Customer Relationship Management – Der gläserne Gast

Die vergebene Chance: Customer Relationship Management wird in der Hotellerie zu oft links liegen gelassen. Experten kritisieren, dass vor allem Privathotels die neuen Entwicklungen verschlafen.
November 13, 2015

ein junges Paar wird von der Rezeptionistin beraten Negative Beispiele gibt es zur Genüge: Ein Grußschreiben zu Weihnachten gilt in vielen Häusern schon als hohe Kunst der Kontaktpflege. Babyhotels verschicken ihre Infobroschüren selbst dann noch an ehemalige Gäste, wenn deren Kinder den Tretroller längst gegen das eigene Auto getauscht haben. An Rezeptionen wird man verhörmäßig nach persönlichen Informationen durchlöchert, gibt Daten von Geburts- und Hochzeitstagen preis und hört dann jahrelang nichts mehr.

„Tourismusunternehmen und im Speziellen Hotels besitzen mit den Gästedaten ein Kapital, das kaum genutzt wird. Zwar ist die Hotellerie für andere Branchen im Bereich Service eine Benchmark – dies gilt jedoch nicht für das Marketing. Der Trend zur direkten Kundenansprache wurde vollkommen verschlafen“, kritisierte zuletzt der deutsche Marketing-Hotelberater Michael Toedt in einem Fachkommentar.

Dabei sprechen zahlreiche Untersuchungen für die Wichtigkeit von Customer Relationship Management, kurz CRM: Laut einer Studie der Harvard Business School kann ein gezieltes Beziehungsmarketing den Gewinn eines Unternehmens um bis zu 85 Prozent steigern. Einen neuen Gast zu gewinnen, ist an die fünfmal so teuer, als einen bestehenden Gast an das Haus zu binden. „Wirklich optimal genützt wird CRM aber nur von den amerikanischen Hotelketten“, erklärt Ralph Plätke, Geschäftsführer von CRM Hotel Consult. „Der größte Entwicklungsbedarf besteht bei den Privathotels. Hier ist es nämlich oft das Problem, dass sich der Hotelier für die Kundenbeziehungspflege jeden Tag von neuem den Freiraum schaffen muss. Oft fehlt dazu die Zeit.“

Natürlich gibt es aber auch die positiven Beispiele, wie die CRM-Experten betonen. Der Schindlerhof in Nürnberg zähle dazu, ebenso wie das Hotel Ku’Damm 101 in Berlin oder der Breidenbacher Hof in Düsseldorf, wo man für die exklusive Beziehungspflege seinen Gästen nicht nur einen 275 Quadratmeter großen Livingroom zur Verfügung stellt, sondern auch einen Personal Assistent dazu, der sich um Termine kümmert, die Tagesgestaltung übernimmt, Karten für die Oper besorgt oder auch mal für eine Partie Schach bereit steht. „Ein bis zwei Wochen vor Ankunft des Gastes holen wir uns bereits die wichtigsten Informationen ein. Was ist der Grund des Aufenthalts, was will der Gast in seiner Freizeit unternehmen, welche Literatur liebt er, welches Kopfkissen wird bevorzugt?“, zählt Susanne Köhler, Leiterin des PA-Teams, auf.

„Bei CRM geht es um Emotionen. Zu viele Hotels konzentrieren sich nur darauf, die Kundenzufriedenheit abzufragen, ohne die Gäste wirklich über ihre Erlebnisse sprechen zu lassen“, kritisiert CRM-Berater Nils Hafner. Er plädiert für eine auf den Gast haarscharf zugeschnittene Ansprache und nennt das Beispiel Glückwunschkarte zum Geburtstag: „Eine lapidare Mail oder ein vorgeschriebener Brief, bei dem nur der Name des Adressaten getauscht wurde, sorgt für mehr Enttäuschung, denn für Freude. Erlaubt ist alles – außer Beliebigkeit.“ Hafner empfiehlt: „Drucken Sie eine Karte mit einem Foto darauf. Dazu vielleicht der Text: Erinnern Sie sich noch? Sie waren vor einem halben Jahr hier. Es war eine schöne Zeit. Lassen Sie uns bei Ihrem nächsten Besuch gemeinsam auf Ihren Geburtstag anstoßen. Ihre Flasche Champagner steht schon bereit.“
Vor allen Umsetzungsideen steht jedoch die aufwändige Ansammlung von allen erdenklichen Daten über Ihre Gäste. Was sind die Vorlieben – beim Essen, beim Trinken, in der Freizeit? Wann die Geburtstage? Welche Literatur bevorzugt der Gast? Diese Informationen lassen sich kaum mit standardisierten Fragebogen sammeln. „Beobachten, mit den Gästen reden, zuhören, sie erzählen lassen“, gibt Hafner Tipps, wie man seinen Gast durchleuchtet.

