Kurioser Beef um vegane Weine
Zugegeben: Es liegt nicht zwingend auf der Hand, dass in der Herstellung eines herrlich-sommerlichen Sauvignon Blancs die Schwimmblase eines Fisches mitschwingt. Oder dass in dem kraftvollen Zweigelt gar Gelatine aus Sehnen und Knorpeln enthalten ist.
Das sind zudem nur zwei markante Beispiele, die eines deutlich machen: So einfach ist die Sache mit dem „veganen Wein“ gar nicht. Denn selbst wenn die Weine dieser Welt allesamt bloß aus feinen Trauben gekeltert werden, sind sie deshalb noch lange nicht vegan!
Zugegeben: Es liegt nicht zwingend auf der Hand, dass in der Herstellung eines herrlich-sommerlichen Sauvignon Blancs die Schwimmblase eines Fisches mitschwingt. Oder dass in dem kraftvollen Zweigelt gar Gelatine aus Sehnen und Knorpeln enthalten ist.
Das sind zudem nur zwei markante Beispiele, die eines deutlich machen: So einfach ist die Sache mit dem „veganen Wein“ gar nicht. Denn selbst wenn die Weine dieser Welt allesamt bloß aus feinen Trauben gekeltert werden, sind sie deshalb noch lange nicht vegan!
Tatsächlich kommen in der herkömmlichen Weinproduktion seit jeher tierische Stoffe zum Einsatz. Sie alle aber haben in der Regel keinen Einfluss auf den Geschmack der Tropfen. Schließlich werden Schwimmblase (konkret die Hausenblase von einem speziellen lachsartigen Fisch), Gelatine, Albumin oder Casein ausschließlich dazu verwendet, um Trubstoffe im Wein vor dessen Abfüllung zu binden und den Rebensaft am Ende als maximal klares Getränk in die Flasche zu bringen.
Mag schon sein, dass man eine Klärung mittels Hausenblase nicht schmeckt, aber ich schmecke, dass dem Wein etwas fehlt!
TIAN-Sommelier André Drechsel denkt in Sachen veganem Wein einen Schritt weiter
Long story short: Es gibt heute ganz einfache Möglichkeiten, um mittels veganer Ersatzprodukte – allen voran Aktivkohle, Bentonit, Pflanzenproteine und Kieselsäure – die exakt gleichen Ergebnisse zu erzielen. Hinzu kommt, dass gerade die immer größer werdende Schar der Naturwinzer ganz generell keinen Bedarf an derartigen Produktionsschritten hat. Sie wollen mit minimaler menschlicher Einflussnahme ihren Wein in die Flasche bringen. Das bedeutet, er darf gern mal trüb sein. Und an dieser Stelle wird die Sache mit dem veganen Wein nun zum zweiten Mal … kompliziert.
Was ist veganer Wein?
Ganz allgemein unterscheidet sich die Definition nicht von jener bei Speisen. Allerdings ist beim Wein der tierische Anteil weniger offensichtlich. So sind die Trauben per se natürlich immer vegan. Doch kommen in der herkömmlichen Weinproduktion während des traditionellen Herstellungsverfahrens tierische Produkte zum Einsatz. Diese dienen dazu, den Wein von den sogenannten Trubstoffen zu befreien und ihn damit zu „klären“. Sie können allerdings allesamt durch vegane Produkte ersetzt werden, die eine ähnliche Wirkung haben. Oder aber, die Weine werden einfach ungeklärt abgefüllt.
Zertifizierung, schwer gemacht
Gernot und Heike Heinrich sind Pioniere des österreichischen Weinbaus. Sie bewirtschaften ihr Weingut in Gols seit 2006 biodynamisch. Man möchte somit meinen: All ihre Weine seien vegan. „Sind sie auch“, sagt Gernot Heinrich. Allerdings darf er nicht auf alle seine Produkte das inzwischen allgemein bekannte vegane Siegel – die zum V geformten grünen Blätter – aufdrucken. „Die Sache mit der Zertifizierung ist eine, über die man durchaus diskutieren kann“, sagt er und liefert sogleich ein Beispiel: Einige Heinrich-Weine werden in schönen Tonflaschen abgefüllt.
Um den Kork gut abzudichten, versiegeln die Heinrichs diese Flaschen mit Bienenwachs. „Dieses ist der Grund, warum offiziell nur der Inhalt der Flasche vegan ist, das Gesamtprodukt aber nicht“, sagt Heinrich und schüttelt leicht amüsiert den Kopf. Schließlich fällt auch bei Demeter-Imkern Wachs an, das eigentlich zertifizierbar wäre. Aber Schwamm drüber, er setzt auf aktive Kommunikation zu seinen Kunden, um derartige Hürden zu überspringen.
Und was ist mit den Mücken?
