So machte Gal Ben Moshe sein Restaurant Prism zum Kulinarik-Schwergewicht

Der israelische Spitzenkoch Gal Ben Moshe führt mit seinem Einsterner Prism eines der gehyptesten Restaurants Berlins. Warum das Kartoffelschälen in London alles in seinem Leben veränderte – und abgelaufene Arbeitsvisa mehr Segen als Fluch sein können.
Juli 8, 2021 | Text: Lucas Palm | Fotos: Patrick Kirchberger, Pia Negri, Ben Fuchs

Geschichten auf dem Teller.“ Nichts klingt im Fine-Dine-Bereich abgedroschener. Vielleicht, weil irgendwann einmal klar wurde, dass eben nicht jeder Küchenchef einen dramaturgisch ausgefeilten Blockbuster als Lebensgeschichte hat, die er neun Gänge lang auf die Teller klatschen kann.

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Mit levantinischem Fine-­Dine, das im Guide Michelin 2020 mit einem Stern bedacht wurde, macht der israelische Spitzenkoch Gal Ben Moshe das Prism zu einem kulinarischen Schwergewicht in der Berliner Gastro-Szene.

Und doch: Es gibt sie, diese kochenden Erzähler, die mit ihren Gerichten die eigene Lebensgeschichte so unverwechselbar verdichten, dass jedes minutenlange Referieren des Kellners überflüssig ist. Gal Ben Moshe ist so einer. In seinem 2018 eröffneten Berliner Restaurant Prism steckt alles drin: sein schwieriges Verhältnis zu seiner Heimatstadt Tel Aviv. Die grundsätzliche Vereinbarkeit des orientalisch-europäischen Kulturtransfers, der nicht selten an der harten Realität scheitert.

Geschichten auf dem Teller.“ Nichts klingt im Fine-Dine-Bereich abgedroschener. Vielleicht, weil irgendwann einmal klar wurde, dass eben nicht jeder Küchenchef einen dramaturgisch ausgefeilten Blockbuster als Lebensgeschichte hat, die er neun Gänge lang auf die Teller klatschen kann.

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Mit levantinischem Fine-­Dine, das im Guide Michelin 2020 mit einem Stern bedacht wurde, macht der israelische Spitzenkoch Gal Ben Moshe das Prism zu einem kulinarischen Schwergewicht in der Berliner Gastro-Szene.

Und doch: Es gibt sie, diese kochenden Erzähler, die mit ihren Gerichten die eigene Lebensgeschichte so unverwechselbar verdichten, dass jedes minutenlange Referieren des Kellners überflüssig ist. Gal Ben Moshe ist so einer. In seinem 2018 eröffneten Berliner Restaurant Prism steckt alles drin: sein schwieriges Verhältnis zu seiner Heimatstadt Tel Aviv. Die grundsätzliche Vereinbarkeit des orientalisch-europäischen Kulturtransfers, der nicht selten an der harten Realität scheitert.

In Berlin muss ein Restaurant nicht als fertiges Produkt auf den Markt kommen.
Gal Ben Moshe über seine Wahl, ein Restaurant in der „Arm, aber sexy“-Metropole zu eröffnen

Aber auch die Überwindung solcher prosaischen Einengungen durch Kunst. Heißt in Ben Moshes Fall: durch eine Küche, die weder auf klassisches Fine-Dine noch auf levantinisches Feel-Good-Food aus ist. Sondern auf irgendetwas dazwischen. Oder eben einfach mehr. Dass hier einer seinen ganz eigenen Stil gefunden hat, fiel auch dem Guide Michelin auf. 2020 zeichnete er das Prism mit einem Stern aus. Auf der Liste der 100 Best Chefs Germany rangiert Ben Moshe außerdem auf Platz 58. Erfolge, die sich der einstige Küchennomade hart erarbeiten musste.

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Khubeza Yuzu, Jameed und Kohlrabi

Verlorene Illusionen

Seine Kochkarriere beginnt aus einer Not heraus. „Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich 15 war, deswegen musste ich von da an für mich selbst sorgen“, erinnert sich Ben Moshe. In einer Fischfabrik in Tel Aviv verdingt er sich ein Jahr lang. Danach verschlägt es ihn in die Küche des Fine-Dine-Restaurants, das zur Fischfabrik gehört. Dort arbeitet der Lernhungrige zwei Jahre lang – und weiß schon bald: Das ist es, was er sein Leben lang machen will.

„Ich habe seither nie woanders als in einer Küche gearbeitet.“ Was allerdings nicht heißt, dass er seit seinem 15. Lebensjahr seinen Traum lebt. Denn nach dem israelischen Militärdienst – den er als Teenager, der sich selbst über die Runden schlagen muss, zum Großteil kochend verbringen durfte – wurde er „Kitchen Manager“ in einem Restaurant, das heute nicht mehr existiert. „Das war eine schlechte Zeit, vor allem, weil ich mehr aus dem Restaurant machen wollte.

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Die Sommelière Jacqueline Lorenz – zugleich Lebensgefährtin Gal Ben Moshes – sorgt im Prism mit ausgewählten Tropfen, darunter auch solche aus Israel, Syrien oder dem Libanon, für eine allseits gepriesene, maßgeschneiderte Weinbegleitung.

Das war der Moment, in dem ich von der israelischen Gastronomie komplett desillusioniert war.“ Der geknickte Gal wollte nur noch weg. Und ging nach London, wo seine Wunden langsam, aber nachhaltig heilen sollten.