Längst haben sich Softwarefirmen mit CRM-Programmen, die die enormen Datenmengen speichern und verwalten, einen lukrativen Markt freigeschlagen. Jedoch nur bei wirklich großen Hotels und natürlich auch bei Ketten wären aufwendige und teure Programme vonnöten. CRM-Berater Plätke: „Es ist meist nur wenig Software erforderlich. Ein guter Start ist mit gutem Marketingplan, konsequentem Vertrieb, auch Telefonakquise und einer einfachen Gästedatei möglich. Diese lässt sich heute leicht selbst programmieren. Eine Excel-Tabelle kann hier schon als Anfang dienen. Vor allem sollte nie vergessen werden, dass CRM, besonders bei Privat- und mittelständischen Hotels, nicht vorrangig eine Sache großer Technik, sondern vor allem auch engagierter und sachkundiger Mitarbeiter ist.“ Deshalb sei es besonders wichtig, dass alle Mitarbeiter auf das CRM-Thema eingeschworen werden. Denn nur, wenn vom Zimmermädchen bis zum Hoteldirektor alle zusammenhelfen, kann das Optimum an Informationen herausgeholt werden. Planen Sie also regelmäßig Meetings ein, in denen Sie jeder Abteilung genau sagen, was sie tun kann, um eine funktionierende Beziehung zum Gast aufzubauen.

Unterm Strich muss es funktionieren wie in einer Liebesbeziehung: Checkt der Gast bei Ihnen aus und bleibt länger fern, melden Sie sich bei ihm, sagen Sie ihm, dass er Ihnen fehlt, und überlegen Sie sich Überraschungen, damit er schon bald wiederkommt.

Rudolf Tucek

RUDOLF TUCEK
Vorstandsvorsitzender
Vienna International Hotels & Resorts
www.vi-hotels.com 

CRM ermöglicht uns innerhalb der Vienna International Hotels & Resorts eine ausgezeichnete Verwaltung unserer Kundendaten. Diese ist Basis für unsere Marketing- und Verkaufsaktivitäten.

>> Toptipps – So funktioniert die Beziehung mit dem Gast . . .

Happy Birthday und Merry Xmas
Geburtstag, Weihnachten, Hochzeits- oder auch mal am Namenstag: Gratulieren Sie Ihrem Gast. Zum Geburstag am besten persönlich, zu Weihnachten mit einer persönlich signierten Karte. Und zum Hochzeitstag überraschen Sie mit einem kostenlosen Upgrading in die Suite.

Netrebko und Tiger Woods
Ihr Gast spielt gerne Golf? Er ist ein Fußballfan oder besucht gerne die Oper? Halten Sie ihm vergünstigte Karten bereit. Sorgen Sie dafür, dass er in seinem Zimmer Literatur entsprechend seinen Vorlieben findet. Als Hotel haben Sie die Möglichkeit, Türen zu öffnen, die Ihrem Gast normalerweise verschlossen bleiben. Nützen Sie diese Chance.

Hummer und Champagner
Sollte Ihr Gast schon einmal bei Ihnen gespeist haben, wissen Sie ja, was seinen Gaumen freut. Geben Sie Tipps, wo er in der Umgebung noch nach seinem Geschmack speisen kann. Wenn er Weinliebhaber ist, laden Sie ihn zu einem gemeinsamen Abend mit Ihrem Sommelier ein.

Allergiker und Co.
Wissen Sie, wie unangenehm es ist, bei jedem Hotelbesuch darauf hinzuweisen, dass man allergisch auf Federkissen ist? Sorgen Sie dafür, dass Ihr Gast sich rundum wohlfühlt. Tauschen Sie bei seinem Besuch schon im Vorfeld alles aus, worauf der Gast allergisch ist. Diese Dinge lassen sich meist schon bei der Reservierung klären. Viele Hotels vergessen trotzdem darauf.

Stammkunden und Vielreisende
Schaffen Sie eigene Bonusprogramme für Ihre Stammgäste. Je nach Übernachtungsfrequenz servieren Sie kleine Überraschungen im Zimmer oder bieten ein kostenloses Upgrading in die nächsthöhere Kategorie.

