Wie ein wilder Stier: Roland Trettl
Jetzt erst recht
Mittlerweile ist Roland Tettl einer der beliebtesten Quotenbringer im deutschen Fernsehen. In seinem neuen Buch „Nachschlag“ deckt der ehemalige Executive Chef im Hangar-7 erneut Missstände in der Branche auf. Warum er ein veganes Restaurant eröffnen würde, seine Küche ein Saustall war und was ihn mit Eckart Witzigmann verbindet.
Nach deinem ersten Buch „Serviert“ folgt nun, wie der Titel schon sagt, der „Nachschlag“. Was darf man sich von Teil zwei erwarten? Ist es wieder eine schonungslose Darstellung der Missstände in der Gastronomie?
Roland Trettl: Dieses Mal sind wir sogar noch einen Schritt weitergegangen. Auch weil wir es im Eigenverlag veröffentlicht haben und uns damit Anwaltskosten ersparen wollten. Anwälte, die uns wieder gesagt hätten, dass wir dies oder das überdenken sollten. Ich will nicht mehr denken. Ich will auch niemandem wehtun, aber sehr wohl Dinge in meinem Buch darstellen, wie ich sie für mich empfinde. Ich finde es extrem wichtig, dass Menschen verschiedene Meinungen haben. Das gibt uns die Möglichkeit, über Themen zu diskutieren und sie letztendlich auch zu verändern. Ich habe so viele Jasager um mich. Ich bin müde von diesen Menschen. Ich möchte Menschen um mich haben, die sagen: „Trettl, das war nicht gut.“
Das heißt, du kannst mit Kritik umgehen?
Trettl: Nicht im ersten Moment. Dazu bin ich ein zu sturer Hund. Aber im zweiten Moment, nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe – dann bin ich kritikfähig. Ich versuche immer, über das, was mir andere sagen, nachzudenken.
Ich habe so viele Ja-Sager um mich. Ich möchte Menschen, die mir sagen: «Trettl, das war nicht gut.»
Roland Trettl braucht Kritik
Eine Charaktereigenschaft, die du nicht immer hattest?
Trettl: Das musste ich wie jeder andere auch lernen. Der junge Stier rennt auch zehnmal über die Weide, bis er endlich eine Kuh besteigen darf. Der alte Stier steht abseits, analysiert die Situation und schlägt gezielt zu.
Schon in deinem ersten Buch bist du auf Themen wie die No-Show-Problematik in Restaurants eingegangen. Das ist jetzt schon ein paar Jahre her. Heute nähert man sich diesem Thema. Warum reagiert die Branche teilweise auf akute Probleme so behäbig?
Trettl: Weil sie Angst hat! Jeder hat davor Angst, seine Gäste zu verägern und sie dadurch zu verlieren. Das ist das Laster der Gastronomen, wodurch die ganze Branche so behäbig ist.
Jetzt erst recht
Mittlerweile ist Roland Tettl einer der beliebtesten Quotenbringer im deutschen Fernsehen. In seinem neuen Buch „Nachschlag“ deckt der ehemalige Executive Chef im Hangar-7 erneut Missstände in der Branche auf. Warum er ein veganes Restaurant eröffnen würde, seine Küche ein Saustall war und was ihn mit Eckart Witzigmann verbindet.
Nach deinem ersten Buch „Serviert“ folgt nun, wie der Titel schon sagt, der „Nachschlag“. Was darf man sich von Teil zwei erwarten? Ist es wieder eine schonungslose Darstellung der Missstände in der Gastronomie?
Roland Trettl: Dieses Mal sind wir sogar noch einen Schritt weitergegangen. Auch weil wir es im Eigenverlag veröffentlicht haben und uns damit Anwaltskosten ersparen wollten. Anwälte, die uns wieder gesagt hätten, dass wir dies oder das überdenken sollten. Ich will nicht mehr denken. Ich will auch niemandem wehtun, aber sehr wohl Dinge in meinem Buch darstellen, wie ich sie für mich empfinde. Ich finde es extrem wichtig, dass Menschen verschiedene Meinungen haben. Das gibt uns die Möglichkeit, über Themen zu diskutieren und sie letztendlich auch zu verändern. Ich habe so viele Jasager um mich. Ich bin müde von diesen Menschen. Ich möchte Menschen um mich haben, die sagen: „Trettl, das war nicht gut.“
Das heißt, du kannst mit Kritik umgehen?
Trettl: Nicht im ersten Moment. Dazu bin ich ein zu sturer Hund. Aber im zweiten Moment, nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe – dann bin ich kritikfähig. Ich versuche immer, über das, was mir andere sagen, nachzudenken.
Ich habe so viele Ja-Sager um mich. Ich möchte Menschen, die mir sagen: «Trettl, das war nicht gut.»
