Heiko Nieder: Feingeist
Der perfekte zweite Eindruck
Wow, was für ein nobel-steifes Hotel, was für eine spießige Einrichtung im Restaurant, was für ein eigenwilliger Chef! So der erste Eindruck.
Der zweite Eindruck: Humorvolle Kunst (Was macht Bambi da zwischen den Beinen von Schneewittchen und wieso hängen Kellogg’s-Packungen an den Wänden?) verleiht dem Dolder Grand in Zürich einen gewissen und nicht zu kurz gekommenen Charme. Das Restaurant – mit dem leicht arroganten Namen The Restaurant – ist eigentlich ganz gemütlich und glänzt mit genialer indirekter Tischbeleuchtung und einem gigantischen Ausblick über die Stadt. Der Chef ist weniger eigenwillig, sondern redelustig, direkt und nordisch herb und das trotz 22 Jahren, die ihn von seiner Heimatstadt Reinbek bei Hamburg trennen. Es ist tatsächlich doch nie zu spät für einen guten zweiten Eindruck.
Wie ein Puzzle passt hier alles zusammen
Dann kommen der erste Gang und das Gefühl, dass hier wirklich Fine Dine gezeigt wird und kein aufgesetzt legeres Dinner abgezogen wird: eine Serviettenpraline, die mit Minztee aufgegossen wird, damit sich der Gast die Finger reinigen kann. Okay, auch ein wenig spießig. Erinnert an eine längst vergangene Zeit, in der in Restaurants Menschen mit Jeans mit hochgezogenen Augenbrauen und einer hochnäsigen Handbewegung zum Ausgang gewiesen wurden.
Aber auch total spannend, wie diese Spitzenrestaurantkultur der 70er-Jahre heutzutage noch praktiziert wird. Und auch praktisch. Denn der erste Gang ist eine Variation aus sieben Fingerfood-Häppchen. Natürlich in elegant, ausgefeilt, vielfältig, überraschend und nicht in Käsebrot-Schnittchen-mit-Gurke-Manier.
Der perfekte zweite Eindruck
Wow, was für ein nobel-steifes Hotel, was für eine spießige Einrichtung im Restaurant, was für ein eigenwilliger Chef! So der erste Eindruck.
Der zweite Eindruck: Humorvolle Kunst (Was macht Bambi da zwischen den Beinen von Schneewittchen und wieso hängen Kellogg’s-Packungen an den Wänden?) verleiht dem Dolder Grand in Zürich einen gewissen und nicht zu kurz gekommenen Charme. Das Restaurant – mit dem leicht arroganten Namen The Restaurant – ist eigentlich ganz gemütlich und glänzt mit genialer indirekter Tischbeleuchtung und einem gigantischen Ausblick über die Stadt. Der Chef ist weniger eigenwillig, sondern redelustig, direkt und nordisch herb und das trotz 22 Jahren, die ihn von seiner Heimatstadt Reinbek bei Hamburg trennen. Es ist tatsächlich doch nie zu spät für einen guten zweiten Eindruck.
Wie ein Puzzle passt hier alles zusammen
Dann kommen der erste Gang und das Gefühl, dass hier wirklich Fine Dine gezeigt wird und kein aufgesetzt legeres Dinner abgezogen wird: eine Serviettenpraline, die mit Minztee aufgegossen wird, damit sich der Gast die Finger reinigen kann. Okay, auch ein wenig spießig. Erinnert an eine längst vergangene Zeit, in der in Restaurants Menschen mit Jeans mit hochgezogenen Augenbrauen und einer hochnäsigen Handbewegung zum Ausgang gewiesen wurden.
Aber auch total spannend, wie diese Spitzenrestaurantkultur der 70er-Jahre heutzutage noch praktiziert wird. Und auch praktisch. Denn der erste Gang ist eine Variation aus sieben Fingerfood-Häppchen. Natürlich in elegant, ausgefeilt, vielfältig, überraschend und nicht in Käsebrot-Schnittchen-mit-Gurke-Manier.
Danach folgen zwölf Gänge des Tasting-Menüs, denen es an Einfallsreichtum und Feingeistigkeit nicht mangelt. Danach wieder ein süßes Fingerfood-Buffet. Am beeindruckendsten: Müslimix in essbarer Zuckerhülle, die wie eine Plastikverpackung aussieht und am Rand gestanzt ist.
Mit der Pinzette hebe ich meine Gerichte auch optisch auf eine höhere Ebene.