>> So durchleuchten Sie den Gast

Schon bei der Reservierung
Legen Sie sich eine Checkliste an, welche Informationen Sie schon bei der Reservierung einholen können. Zum Beispiel: Grund des Aufenthaltes, Daten wie Anschrift, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Geburtsdatum, eventuelle Allergien, die für den Aufenthalt eine Rolle spielen.

Laufend Gespräche führen
Nehmen Sie sich die Zeit und plaudern Sie mit Ihrem Gast. Bei einem Glas Wein zum Beispiel. Fragen Sie ihn, was er so erlebt hat, was ihm gefällt, aber auch, womit er unzufrieden ist. Notieren Sie sich im Nachhinein die wichtigsten Punkte.

Mithilfe Ihrer Mitarbeiter
Was bestellte der Gast zum Abendessen, welchen Wein mag er, welche Literatur besorgte er sich in der Hotelbibliothek? Jeder Ihrer Mitarbeiter kann diese Dinge leicht beobachten und die Informationen sammeln. Richten Sie eine Plattform ein, auf der diese Infos schnell und unbürokratisch eingetragen werden können.

Nils Hafner >> „Standardisierte Fragebogen sind für den Müll“

Nils Hafner ist internationaler Experte für den Aufbau langfristig profitabler Kundenbeziehungen und Dozent an der Hochschule Luzern.

ROLLING PIN: Herr Hafner, wohin geht Ihrer Meinung nach der Trend bei Customer Relationship Management?
Nils Hafner: Leider setzt sich der Trend nach wie vor in eine falsche Richtung fort. Immer wieder fragen die Hotels die Gästezufriedenheit ab. Mich stört das, denn da erfahre ich nichts. Das Gästeerlebnis bleibt dagegen vollkommen auf der Strecke.

RP: Worauf sollte man sich stattdessen konzentrieren?
Hafner: Loyalität ist ein wichtiger Punkt. Das Kernziel ist es ja, den Gast an ein bestimmtes Hotel oder einen bestimmten Gastronomiebetrieb zu gewöhnen. Man muss für seine Gäste ein Angebot schaffen, das auf sie zugeschnitten und einzigartig ist. Erst dann baut sich die Beziehung auf.

RP: Ein Beispiel bitte.
Hafner: Vor kurzem war ich mit meiner Frau in einem Hotel in Tirol. Die haben dort auch einen hauseigenen Golfpro, der die Bewegungsabläufe der Gäste unter die Lupe nimmt, jeden individuell berät und Tipps gibt. Meine Frau und ich haben erkannt, dass, wenn wir unser Golfspiel verbessern wollen, wir unbedingt wieder in dieses Hotel müssen. So bauen sich Kundenbeziehungen auf. Zuvor ist es aber natürlich notwendig, genau zu wissen, was mein Gast will, wer er ist, was er er gerne macht, welchen Wein er gerne trinkt, ob er Kinder hat, und, und, und. Man kann nie zu viel wissen.

RP: Wie kommt man an diese Informationen?
Hafner: Sicher nicht durch standardisierte Fragebogen. Die sind für den Müll. Man muss gezielt beobachten und nachfragen – angefangen vom Hoteldirektor bis hin zum Pagen.

RP: Kann das für den Gast nicht auch zu einem unangenehmen Erlebnis werden?
Hafner: Nicht, wenn man es richtig angeht. Setzen Sie sich einfach abends mit Ihrem Gast zusammen und fragen, was er so erlebt hat. Hören Sie aufmerksam zu und lassen Sie ihn erzählen. Wenn jemand keine Lust auf einen Dialog hat, dann merkt man das schnell. Fragen Sie dann gezielt nach: Was hat Sie bei uns besonders gefreut oder was besonders geärgert? Gehen Sie auf Emotionen ein und nicht auf Zufriedenheit. Diese Informationen schreiben Sie sich dann auf. Die sind Gold wert.

RP: Benötigt man für diese Daten eine eigene CRM-Software?
Hafner: Das hängt von der Anzahl der Gäste ab. Bei einem Restaurant mit 12 Plätzen ist das absolut unnötig. Aber ab dem Moment, in dem man verteilt arbeiten muss, zahlt sich ein CRM-Programm sicher aus.
hafneroncrm.blogspot.com

www.crm-hotel-consult.de

www.breidenbacherhofcapella.de
(Tel.: +49 211/160 900)

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