Warum Pía León im Kjolle auf die Küche der Inka setzt
Ich bin Pía León, ich komme aus Lima, Peru“, stellt sich Latin America’s Best Female Chef in aller Bescheidenheit vor. Generell scheint der Peruanerin mit den blonden Locken gar nichts zu Kopf gestiegen zu sein. Sie hat jene Gelassenheit inne, die wir Lateinamerikanern gerne zuschreiben. Gleichzeitig bricht sie mit ihrer perfekten Organisation jedes Stereotyp. Ob sie noch etwas aus der Küche braucht? „Nein, es ist alles hier.“ Wann sie Zeit für das Fotoshooting hat? „Den ganzen Tag, ich bin bereit.“
Pía Leóns außergewöhnliche Küche im Kjolle macht sie 2018 zu Latin America’s Best Female Chef.
Sie hat die Küche im Griff
Fast offensichtlich scheint es, dass León eine Küchencrew ohne Probleme managen kann. In Peru steht sie gemeinsam mit ihrem Mann hinter drei Restaurants: dem Central und dem Kjolle in Lima und dem Mil in Cusco. Wem die Namen bekannt vorkommen, dem sei geholfen. León ist die Frau von Virgilio
Ich bin Pía León, ich komme aus Lima, Peru“, stellt sich Latin America’s Best Female Chef in aller Bescheidenheit vor. Generell scheint der Peruanerin mit den blonden Locken gar nichts zu Kopf gestiegen zu sein. Sie hat jene Gelassenheit inne, die wir Lateinamerikanern gerne zuschreiben. Gleichzeitig bricht sie mit ihrer perfekten Organisation jedes Stereotyp. Ob sie noch etwas aus der Küche braucht? „Nein, es ist alles hier.“ Wann sie Zeit für das Fotoshooting hat? „Den ganzen Tag, ich bin bereit.“
Pía Leóns außergewöhnliche Küche im Kjolle macht sie 2018 zu Latin America’s Best Female Chef.
Sie hat die Küche im Griff
Fast offensichtlich scheint es, dass León eine Küchencrew ohne Probleme managen kann. In Peru steht sie gemeinsam mit ihrem Mann hinter drei Restaurants: dem Central und dem Kjolle in Lima und dem Mil in Cusco. Wem die Namen bekannt vorkommen, dem sei geholfen. León ist die Frau von Virgilio Martínez, dem Patron des Central, das heute auf Platz sechs der World’s 50 Best Restaurants rangiert.
Als sie vor zehn Jahren dort ankommt, hat sie bereits Stationen in New York und bei Astrid y Gastón hinter sich. 22 Jahre jung ist sie damals. „Ich war nie feiern, habe ständig Geburtstage von Freunden verpasst“, sagt die Spitzenköchin heute über ihre Berufsanfänge. Immer schon wusste sie, wohin sie will: ins Central. Trotzdem ist Martínez anfangs skeptisch. Aber León überzeugt.
„Sie hat die Küche im Griff“, heißt es auch in der Netflix-Produktion „Chef’s Table“, in der es um das Central geht. Das ist aber mittlerweile gar nicht mehr ihr Hauptprojekt. „Die vergangenen zehn Jahre habe ich mit meinem Mann im Central gearbeitet. Vor zwei Jahren haben wir beschlossen, mit dem Restaurant an einen anderen Ort zu ziehen: vom Stadtteil Miraflores in den Stadtteil Barranco. Da wusste ich, dass es für mich Zeit war, etwas Neues zu kreieren“, erzählt León. Direkt neben dem Central eröffnet sie das Kjolle, ihr erstes eigenes Restaurant.
Der Name stammt aus dem Quechua, der Sprache der indigenen Bevölkerung. Kjolle ist ein Baum, der in extremen Höhen wächst. Im andinischen Hochgebirge setzt er sich gegen andere Spezies und schwierige klimatische Bedingungen durch: Es gibt wenig Sauerstoff, die Sonnenstrahlung ist stark. Aber der Kjolle blüht – in leuchtendem Gelb, das in Peru unter anderem Tee eine einzigartige Farbe verleiht. Auch in der Küche von León setzen natürliche Farben Akzente. Immer neue Produkte entdeckt sie dafür. Einige hat sie nach Graz mitgebracht. „Damit werde ich heute drei Gerichte kochen, die unsere drei Restaurants präsentieren“, sagt León.