Heiko Nieder über sein Lieblingswerkzeug
Das ist Heiko Nieders Handschrift: kleinteilig, überlegt, experimentierfreudig und vielleicht auch ein bisschen spießig, aber eben alles authentisch. Kein Wunder, dass sein Lieblingsküchentool die Pinzette ist: „Viele Dinge, die ich koche, müssten vielleicht gar nicht mit der Pinzette angerichtet werden, aber es macht mir einfach Spaß, mit ihr zu arbeiten. Daher ist sie so langsam auch zu meinem Markenzeichen geworden“, sagt der 44-jährige Koch.
„Mit der Pinzette hebe ich die Gerichte auch optisch auf eine edlere Ebene. So kann ich ein wenig Prunk mit einfließen lassen. Im Hotel wird eben auch auf jedes Detail geachtet und darauf Wert gelegt. Genauso lege ich in der Küche auf jede Kleinigkeit Wert.“
So passt Nieder als Küchenchef des The Restaurant, das 2008 eröffnete, in das Grand Hotel wie das Holunder-Apfel-Mochi zum Zimt, was das Häppchen-Dessert-Buffet beweist. Er stieg damals kurz vor der Eröffnung ein und fühlt sich in dem Umfeld bis heute wohl: „Man weiß, dass ich meine Klappe nicht halten kann, aber ich darf auch alles sagen, weil ich ein gutes, respektierendes Verhältnis zum Direktor pflege. Natürlich gibt es Vorteile, wenn man selbständig ist. Aber es gibt auch Nachteile, die ich hier im Rahmen des Hotels nicht habe“, erklärt Nieder auf die Frage nach der Einschränkung des eigenen Stils durch den riesigen Apparat, der ein Luxushotel wie das Dolder Grand nun einmal ist.
„Ich habe eine fixe Stelle, es ist nicht mein Geld, mit dem ich haushalten muss, es gibt eine PR-Abteilung und Hausmeister, wenn etwas repariert werden muss. Ich habe also keine Ambitionen, mich selbständig zu machen. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich hier schon fertig bin. Außerdem kann ich als Angestellter viel besser und ruhiger schlafen.“ Nicht, dass er Zeit zum Schlafen hätte bei dem Beruf und zwei kleinen Töchtern zu Hause.
Wie die Symbiose begann
„Ich bekam einen Anruf von der Personalchefin des Dolder Grand und sie erzählte erst einmal, was sie sich so vorstellten für das geplante Restaurant. Ich habe mir das angehört und geantwortet, dass das, was sie suchen, nicht funktioniert. Damals arbeitete ich noch in Bonn, wohin dann der Generalmanager kam und bei mir aß. Danach fuhr ich nach Zürich und schaute mir die Stadt und das Hotel an.“
„Nachdem der Big Boss dann kurze Zeit später mit seiner Frau wieder im Restaurant in Bonn aß, war eigentlich schon alles klar. Ich hing damals nicht an meiner Stelle, ich sah es eher als Sprungbrett, was es dann auch war“, erzählt der Küchenchef, der heute mit zwei Sternen und 18 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet ist und damit die Spitze der Spitzenköche in Zürich bildet. „Die Schweizer haben mir verziehen, dass ich ein Einwanderer bin. Dafür ist mein Essen zu gut“, lacht er.
Nieder führt die Küche und elf Mitarbeiter. „Wir haben einen Chocolatier, zehn Köche und einer gibt Interviews und kocht ab und zu mal.“ In der Küche antworten zwar alle mit einem zackigen „Jawohl, Chef!“, aber die Stimmung im internationalen Team ist gelassen: „Wir haben zu viel zu tun, um zu streiten. Wir haben Spaß und lernen jeden Tag Neues voneinander. Früher war ich ein Chef mit dem Motto Zuckerbrot und Peitsche, heute flippe ich erst nach dem dritten Patzer aus“, schmunzelt der Norddeutsche.
„Wir hatten gerade einen Wechsel im Team. Bei der Personalsuche ist mir wichtig, dass die Menschen ins Team passen. Leute, die glauben, sie seien etwas Besseres, oder nicht lernwillig sind, brauche ich einfach nicht – wie gesagt, dafür haben wir viel zu viel zu tun.“ Viel zu tun bedeutet Mittagstisch mit À-la-carte, Menü mit maximal fünf Gängen, einem fünfgängigen Amuse-bouche-Menü sowie das Abendgeschäft mit dem am besten laufenden fünf- bis achtgängigen Fisch- und Fleisch- oder Veggie-Menü, einem zwölfgängigen Tasting-Menü und À-la-carte.
Die einzelnen Gänge des Menüs werden pro Saison innerhalb von einer Woche Gang für Gang gewechselt. Die Weinbegleitung macht Nieder nach Geschmack, der Sommelier des Hauses steuert das passende Wissen dazu bei. Der Sternekoch isst gemeinsam mit dem Sommelier das Menü, wenn das Team schon fit ist, es zu kochen, und bespricht die Weinbegleitung.