Roland Trettl braucht Kritik
Eine Charaktereigenschaft, die du nicht immer hattest?
Trettl: Das musste ich wie jeder andere auch lernen. Der junge Stier rennt auch zehnmal über die Weide, bis er endlich eine Kuh besteigen darf. Der alte Stier steht abseits, analysiert die Situation und schlägt gezielt zu.
Schon in deinem ersten Buch bist du auf Themen wie die No-Show-Problematik in Restaurants eingegangen. Das ist jetzt schon ein paar Jahre her. Heute nähert man sich diesem Thema. Warum reagiert die Branche teilweise auf akute Probleme so behäbig?
Trettl: Weil sie Angst hat! Jeder hat davor Angst, seine Gäste zu verägern und sie dadurch zu verlieren. Das ist das Laster der Gastronomen, wodurch die ganze Branche so behäbig ist.
Erstens das und zweitens halten sie untereinander nicht zusammen. Sie bräuchten aber überhaupt keine Angst zu haben, wenn die zehn Kollegen im Umkreis No-Shows alle gleich handhaben würden. Derzeit steht jeder alleine da. Und da fehlt oft der Mut, es alleine in die Hand zu nehmen.
Muss man Gäste erziehen, ihnen bewusst machen, wie Preise zustande kommen und was Gastronomen abseits des normalen Betriebs leisten müssen, um überhaupt zu überleben?
Trettl: Dafür müssten wir ein paar Jahre zurückdrehen können. In eine Zeit, in der viele Fehler passiert sind. Diese Einstellung, dem Gast alles recht machen zu wollen. Das geht nicht. Du wirst es nie schaffen, es allen recht zu machen. Man kann aber sehr wohl erfolgreich sein, wenn man sein Handwerk beherrscht, daran glaubt und die richtigen Preise verlangt. Ich bin teilweise schockiert – außer ich bin in Paris oder New York – über die viel zu niedrigen Preise in den Restaurants. In Wahrheit ist in unseren Breitengraden alles, was Gastronomie betrifft, viel zu billig.
Sich in der Gastronomie ständig neu zu erfinden, zählt zu den größten Herausforderungen. Was hältst du von Trends wie Regionalität?
Trettl: Ich find’s bescheuert. Da trifft sicher auch Medien, wie ihr es seid, die Schuld. Wir brauchen ständig was Neues. Irgendwann war das Thema Molekularküche abgehakt. Dann kam die Nordic Cuisine, die ja eigentlich die Regionalität wieder hat aufleben lassen. Wo sie allerdings auch Sinn macht. Die Nordic Cuisine hat vielleicht einen Durchmesser von 2000 Kilometern und nicht drei Berge und ein Kreuz. Wenn ich in Dänemark bin, dann habe ich einfach eine unfassbare Auswahl an Produkten, um regional zu kochen. Und plötzlich begannen die Leute, nicht nur in den skandinavischen Ländern regional zu kochen, sondern überall. Wenn ich statt des Atlantik-Steinbutts die Forelle aus dem Bach verkauf, ist das ja zum Teil unheimlich intelligent, weil man dadurch seine Food-Kosten besser in den Griff bekommt. Das ist clever und oft sogar erfolgreich. Aber es ist und bleibt eine Verarsche. Wenn es die Regionalität vor Millionen von Jahren nicht gegeben hätte, hätten wir gar nicht überlebt. Und heute ist das ein Trend?
Jeder hat Angst, seine Gäste zu verärgern und sie dadurch zu verlieren.
Roland Trettl über die Angst des Gastronomen vor dem Gast
Rein hypothetisch: Wenn du ein Restaurant aufmachen würdest, was würdest du machen und wie würde es schmecken?
Trettl: Ich finde vegetarisches und veganes Essen spannend. Wenn man es nicht so zelebriert wie manche einschlägige Restaurants. Es muss gut gekocht sein und nicht wieder 30 Komponenten vom Sellerie auf dem Teller. Einfach auch, um Leuten zu zeigen, dass sie ein paar Tage in der Woche ohne Fleisch überleben können. Vielleicht würde ich aber auch etwas mit Huhn machen. Eines der geilsten Lebensmittel überhaupt, weil man es problemlos, von – bis, verarbeiten kann. Mit einem Rind beispielsweise tun sich selbst die besten Köche schwer, das ganze Teil zu verarbeiten. Beim Huhn wirst du nie ein Problem haben. Du hast die Keule, eine Brust, Sot-l’y-laisse, Haut, die Knochen, mit denen du viel anfangen kannst, Innereien, die du perfekt verarbeiten kannst. Ab und zu träume ich schon davon, einen Bauernhof zu haben mit verschiedensten Hühnern und dazu ein glasklares Gastro-Konzept. Eines ist sicher, wenn ich was machen würde – das ist übrigens rein hypothetisch, weil ich dafür keine Zeit habe –, dann würde ich etwas machen, das klar ist. Denn das ist etwas, das ich am meisten in der heutigen Kulinarik vermisse: Klarheit. Um was geht es in deinem Restaurant? Was erwartet den Gast?
