ Wir schleppen gerade so einen „etwas größeren“ Fisch aus dem Laden. Mit Schwert misst der Bursche sicher 2 Meter und dürfte an die 50 Kilo auf die Waage bringen. Klaus Jaquemod findet das ziemlich drollig. Er schwitzt und stöhnt zwar, aber hat während der Plagerei noch genügend Zeit, sich einen Ast zu lachen.
Es soll ja Menschen geben, die das Abenteuer suchen. Ein solcher Zeitgenosse ist mein (Mit-)Schlepper. Als er sich vor über drei Jahrzehnten die Küchenschürze umband, hat ihn seine Familie quasi für verrückt erklärt. Ein Jaquemod und kein Akademiker? Mon dieu! Und er wurde trotzdem Koch. „Mein Vater hat 20 Jahre lang nicht mit mir gesprochen. Immerhin hat er mir danach zugestanden, dass ich doch alles richtig gemacht habe.“
In gängige Kategorien ist Klaus Jaquemod auf jeden Fall nicht einzuordnen. Er betreibt das kleinste Sternerestaurant von Köln, vielleicht sogar von Deutschland, mit vier Tischen für insgesamt 16 Gäste. Und das ausgerechnet in der Kölner Südstadt, zwar ein aufstrebender, aber doch ein Arbeiterbezirk. Ein abenteuerliches Risiko. Maximal 2 Prozent seiner Gäste kommen aus der Südstadt, schätzt Klaus Jaquemod. Einen Schuss Abenteuer hat auch die personelle Konstellation.
Judith Werner war früher seine Partnerin, die Partnerschaft beschränkt sich mittlerweile auf das Geschäft. Er drinnen in der Küche, sie draußen im Restaurant. Da wagen zwei ausgeprägte Charaktere und kämpferische Visionäre jeden Tag aufs Neue ihr Genussprojekt. Er im Sternzeichen Widder, sie ein Steinbock, daher auch der Name des Restaurants Aries i Capricorn. Aber die Sache läuft rund. Nur ein Jahr nach dem Start vor acht Jahren fiel ein Michelin-Stern vom Himmel und leuchtet seitdem noch immer allen Genussjunkies den Weg.
Köche haben keine Vorbilder, sagen sie zumindest immer. Klaus Jaquemod geht offener mit seinem kreativen Innenleben um und bezeichnet freimütig Roland Bado als seinen kulinarischen Godfather, bei dem er vor 30 Jahren im legendären Bado Poêle d’Or in Köln lernte. Sein Geist weht bis heute herüber. „Damals gab es nicht viele, die französisch gekocht haben. Eine tolle Chance, die französische Küche hat mich fasziniert und galt schließlich als die beste der Welt.“ Eine Saison stand er dann allein in der Küche eines bayrischen Riesenbiergartens durch, die Sterneküche zog ihn wieder retour nach Köln zu Johannes Kokjé (Ambiance am Dom), im Le Marron holte er den verloren gegangenen Stern zurück. Das La Societé und das Aramis auf Mallorca folgten. Viele Stationen, bis die Erkenntnis „Keine Lust mehr auf Mittelmaß“ reifte und der Weg in die Selbstständigkeit nur noch ein mentaler Katzensprung war – in Wahrheit allerdings eher der Sprung einer Heidschnucke oder eines Rehs, mit denen er gerne arbeitet.
Das erste Aha-Erlebnis kommt, wenn man vor der Tür steht. Buchstäblich werden dem Gast Rosenblätter gestreut, um die Schwellenangst zu verringern. Im Restaurant selbst wartet ein intimer quadratischer Raum, der mit schneeweißen Vorhängen ausgehängt ist, ein Hauch Candle Light schwebt in der Luft. Je nach Stimmung und passend zum Menü erstrahlt der Raum in Rot, Gelb oder Blau. Vier große Tische sind puristisch mit bodenlangen Tüchern verdeckt, dazu weiße Polsterstühle, weiße Rosen, Porzellanteller, einfache Gläser und das Familiensilber. Sehr gerade, ohne Schnörkel. In der kleinen Küche mit den geschliffenen Ornamentglasfenstern werkt Klaus Jaquemod. Dass man in so einer „Bonsai-Küche“ überhaupt etwas Essbares zustande bringt, ist schon erstaunlich. Jede Normalokochstelle ist größer, 7,5 Quadratmeter misst das Ding. „Große Sprünge kann man da nicht machen, aber ich habe ohnehin immer Vorfahrt.“ Spricht es und richtet in minutiöser Kleinarbeit mit der Exaktheit eines Chirurgen das Dessert an. Mit Schokolade – sehr sündig.
Die französische Hochküche ist seine Spielwiese, obwohl er selbst kein Französisch spricht. Immerhin kann er auf einen Stammbaum verweisen, der sich bis zu den Hugenotten in den Savoyer Alpen zurückverfolgen lässt. Feine Eleganz kommt auf den Teller, die jedem Frankreich-Fan ein zufriedenes „Oui“ entlockt, wenn man das so sagen will – ein deutsches „Jawohl“, „Mensch, super“ oder „Geil“ wäre eine Beleidigung. Hummer, Reh, Trüffel, Kaviar, Gänseleber liest man auf seiner Karte – die üblichen Verdächtigen, könnte man unken.