Verborgene Schätze
Das erste stammt aus dem Degustationsmenü des Central, in dem Martínez Küchenchef ist. León beginnt mit einer uns bekannten Zutat. Sie schneidet eine Avocado in Würfel. „Normalerweise essen wir sie kalt, aber heute servieren wir sie warm“, erklärt sie. Als Nächstes nimmt sie eine Arakacha in die Hand, die aussieht wie eine längliche Kartoffel: eine Knolle aus den Anden. Auf ihrer Basis stellt die Küchenchefin ein gelbes Püree her. Sie gibt es zur Avocado und hält schon die nächste Komponente bereit.
Dass wir natürliche Färbemittel nutzen können, haben wir durch die Mater Iniciativa gelernt.
Pía León arbeitet mit einer Initative zusammen, die Expeditionen in Peru macht
Es ist Amaranth, den die Peruanerin immer wieder „Kiwicha“ nennt. Ihm verleiht sie bald drei verschiedene Farben. Orange machen ihn die Samen des Orleanstrauchs: Annatto. „Als Nächstes verwenden wir eine Zutat, die wir lila Mais nennen.“ Als sie ihn mit dem Amaranth vermengt, nimmt auch er die Farbe an. „Aus den Amaranth-Blättern stellen wir eine grüne Farbe her“, erklärt León. Anschließend gibt sie die verschiedenen Töne des Amaranths zur Avocado.
„Dass wir natürliche Färbemittel nutzen können, haben wir durch die Mater Iniciativa gelernt“, sagt sie. Hinter der Initiative steckt Martínez’ Schwester Malena. Ihr Team hat es sich zur Aufgabe gemacht, Peru zu bereisen, um neue Produkte zu entdecken: an der Küste, in den Anden, im Amazonas. Es sind Expeditionen, die Malena Martínez leitet. Sie ist gleichzeitig Forschungsdirektorin. Auch León und ihr Mann sind öfter mit auf ihren Reisen, um herauszufinden, wie viel die peruanische Natur zu bieten hat – und um von den verschiedenen Stämmen zu lernen.
Im kulinarischen Reich der Inka
Das demonstriert sie mit ihrem nächsten Gericht, das den Namen seiner Herstellung trägt: Huatia. „Ich werde euch jetzt ein sehr traditionelles Gericht zeigen, das die Inka in einem natürlichen Ofen gekocht haben: der Huatia“, sagt León. Dafür schichteten sie Steine zu einer Pyramide. Es gab kein natürliches Klebe- oder Bindemittel, das Gebilde musste alleine mithilfe der Schwerkraft seine Form behalten. In der Mitte befand sich ein Feuer. Die Knollen, die sie darunter zubereiten, kommen in einen Teig.
„Für den Teig nutzen wir natürlichen Ton, Salz, etwas Wasser und ein wenig Asche.“ Die Peruanerin knetet und rollt. „Wir feiern damit auch unsere Mutter Erde.“ Einen Teil des fertigen Teigs formt sie rund. Hinein legt sie verschiedene peruanische Knollen. León bedeckt sie mit dem Rest des Teiges, bis das Ganze aussieht wie ein kleiner Maulwurfshügel.
Die Huatia: ein natürlicher Ofen, den schon die Inka verwendeten.
In ihrer Küche in Peru gibt die Küchenchefin die Huatia in den Ofen, etwa eine Stunde brauchen die Knollen dort, unter dem offenen Feuer ein wenig länger. Während des Wartens wird traditionellerweise eine Sauce hergestellt. Auf der Bühne aber treibt die gnadenlose Regionalistin den Prozess mit einem Bunsenbrenner ein wenig voran.
Dann schneidet sie die heiße Masse auf. Es dampft. Es strahlt. Die Knollen leuchten pink und gelb. Wie bei den Inka gibt es dazu nur die traditionelle Sauce: die Uchucuta. Das Gericht stammt aus dem Mil, jenem Restaurant, das in Cusco liegt. „Cusco ist für mich ein fantastischer Ort: wegen seiner Geschichte, wegen seiner Menschen, auch wegen der Produkte, die wir dort finden.“ León bezeichnet es als Herz der Anden. Es war auch das Herz der Inka-Hochkultur: Machu Picchu, die frühere Hauptstadt, liegt nur wenige Autostunden entfernt.