Kartoffelbefehl als Heilmittel

Mit einem Arbeitsvisum in der Hand fing er in Gordon Ramsays Restaurant Maze unter Küchenchef Jason Atherton an. Es brauchte nicht viel, um dem Desillusionierten zumindest einen Funken Hoffnung zu geben. Ben Moshe erinnert sich: „Atherton kam an einem der ersten Tage zu mir und sagte, er brauche Kartoffeln, um die Canapés zuzubereiten.

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Akribisches Handwerk und nahöstliche Aromensphären machen das Prism zu einem markanten Fixstern am Berliner Gastro-Himmel. Das beweist auch das Gericht Kaffee, Tabak, Schokolade.

Allein so etwas war schon zehn Mal mehr als jeder israelische Chef jemals mit mir gesprochen hatte!“ Ben Moshe fühlte sich – wer weiß, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben – durch diesen Kartoffelbefehl so wertgeschätzt, dass er vor lauter Motivation alles gab. Acht Monate später wurde er Chef Poissonnier. Den Wind in den Segeln, heuerte er beim Ramsay-Schüler Marcus Wareing in seinem gleichnamigen Restaurant an, wo er als Poissonnier erneut brillierte.

Darauf folgten neun Monate in Claude Bosis – mittlerweile geschlossenem – 2-Sterne-Restaurant Hibiskus, wo es Ben Moshe bis zum Sous Chef brachte. Alles hätte nicht besser laufen können. Doch dann lief sein Visum aus – und der junge Israeli, in der Form seines Lebens, musste ohne Wenn und Aber zurück in seine Heimat.

Ein Canapé wird zum Falafel

Um gleich vorzugreifen: Dieses Problem mit den Visa sollte ihn noch öfters einholen. Zum Beispiel, als er kurz darauf nach Amerika ging. Und zwar nicht in irgendein Restaurant, sondern in Grant Achatz’ legendäres Alinea in Chicago. „Ein Arbeitskollege aus meiner Londoner Zeit war dort, durch ihn kam ich zu diesem Job“, erklärt Ben Moshe sein Glück. „Das Alinea ist meines Erachtens das fortschrittlichste Restaurant der Welt.

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Arabisches Weißkraut und gelbe Datteln

Die meisten Spitzenrestaurants der Welt nehmen Einflüsse untereinander auf und machen daraus etwas Eigenes. Aber im Alinea werden regelrecht neue Dinge erfunden, hier wird Neues aus dem Nichts kreiert.“ Einziger Wermutstropfen für Ben Moshe: „Bist du nur für sechs Monate dort, dann kommst du nicht wirklich dazu, etwas Interessantes selbst zu machen. Außer du steigst weit oben in der Hierarchie ein, dann vielleicht schon.“ Visabedingt zurück in Tel Aviv, fällt Ben Moshe den Entschluss, endlich selbst ein Restaurant aus dem Boden zu stampfen.

Warum gerade in Berlin? „Weil ich wusste, dass hier jeder Englisch spricht – und mir die Gastro-Szene hochinteressant vorkam. In Berlin gibt es viele Restaurants, die sich selbst weiterentwickeln und weniger als fertiges Produkt auf den Markt kommen. Das hat mich gereizt.“ 2013 eröffnet er sein erstes Restaurant in der „Arm, aber sexy“-Metropole: das Glass. „Möglich, dass das zu früh war“, konstatiert Ben Moshe heute. In einem für ihn neuen Land, ohne viel Eigenkapital und Erfahrung als Selbstständiger schaffte er es aber, sich mit dem Glass langsam, aber sicher an seinen Traum vom eigenen Spitzenrestaurant vorzutasten.

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Gewürze sind nicht alles, aber in Gal Ben Moshes Heimat eben mehr als nur Nebensache: Der Nahe Osten wird wohl nirgends in Europa mit solch kulinarischer Bravour auf die Teller gebracht wie in Ben Moshes Berliner Einsterner Prism.

Doch stilistisch war er noch nicht da, wo er wirklich hinwollte. Vor allem, weil er mit allem anderen beschäftigt war als Kochen. Bei einem Gastdinner, das er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Jacqueline veranstaltete, hatte Ben Moshe jedoch ein regelrechtes Damaskuserlebnis: „Ich kochte einfach einmal explizit levantinisch, obwohl ich mich jahrelang dagegen gesträubt hatte. Aber an diesen Tag kann ich mich bis heute erinnern. In diesem Moment fühlte es sich an, als machte plötzlich einfach alles Sinn.

Das war unglaublich.“ In all den Jahren davor hatte Ben Moshe sich dagegen verwahrt, auch nur ansatzweise das Image eines levantinischen Kochs anzunehmen. „Das ging so weit“, erzählt er heute selbstironisch, „dass ich ein Canapé mit Falafel und Sardinen als ‚Krokette‘ auf der Speisekarte bezeichnete.“ Wer weiß, vielleicht waren die Streitereien mit dem damaligen Vermieter wegen Umbauarbeiten ein Wink des Schicksals. Ben Moshe schloss das Glass und fand in einem seiner Stammkunden, der sein Potenzial kannte, einen potenten Investor für sein neues Projekt. „Vor dem Prism kochte ich europäisch mit einem leichten levantinischen Einschlag.

Da fühlte es sich so an, als machte plötzlich alles Sinn.
Gal Ben Moshe über das Gastdinner, bei dem er zum ersten Mal levantinisch kochte – und plötzlich seine kulinarische DNA fand

Heute ist es das Gegenteil: Es ist levantinische Küche mit einem europäischen Einschlag. Es ist selbstbewusst, es ist, was ich bin, und ich glaube, das hat der Guide Michelin sofort verstanden.“

www.prismberlin.de

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