Die schönen Kombis regen allerdings schon mehr an. Hummer und Huhn, Matchatee-Olivenöl-Gelee mit Gänseleber und Räucheraal sowie die Rebhuhnbrust auf Blumenkohlparfait mit Nougatsauce haben nicht mehr viel mit einer Bocuse-Anbetung zu tun. Manches Schäumchen findet man in Jaquemods Küche, garen im Vakuumbeutel ist Standard, genauso wie Niedrigtemperaturgaren. Die Kritik an der Methode, das Fleisch wäre nachher labbrig – nicht Fleisch, nicht Fisch –, wischt er mit einer Handbewegung weg. „Besser ich schiebe meinen Braten 24 Stunden bei 70 Grad in den Ofen als 5 Stunden bei 190, ist einfach schonender.“ Nur einmal ging die Sache daneben. Das Filet eines angeschossenen Rehs kam herein, „das wurde nur noch Püree“.
Auch vor Ferran Adrià zieht er den Hut, vor allem seine Leistung im Bereich von Schäumchen & Co. „Köche lieben Gelees und Köche hassen Gelees. Das Zeug so zu servieren, dass es nicht schmilzt, das war eine der großen Errungenschaften in Spanien.“ Einen anderen Trend hingegen lehnt er ab. Wenn man ein Mikroskop von Carl Zeiss Jena an den Tisch stellen muss, um die Saucenpünktchen zu finden, hört sich doch alles auf. „Man sollte schon die Möglichkeit haben, wenigstens zweimal an der Sauce zu schlecken. Wenn sie nur zur Optik da ist, hat sie nichts auf dem Teller verloren.“
Die Produkte spielen eine Hauptrolle. Das sagt jeder Koch, bei Klaus Jaquemod ist es mehr als ein Lippenbekenntnis. Er mag einfach keine gequälten Tiere und kein Gemüse, das mit Pestiziden vollgestopft ist, warnt aber vor ideologischer Verbissenheit. „Geht alles nur in eine Richtung, ohne nach links und rechts zu schauen, hat es keinen Sinn. Ich bin jedenfalls keiner, der nur selbst gestrickte Socken trägt.“
Das Bild der Köche habe sich Gott sei Dank verbessert. Jamie Oliver, Johann Lafer & Co. – erst hatte man in der Branche die Köpfe über sie geschüttelt.
Aber sie hätten den Kochberuf gesellschaftsfähig gemacht. „Man kann über Fernsehköche denken, wie man will, aber der Erfolg gibt ihnen Recht und sie haben sehr viel für den Beruf getan.“ Der Stress wäre natürlich auch gestiegen und erst recht der mediale Druck, wenn ein Koch strauchelt. „Was man mit ihnen anstellt, wenn sich einer einmal ein Näschen hochzieht, ist schon unmöglich. Da laufen ganz andere Gestalten herum und verkaufen das Zeug auf dem Schulhof.“
Er persönlich lehnt Drogen ab. Ob mit oder ohne – die Lebenserwartung eines Kochs sei ohnehin nicht allzu hoch. Was er noch vor sich hat? „Ich bin 50. Die mittlere Lebenserwartung eines Kochs ist 54, also muss ich schnell handeln, egal, was ich noch tun werde.“
Die Beziehung der Deutschen zum Essen sei noch nicht sehr innig, Essen mehr Nahrungsaufnahme und weniger Genuss. Ganz im Gegensatz zu anderen Nationen. „Die viel belächelten Ausländer – die Holländer, die Engländer, die Amerikaner, die alle keine Ahnung vom Essen haben – gucken nicht auf die Geldbörse. Sie lassen es richtig krachen und wollen einfach nur einen schönen Abend.“
In der Brasserie ein paar hundert Meter weiter, die ebenfalls zum Betrieb gehört und von Martin Kräber in Szene gesetzt wird, öffnet man sich dem Publikum weiter und punktet mit bodenständiger und leckerer Küche für jeden Geschmack, alles frisch und selbst gemacht. Nach dem Motto: „Champagner oder Kölsch, Jakobsmuscheln oder Zwiebelsuppe.“ In der Brasserie genießt man die Keule, im Restaurant das Filet. Mit vorwiegend deutschem Publikum sei ein kleines Sternelokal wie das Capricorn i Aries kaum rentabel zu führen. „Wenn man dann noch jeden Tag 12 bis 16 Stunden in der Küche steht, muss man schon Spaß haben am Kochen – und den habe ich nach wie vor. Dass ich kein Geld damit verdiene, ist meine Sache.“
>> Im Wort
Widder …
… mein Sternzeichen. Nicht zu stoppen.
Privat koche ich …
… nie. 6 mal 14 Stunden pro Tag in der Küche genügen vollauf.
Ich bin stolz, dass …
… ich seit 31 Jahren konsequent koche.
Was macht Sie sauer?
Ignoranz.