Würdest du selbst kochen oder einen Küchenchef einstellen?
Trettl: Momentan würde ich nicht selbst kochen. Aber in ein paar Jahren, wenn ich Mitte 50 bin, würde ich mich völlig zurückziehen und nur noch selbst kochen. Denn ich möchte mir nachts dann nicht Gedanken darüber machen, ob mein Mitarbeiter morgen auch noch da ist. Wie oft habe ich das erlebt, dass ein Mitarbeiter einfach nicht mehr kommt. Er kann’s ja machen. Es passiert ihm ja nichts. Gesetzlich ist er nicht verpflichtet, die zwei Wochen einzuhalten. Was für eine Scheiße …
Ich habe schon erlebt, dass die Mitarbeiterzahl über Nacht von 18 auf sieben runterging.
Roland Trettl über seine Zeit in der Aubergine
Du hattest zu deiner aktiven Zeit als Küchenchef einen Ruf, nicht gerade zimperlich mit deinen Mitarbeitern umzugehen. Du bist in der legendären Aubergine mit Eckart Witzigmann am Pass gestanden. Ging es da auch so hart zu?
Trettl: Was heißt auch? Da ging’s hart zu. Das „auch“ ist völlig überflüssig. Und es war genau richtig. Ich verehre einen Herrn Witzigmann für all das, was er gemacht hat, was er immer noch macht, und bin ihm ewig dankbar dafür.
War das damals auch schon ein Problem, dass Mitarbeiter vom einen auf den anderen Tag nicht mehr zur Arbeit kamen?
Trettl: Jaja. Ich hab schon erlebt, dass die Mitarbeiteranzahl von 18 auf sieben runterging über Nacht.
Du und Eckart Witzigmann habt in der Vergangenheit viel zusammengearbeitet. Deine erste Stelle als Küchenchef war auf Mallorca in Eckart Witzigmanns Restaurant Ca’s Puers. In einem Brief hatte er dich damals gerügt, weil deine Küche ein „Saustall“ gewesen sein soll. Wie kam’s dazu?
Trettl: Es kam dazu, weil meine Küche einfach ein Saustall war. Ich war damals 25 und wollte meinen eigenen Weg gehen. Nicht den des Patrons oder den von sonst jemandem. Ich war wie ein junger Stier, der sich die Hörner abstoßen musste. Das Problem damals war niemals Witzigmann, das Problem war ich. Aber das erkennt man erst im Nachhinein. Es war ein wichtiger Entwicklungsschritt für mich, denn manchmal muss man erst zusammenkrachen, um dann richtig gut miteinander auszukommen.
Knapp 30 Jahre habt ihr zusammengearbeitet. Viele Jahre davon warst du im Hintergrund. Hat dich das jemals gestört?
Trettl: Ich war mir immer bewusst, was ich an Herrn Witzigmann hatte und habe. Ich denke, dass das heute auch umgekehrt so ist. Ich war damals aber auch sehr geduldig und bin mir sicher, viele andere hätten ein Problem gehabt, sich hinter einen Pa-
tron wie Eckart Witzigmann zu stellen. Ich habe das jahrzehntelang gemacht. Aber ich habe das nie so empfunden. Für mich war es eine Ehre, dass ich für so einen Mann arbeiten darf. Und irgendwann kommst du aus dem Schatten heraus, bist auf Augenhöhe und profitierst von dem Licht, das er aussendet. Seine größte Stärke ist, dass er jeden leben lässt und unglaublichen Respekt vor allen Menschen hat. Darum hat mir nichts Besseres passieren können.
Er ist ein unheimlicher Quatschen. Ein Quatschen, den ich liebe.
Roland Trettl über Tim Mälzer
Mittlerweile strahlst du auch schon ganz schön hell und bist im Fernsehen ein Quotengarant. Wie wird man vom Koch zum TV-Star?
Trettl: Das ging ja damals schon im Hangar-7 mit sensationellen Formaten, die leider keiner gesehen hat, los. Danach kamen Auftritte als Gastjuror in „The Taste“. Vieles habe ich meinem lieben Freund Tim Mälzer zu verdanken. Erstens, weil er „The Taste“ verlassen hat, und zweitens, weil er mich als seinen Nachfolger empfohlen hat. Nichtsdestotrotz ist er ein unheimlicher Quatscher. Ein Quatscher, den ich liebe.