Wie Zuma-Gründer Rainer Becker es vom Azubi zum 250 Millionen schweren Gastronomen schaffte

Aus der Vision einer zeitgenössischen japanischen Küche entwickelte Rainer Becker sein Zuma-Imperium. Heute ist der Mann aus Bernkastel-Kues an der Mosel Chef über 34 Restaurants und übt sich in der Kunst, inkognito zu bleiben. Stars wie Robert DeNiro, Russell Crowe oder Philippe Starck kennen ihn dafür umso besser.
Dezember 8, 2022 | Text: Hannes Kropik | Fotos: Raphael Gabauer, Richard Southall, Rusne Draz, Lesley Pittaway, Richard R. Schünemann, Restaurante ROKA Cap Vermell

Die nackten Zahlen erstaunen auf den ersten Blick: 34 Restaurants in 14 Ländern, 2.500 Mitarbeiter auf drei Kontinenten und ein Jahresumsatz von 230 bis 250 Millionen Dollar. „Das klingt verrückt“, sagt Rainer Becker. Denn für den Gastronomen,
der vor 61 Jahren im beschaulichen Bernkastel-Kues an der Mosel geboren wurde, wirkt der eigene Erfolg selbst unglaublich. Das ist absolute Weltspitze! Kurios: Einen ­Wikipedia-Eintrag über den Supergastronomen gibt’s dennoch nicht. „Zum Glück“, sagt er. „Ich will nicht berühmt sein. Es geht nicht um mich, sondern nur um meine Arbeit.“

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In Sydney hat er sich ins Grillen verliebt, in Tokio in die Atmosphäre gemütlicher Kneipen. Seither trägt Rainer Becker seine Vision von zeitgemäßer japanischer Küche in die Welt hinaus – und bleibt selbst lieber im Hintergrund

Das Adrenalin hatte nicht mehr gepumpt. Ich wusste: da muss noch mehr kommen!
Rainer Becker über seinen Wechsel in die Selbstständigkeit

Die nackten Zahlen erstaunen auf den ersten Blick: 34 Restaurants in 14 Ländern, 2.500 Mitarbeiter auf drei Kontinenten und ein Jahresumsatz von 230 bis 250 Millionen Dollar. „Das klingt verrückt“, sagt Rainer Becker. Denn für den Gastronomen,
der vor 61 Jahren im beschaulichen Bernkastel-Kues an der Mosel geboren wurde, wirkt der eigene Erfolg selbst unglaublich. Das ist absolute Weltspitze! Kurios: Einen ­Wikipedia-Eintrag über den Supergastronomen gibt’s dennoch nicht. „Zum Glück“, sagt er. „Ich will nicht berühmt sein. Es geht nicht um mich, sondern nur um meine Arbeit.“

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In Sydney hat er sich ins Grillen verliebt, in Tokio in die Atmosphäre gemütlicher Kneipen. Seither trägt Rainer Becker seine Vision von zeitgemäßer japanischer Küche in die Welt hinaus – und bleibt selbst lieber im Hintergrund

Das Adrenalin hatte nicht mehr gepumpt. Ich wusste: da muss noch mehr kommen!
Rainer Becker über seinen Wechsel in die Selbstständigkeit

Ein Stardesigner als Sparring-Partner

Nun, hier geht es zur Abwechslung trotzdem um den – wie er selbst über sich sagt – „sportlichen Adrenalinjunkie“. Schließlich ist seine Geschichte nicht nur ob der spektakulären Geschäftszahlen sagenhaft. Rainer Beckers Weg an die Spitze besteht aus vielen überraschenden Puzzleteilen. Los geht alles Ende seiner 30er. Es ist eine Zeit, in der Rainer Becker die berufliche Komfortzone im Hyatt-Konzern verlassen wollte. „Ich hatte bis dahin in zahlreichen Häusern mit Michelin-Sternen gekocht. Ich war Executive Chef im Park Hyatt in Sydney und hatte im Park Hyatt in Tokio 100 Köche in fünf Restaurants und einem Bankettsaal unter mir. Aber irgendwann hab ich gemerkt: Das Adrenalin hat nicht mehr so pulsiert wie früher. Ich dachte mir: Da muss doch noch mehr kommen!“