Krieg und Frieden
Viele kleine hausgemachte Probleme führten dazu, wo die Welt jetzt ist – und das größte Problem war George Bush.
Geld …
… habe ich seit 7 Jahren nicht mehr wirklich gesehen.
Das letzte Abendmahl …
… würde ich in irgendeinem besonders schönen Restaurant auf dieser Welt genießen. Auf den Teller soll das, was der Koch besonders gut kann.
Molekularküche
Früher gab man Butter in die Sauce. Heute nehme ich so ein molekulares Teufelszeug. Der Geschmack wird nicht verfälscht und die Sauce ist leichter.
>> Im Zeitraffer
Klaus Jaquemod (50), im Sternzeichen Aries (Widder), setzte sich gegen alle Widerstände durch und begann gegen den Willen seiner Familie die Kochlehre. Seine Weihen holte er sich vor 30 Jahren bei Peter Wehlauer, dann wechselte er ins Bado Poêle d’Or zu Roland Bado, der ihm die Liebe zur französischen Küche injizierte. Weitere Stationen in Köln (Remise, La Baguette, Ambiance am Dom, La Societé, Tapabo etc.) folgten. 1994/1995 erkochte er im Le Marron in Bonn seinen ersten Stern, 1997 bis 1999 zog es ihn nach Mallorca ins Aramis in Palma. Seit Herbst 2000 ist sein Heimatstern das Capricorn i Aries in Köln, seit 2002 ist das Bonsai-Restaurant mit bloß vier Tischen mit einem Michelin-Stern vergoldet. Zum Betrieb gehört auch die Brasserie mit Chefkoch Martin Kräber.
Kabeljauterrine mit Königskrabbe
und Tomatensalat
Zutaten (für 4 Personen):
- 200 g Kabeljaufilet
- 50 g Königskrabbenfleisch (ersatzweise Hummerschwanz, roh)
- 1 Stange Lauch
Essigbecher:
- 100 ml Wasser, 15 g Gelatine
- 20 ml weißer Balsamico, Salz, Zucker
Tomatensalat:
- 2 rote und 2 gelbe Tomaten
- 2 Blätter Basilikum, Olivenöl, Essig
Tomatenschaum:
- 100 ml weißer Tomatensaft
- 0,5 g Lezitin
Sauce:
- Lauchreste, Sahne
- 1 kleine Dreiecksform
- Frischhaltefolie, kleine Timbalform
Zubereitung:
Das Kabeljaufilet auf die Länge der Dreiecksform schneiden und salzen. Den Lauch in seine Blätter zerlegen und in Salzwasser ca. 10 Min. kochen und in Eiswasser abschrecken. Die Dreiecksform mit Frischhaltefolie so auskleiden, dass die Enden ca. 3 cm überlappen. Die beiden Seiten der Form mit Kabeljau auslegen, die Mitte der Form mit Königskrabbe oder gesalzenem Hummerschwanz füllen. Den restlichen Kabeljau als Deckel auflegen und fest andrücken.
Mit dem überlappenden Lauch bedecken und mit der Frischhaltefolie fest verschließen. Bei 65 Grad 20 Min. im Dampfgarer garen und ca. 5 Std. kalt stellen.
Essigbecher:
Gelatine 5 Min. in kaltem Wasser einweichen. Wasser, Essig, Zucker und Salz aufkochen und die eingeweichte Gelatine darin auflösen.
Die Flüssigkeit in das Timbalförmchen gießen und ca. 1 Std. kalt stellen. Es sollte am Rand fest geworden sein und in der Mitte noch weich sein. Das Flüssige aus der Form gießen und weitere 5 Std. kalt stellen. Die entstandene Form vorsichtig aus dem Timbalförmchen nehmen und kalt stellen.
Tomatensalat:
Tomaten ca. 3–4 Sek. in kochendes Wasser halten und kurz abschrecken. Die Tomaten häuten, vierteln und vom Kerngehäuse befreien. Alle Tomatenviertel in kleine Würfel schneiden und zusammen mit dem fein geschnittenen Basilikum, Salz, Pfeffer, Olivenöl und Essig abschmecken, kalt stellen.
Tomatenschaum:
Tomatenreste mit Salz, Pfeffer und etwas Zucker mixen und durch ein feines Tuch passieren. Den Saft (100 ml) mit 0,5 g Lezitin auf ca. 65 Grad erhitzen, mit dem Stabmixer aufmixen und einen festen Schaum herstellen.
Sauce:
Den restlichen Lauch in weiße und grüne Teile trennen. Separat mixen und durch ein feines Sieb drücken, mit Salz und Pfeffer würzen, mit etwas Sahne aufgießen und schaumig rühren.
Weintipp
Walter Skoff, Sauvignon blanc
Hochsulz 2006
Eine Fruchtbombe. Dunkelgrüne Paprika und Cassis dominieren, sehr gehaltvoll.
www.skoff.com
>> Kontakt
Capricorn i Aries
Alteburger Str. 34
50678 Köln (Südstadt)
Tel.: + 49 (0) 221/32 31 82
Mi. bis So. ab 19 Uhr
www.capricorniaries.com