Die Sache mit der Zertifizierung sieht auch Sommelier André Drechsel nicht unkritisch. „Bei solchen Prozessen geht es immer mehr um Geld und Politik als um die Produkte selbst“, sagt er. Gleichzeitig aber ist an seiner Wirkungsstätte – dem seit jeher vegetarischen TIAN in Wien – das Thema ob der vegetarischen Zielgruppe besonders relevant.
„Daher sind unsere Weine auch alle vegan“, so Drechsel. „Allerdings stellen unsere Gäste natürlich trotzdem besonders konkrete Fragen.“
Was passiert mit den Insekten, die bei der Weinlese im Weinkeller landen
André Drechsel kennt alle Fragen seiner Gäste
Etwa: Was passiert mit den Insekten, die bei der Weinlese unweigerlich mitgesammelt werden? Oder: Wie sieht es mit den Hörnern aus, die biodynamische Winzer quasi als eine Art energetischer Dünger in ihren Weingärten vergraben? „Ich erkläre dann immer: Du hast sicher schon einmal eine Mücke verschluckt oder unabsichtlich einen Regenwurm zertreten und bist dennoch vegetarisch oder vegan unterwegs.“
Tatsache jedenfalls ist: Vegane Ernährung verhindert nicht nur, dass Tiere direkt von der Fleischindustrie getötet werden, sondern auch, dass viele Kleintiere versehentlich getötet werden, wenn das Land gepflügt und Getreide geerntet wird, um sogenannte Nutztiere zu ernähren. So postuliert es die Tierrechtsorganisation PETA auf ihrer Website.
Nachsatz: Es geht nicht um Perfektion. Und das ist hierbei wohl der springende Punkt – schließlich bemühen sich moderne Winzer ohnehin darum, möglichst wenige Käfer und andere Kleintiere im Wein mitzuverarbeiten. „Wir verwenden hierfür Gitter und Netze, aber zu 100 Prozent verhindern lässt sich das natürlich nicht“, erzählt etwa Gernot Heinrich.
Und auch André Drechsel weiß aus Erfahrung, dass das ernsthafte Befassen mit dem Thema der springende Punkt ist und ein Naturprodukt eben immer ein solches, nicht komplett überwachbares, bleibt.
Viel Lärm um nichts?
Gleichzeitig bringt er einen spannenden Aspekt in die aktuell laufende Diskussion ein: Generell herrscht die Meinung vor, dass der Einsatz von klärenden Stoffen, ganz egal ob tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, selbst für Starverkoster nicht schmeckbar ist. Dass also so gut wie keine Stoffe aus diesem Produktionsschritt im Endprodukt enthalten sind. „Das glaube ich schon“, sagt Drechsel, „allerdings kann man eben vieles, das vorher im Wein war, nicht mehr schmecken.“
Heißt im Klartext: Die besagten Trubstoffe haben Geschmack, Textur, liefern Gerbstoff. Wenn man sie dem Wein entzieht, nimmt man ihm einen Teil seines ursprünglichen Geschmacksbildes. Somit lässt sich zumindest in einem weiteren Schritt festhalten: Diese Art der Einflussnahme schmeckt der Weintrinker sehr wohl! Doch dabei geht es gar nicht so sehr um die vegane Ebene, sondern schlichtweg um den Zugang der Naturwinzer, den Rebensaft möglichst natürlich entstehen zu lassen.
Und hier kommen wir zur nächsten Kompliziertheit der veganen Weinebene: Ist die ganze Diskussion am Ende nichts als heiße Luft und in Wahrheit hinfällig? Laut Nancy Großmann „Ja!“. Die Sommelière aus dem Rutz in Berlin kommt bei diesem Thema zu mehreren eher trockenen Schlussfolgerungen.
Erstens: Die meisten hochwertigen Weine sind ohnehin vegan.
Zweitens: Die Gäste fragen nicht danach.
Drittens: Selbst im privaten Umfeld achten zwar viele auf vegane Ernährung, beim Wein hinterfragt aber niemand, wie er produziert wurde.
Kurz gesagt: „Ich sehe dafür einfach keinen Markt, sondern wenn, dann eine Form des Marketings“, so Großmann. Und hier schließt sich offenbar auch der Kreis zum Produzenten, denn Gernot Heinrich widerspricht nicht: „Ob der Wein vegan ist oder nicht, ist bei uns kein Verkaufsargument. Es sind eher die Händler, die das dann ausloben und in ihre Konzepte integrieren. Aber das ist nur ein geringer Bruchteil.“
Vermutlich ist die Sache vor allem von der Zielgruppe des jeweiligen Betriebs abhängig. Da kann es dann allerdings plötzlich hochrelevant werden. Man braucht sich bloß auszumalen, was passiert, wenn André Drechsel in seiner Weinbegleitung ein derartiger Fehler unterlaufen würde. Dann gibt’s selbst im vegetarischen TIAN Beef – und zwar mit den Gästen am Tisch.