Dass er seinen Lebensmittelpunkt zum Jahrtausendwechsel schließlich nach London verlegte, verdankt er nicht zuletzt Spitzenkoch Nobuyuki Matsuhisa und Hollywood-Star Robert DeNiro: Wenn die zwei in Tokio waren, sind sie bei Becker abgestiegen und haben ihn über die Entwicklung des gerade gegründeten „Nobu“ in London auf dem Laufenden gehalten. „Durch sie habe ich den Eindruck gewonnen, dass London zum neuen, boomenden Zentrum der Gastro-Welt werden könnte.“ Hinzu kamen lange Bar-Nächte mit dem französischen Designer Philippe Starck, der Ende des 20. Jahrhunderts Ideen für ein internationales Restaurant mit gesunder Küche wälzte. Aus der geplanten Zusammenarbeit ist zwar nichts geworden, inspirativ waren die nächtelangen Brainstormings aber freilich trotzdem.

Hinein ins neue Epizentrum

Die Anregungen von Starcke, kombiniert mit seinen Wahrnehmungen, die er in Japan gesammelt hatte, entstand in seinem Kopf ein Konzept von einem Restaurant mit Izakaya-Vibe, also der lockeren Stimmung japanischer Kneipen, in denen das Essen im Vordergrund steht. Allein, es fehlte ein Financier. Hier führte dann der Zufall Regie: „Ich habe meinem Friseur beim Haareschneiden erzählt, dass ich ein Restaurant eröffnen möchte, mir aber das Geld fehlt. Und er hat mir die Nummer von Arjun Waney gegeben, der in Restaurants investieren wollte, aber nicht genug Ahnung von Gastronomie hatte.“

Fazit: Das erste Zuma eröffnete 2002 mit 65 Angestellten und 140 Sitzplätzen im Herzen Londons. Das Konzept war von Anfang an groß gedacht: Hinter einer Bar mit ausgewählten Cocktails sollte ein damals für Europa neuartiger, offener Robata-
yaki-Grill den Gastraum dominieren, flankiert von einer Sushi-Theke und unterstützt von einer regulären Küche im Hintergrund. „Weil es anfangs schwierig war, die nötigen Köche zu finden, habe ich einige Kollegen aus Japan nach London geholt. Einer von ihnen, Yoshi Muranaka, ist heute noch als Executive Chef bei mir tätig.“

Wichtig war damals der Verzicht auf Tischdecken und anderen Sterne-Schnickschnack: „Die Gäste sollten sich einfach wohlfühlen.“

Schlagkräftige Unterstützung aus Hollywood

Rainer Becker war von Anfang an von seiner Vision überzeugt. Klar, dass er sein eigenes Erspartes, immerhin rund eine Viertel Million Euro, in die Firma einbrachte. Und das aller Unkenrufen zum Trotz: „Die Londoner Presse war skeptisch: ein Deutscher, der mit einem indischen Partner ein japanisches Restaurant eröffnet? Sie haben uns maximal drei Monate gegeben.“

Unfreiwillige Schützenhilfe kam just in dieser so entscheidenden Anfangsphase des heutigen Zuma-Imperiums von
Hollywoodstar Russell Crowe: Der Oscar-Preisträger („Gladiator“) lieferte sich mit dem neuseeländischen Geschäftsmann Eric Watson ein berauschtes Wortgefecht samt Handgemenge im gerade eröffneten Zuma London.