An den 15 Tischen im Restaraunt nehmen täglich – bis auf sonntags und montags – 40 bis 47 Gäste Platz. Darunter Hotelgäste, Züricher, Sternefresser. „Wenn mein Wareneinsatz unter 30 Prozent liegen würde, würde ich dem edlen Rahmen des Dolder Grand nicht gerecht werden. Für ihr Geld bekommen meine Gäste mehr geboten. Wir verarbeiten viele Edelprodukte, wobei ich schon darauf achte, Produzenten aus der Schweiz zu nutzen. Aber wenn ich Lust habe auf ein exotisches Produkt, dann verwende ich es auch. Wenn die Qualität stimmt, ist der Preis egal“, beschreibt Nieder seine Küchenlinie. So läuft das im Luxussegment in der Schweiz.
Die Welt zu Besuch im The Restaurant
Einmal im Jahr machen sich der Direktor, der Restaurantleiter und der Küchenchef auf in die kulinarischen Städte der Welt: „Letztes Jahr waren wir in Barcelona. Morgens früh hin, zu Mittag im 2-Sterne-Restaurant Nummer eins, nächstes Mittagessen im 2-Sterne-Restaurant Nummer zwei, abends Menü im 3-Sterne-Restaurant, dazwischen Tapas-Bars und Märkte. Nicht gegessen wird nur im Auto.“
Straffes Programm, aber so sieht die Belohnung, die sich nicht wirklich von der Arbeit trennen lässt, für ein hartes Jahr aus. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Bei unseren Trips geht es aber nicht darum, krampfhaft Infos zu sammeln. Es geht um Spaß und Motivation und darum, nicht der Betriebsblindheit zu verfallen.“
Nieder darf die Destinationen bestimmen. In New York, Kopenhagen, San Sebastián und Paris waren sie schon. Es müssen Städte sein, in denen die Restaurantdichte sehr hoch ist, da sie nur einen Tag Zeit haben, denn dienstags geht das eigene Geschäft weiter. Um dem Alltagsgeschäft zu entkommen, hat sich Nieder noch etwas einfallen lassen: Einmal im Jahr findet das achttägige Epicure statt.
Das Epicure: Ein Gourmetfestival mit Sterneköchen, wechselnden Menüs, Tastings und Masterclasses. Zum dritten Mal veranstaltet das Dolder Grand das Festival der Superlative: Jeder der Spitzenköche – darunter in diesem Jahr Harald Wohlfahrt, Curtis Duffy, Andreas Caminada, Sang-Hoon Degeimbre – bereitet gemeinsam mit Nieder vier Gänge plus Amuse-bouche am Abend für 60 Gäste vor.
Am Sonntag, dem Höhepunkt, werden 400 Gäste kommen und sich von der Elite unter den Köchen bekochen lassen. Nieder ist in die Planung involviert, kümmert sich um Bestellungen, die Menüs, die Ware und ist das Aushängeschild nach außen: „Im ersten Jahr haben wir viele meiner Kollegen, die ich persönlich kannte, eingeladen. Mittlerweile ist es ein Selbstläufer, was die Köche angeht.“
Das Epicure ist besonders für das Team rund um Nieder eine Chance, mehr von der Welt kennenzulernen. Für ihn sind neben der Erfahrung in internationalen Küchen die Basics das Wichtigste: „Viele junge Köche können die neueren Methoden, kennen aber die klassische französische Küche nicht mehr. Für mich kommt erst die Klassik und dann der ganze Spielkram.“
Für den dritten Stern verbiege ich mich nicht.
Heiko Nieder über Prinzipien
Mit seiner Pinzette, den Basics, dem Prunk und dem Spielkram hat sich Nieder voll in seiner Wahlheimat und unter der Riege der Spitzenköche integriert. Da fehlt doch eigentlich nur noch der dritte Stern. „Es entscheiden andere, ob unsere Arbeit es wert ist, einen dritten Stern verliehen zu bekommen. Ich möchte für mich immer besser werden und das Menü runder gestalten, aber mich nicht für einen dritten Stern verbiegen. Ich habe nichts davon, wenn ich etwas mache, nur um eine Auszeichnung zu bekommen. Genauso wenig wie die Gäste etwas davon haben, wenn ich mit meiner Leistung zufrieden bin, es ihnen aber nicht schmeckt. Schauen wir doch einfach, was passiert.“
Rezepte
Lust auf mehr von Heiko Nieder? Hier gibt’s die Rezepte zu zwei seiner Gerichte:
Reh mit Gartenkräutern, Sonnenblumenkernen und Angostura
Auster mit Granny Smith und Gurke