„War hier schon mal jemand in Peru?“, fragt León ins Publikum. Drei Hände heben sich. „Nur drei? Bitte kommt alle!“ Wenn León das sagt, hallt Wertschätzung in ihrer Stimme, kommt Demut auf. Sie spricht über ein Land, das sie am liebsten jeden Tag aufs Neue entdecken würde. Das merken Gäste auch ihren Gerichten an. Viele Zutaten, die sie im Kjolle verarbeitet, haben Quechua-Namen, weil es für sie in Peru noch gar keine spanische Bezeichnung gibt.
Eine Küche, so divers wie Peru
Umso überraschender ist ihr nächster Gang: Ceviche, das peruanische Nationalgericht. Aber der erste Eindruck täuscht, die Peruanerin hat ein Ass im Ärmel. „Wir verbinden Zutaten von der Küste mit Zutaten aus den Anden“, sagt sie. Die Leche de Tigre, die flüssige Basis für Ceviche, stellt sie aus der Mashwa her: einer rot leuchtenden Knolle aus den Anden. „Wir haben sie aus Lima mitgebracht und hatten überhaupt keine Probleme am Flughafen“, verkündet León. Für Ironie empfängliche Zuhörer könnten darin eine Anspielung auf ihren Mann Martínez vermuten: Der saß erst kürzlich fünf Stunden in der Zollkontrolle in Los Angeles fest. 40 gefrorene Piranhas im Gepäck waren wohl zu viel des Guten.
Wir haben die Mashwas aus Peru mitgebracht und hatten überhaupt keine Probleme am Flughafen.
Pía Leóns Mann Virgilio Martínez saß kürzlich wegen Piranhas im Zoll fest
Aber die Küchenchefin selbst hat wie immer alles unter Kontrolle – mit ihrem Fisch aber auch einfach. Der Seebarsch, den sie für ihren Auftritt verwendet, kommt von hier. Natürlich rein zu Präsentationszwecken, versteht sich. In Leóns Küche in Lima gibt es keine einzige Zutat, die nicht aus Peru stammt. Dabei ist die Küchenlinie genauso divers wie das Land selbst, das 15 Mal so groß wie Österreich ist.
Preisgekrönt
„Ich bin eine sehr aktive Person und gerne in der Natur. Ich liebe es, aus der Küche zu kommen, gute Unterhaltungen zu führen und Neues kennenzulernen: Menschen, Kulturen, Produkte, Klima, Geografie. Das ist es, was mich jeden Tag aufs Neue inspiriert“, sagt die Peruanerin, nachdem sie im Herbst 2018 als Latin America’s Best Female Chef ausgezeichnet wurde. Und auch: „Ich hatte immer Angst, dass das Kjolle nicht mit dem Central würde mithalten können.“ Denn obwohl León – auch im Central – immer viel zu sagen hatte, blieb sie lange im Hintergrund.
Mit ihrem eigenen erfolgreichen Restaurant ist das nun Geschichte. Ein wenig wirkt es auch, als hätte die ihre erst angefangen. „Wir haben ein sehr starkes Team“, sagt sie. Das besteht übrigens – wenn auch gar nicht mit Vorsatz – zur Hälfte aus Frauen. Eine von ihnen steht mit León auf der Bühne: Camila Chavez. Auch sie hat die Ruhe ihrer Küchenchefin inne, in den Augen dieselbe Akribie. Oft reisen die beiden um die Welt, als Nächstes steht Japan auf dem Reiseplan. Bald muss León außerdem nach Singapur: zur Verleihung der World’s 50 Best Restaurants.
„Wir haben in Graz leider nicht so viel Zeit“, bedauert sie am Ende ihrer Präsentation. „Aber wir werden zurückkommen!“, verspricht Latin America’s Best Female Chef.
www.kjolle.com Hier geht’s zu Pía Leóns Rezept für die Huatia