Grund dafür? „In solchen Situationen“, erinnert sich Rainer Becker an den schwungvollen Abend, „geht es doch immer um Mädels“. Die Paparazzi-Bilder jedenfalls gingen um die Welt und sorgten für unbezahlbare Werbung in den USA, aber auch in Aus­tralien und Neuseeland: „Plötzlich kannte jeder den Namen Zuma“, sagt Rainer Becker. Russell Crowe ist er übrigens immer noch dankbar: „Erst vor Kurzem war er zu Gast in unserem Zuma in Rom. Das Essen sollte natürlich aufs Haus gehen. Aber Russell wollte nichts davon wissen und hat seine Rechnung selbst beglichen.“

In China verzockt

Doch nur weil Becker seinen Traum leben kann, heißt das nicht, dass sein Aufstieg ohne Rückschläge verlaufen ist. Mit einem Roka im neu eröffneten Kasino in Macao hat er 2009 ganze vier Millionen Euro versenkt. Doch ein Mann wie Becker negiert solche Tiefschläge nicht, sondern reagiert darauf mit einer gehörigen Portion Selbstreflexion: „Wir hatten unsere Hausaufgaben nicht gemacht“, so Rainer Becker über seine nachhaltige Lehre aus dem Debakel. „Wir waren ein bisschen überheblich und dachten ohne großen Market Research, dass es genauso rauchen würde wie in Las Vegas.“

Doch chinesische Glücksspieler ticken anders als ihre US-Kollegen: „Sie sind nur für 24 Stunden eingeflogen, haben nonstop gezockt und sich rasch von Nudelsuppen am Take-Away-Stand verköstigt.“

Mein Vater wollte mich mit verkehrter Psychologie vom Kochwerden abhalten.
Rainer Becker über einen der wahren Gründe seiner Berufswahl

Heute wird bei neuen Locations nichts mehr dem Zufall überlassen. Restaurants müssen auch nicht ganzjährig geöffnet haben, sondern können saisonalen Gästeströmen folgen. Neben – für heuer bereits geschlossenen – Lokalen in sommerlichen Hotspots wie Mallorca und Ibiza gibt es als einziges Becker-Lokal am deutschsprachigen Markt ein Zuma im Kitzbüheler Fünf-Sterne-Hotel Zum Weissen Roessl. Zur Fußball-WM eröffnete im November 2022 ein Zuma-Pop-up in Katar: „Das ist für uns gleichzeitig ein Test: Wenn es gut funktioniert, kann Doha durchaus zum fixen Standpunkt werden.“

Würde es nach meinem Abgang nicht weitergehen, wäre mein Lebenswerk zerstört.
Rainer Becker über seine Prioritäten

Rainer Beckers Lebenswerk

Die wichtigsten Eckdaten für die Weiterentwicklung seines Imperiums stehen übrigens handgeschrieben auf einer schlichten Metalltafel an der Wand hinter Beckers Schreibtisch: Neue Zumas werden 2023 in Capri und Riad und 2024 in Cabo San Lucas und an der Côte d’Azur eröffnet; neue ­Rokas sind in Jeddah, Bahrain, Mykonos und Mailand geplant. Auch die Zukunft der Azumi Limited Group, unter deren Dach alle Restaurants geführt werden, ist geklärt: Rainer Becker und der mittlerweile 83-jährige Arjun Waney haben sich mit dem Türken Ferit Şahenk, dem CEO der milliardenschweren Dogus Group, einen Partner in die Firma geholt, der den Fortbestand auf lange Zeit absichern soll.

Rainer Becker, ganz unsentimental: „Wie gesagt: Um mich geht es nicht. Aber würde es nach meinem Abgang nicht weitergehen, wäre mein Lebenswerk zerstört.“ ­Lachender Nachsatz: „Und das wäre doch mehr als schade.“

Rainer Becker

Nach Abschluss der Meisterschule beim Verband Deutscher Köche in Frankfurt führten ihn seine Wanderjahre nach Köln, wo er 1988 als Küchenchef der Graugans erste Schritte im Hyatt-Imperium unternahm. Nach zwei Jahren als Executive Chef im Park Hyatt Sydney übernahm Rainer Becker die Küche des neu eröffneten Park Hyatt in Tokio, Cineasten bekannt aus „Lost in Translation“. 2002 eröffnete er mithilfe des indischen Finanziers Arjun Waney im
noblen Londoner Stadtteil Knightsbridge sein erstes Zuma mit zeitgenössischer japanischer Küche.

zumarestaurant.com

 

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