Martin Klein: Peter Pan am Pass
Der richtige Moment
Wenn ein Gericht dich wie ein Faustschlag trifft, dann weißt du, dass du es niemals wieder vergessen wirst. Wenn jedes Detail stimmt, vom Überraschungseffekt beim Einstellen am Tisch bis zum letzten Rest der fein-säuerlich abgeschmeckten Misomayonnaise, den du verbissen versuchst, vom Teller zu kratzen. Solche Momente sind selten.
Aber genau für solche Momente arbeitet die Crew des Hangar-7, genauer gesagt die des Restaurants Ikarus. Jeden Monat startet der Versuch neu, sich durch das Aneignen der Küchen weltbekannter oder aufstrebender Küchenstars und -starlets in den Hippocampus der Gäste zu brennen. Aber einmal im Jahr greift das Gastkochprinzip des Hangar-7 nicht, einmal im Jahr ist es Zeit für Executive Chef Martin Klein und seine beiden Küchenchefs Jörg Bruch und Tommy Eder-Dananic, selbst dafür zu sorgen, dass es die Geschmacksknospen gehörig vor den Latz geknallt bekommen. Und das von Jahr zu Jahr mehr.
Martin Klein, gebürtiger Elsässer und
Der richtige Moment
Wenn ein Gericht dich wie ein Faustschlag trifft, dann weißt du, dass du es niemals wieder vergessen wirst. Wenn jedes Detail stimmt, vom Überraschungseffekt beim Einstellen am Tisch bis zum letzten Rest der fein-säuerlich abgeschmeckten Misomayonnaise, den du verbissen versuchst, vom Teller zu kratzen. Solche Momente sind selten.
Aber genau für solche Momente arbeitet die Crew des Hangar-7, genauer gesagt die des Restaurants Ikarus. Jeden Monat startet der Versuch neu, sich durch das Aneignen der Küchen weltbekannter oder aufstrebender Küchenstars und -starlets in den Hippocampus der Gäste zu brennen. Aber einmal im Jahr greift das Gastkochprinzip des Hangar-7 nicht, einmal im Jahr ist es Zeit für Executive Chef Martin Klein und seine beiden Küchenchefs Jörg Bruch und Tommy Eder-Dananic, selbst dafür zu sorgen, dass es die Geschmacksknospen gehörig vor den Latz geknallt bekommen. Und das von Jahr zu Jahr mehr.
Martin Klein, gebürtiger Elsässer und Hangar-7- Geisteskind von Anbeginn an, steht der Küche in Poleposition seit drei Jahren vor. Seine Stationen davor sind geprägt von rasanten Aufstiegen: Im Restaurant Zum Ochsen in Karlsruhe schaffte er es binnen 18 Monaten vom Commis bis zum Chef de Partie, in der Wielandshöhe in Stuttgart machte Klein in zwei Jahren den Sprung vom Chef de Partie zum Sous Chef. Der erste selbst erkochte Michelin-Stern mit 26 Jahren und dann bereits ab in den Hangar-7.
Neun Jahre als Küchenchef unter Roland Trettl und knapp 80 Kochkalibern wie René Redzepi, Grant Achatz oder den Roca-Brüdern schärften das Geschmacksprofil und die Stilistik von Klein. Und seinen Wunsch, selbst wieder ganz vorne zu stehen. Es folgt ein zweijähriger Abstecher auf eine private Luxusinsel im Südpazifik als Executive Chef von fünf exklusiven Restaurants und Bars. Das Ticket ins kulinarische Cockpit des Hangar-7 kommt mit dem Abdanken von Roland Trettl.
Vollgas am Gaumen
Und jetzt: mitten in die Fresse rein. Könnte man so sagen. Das entspräche aber nicht dem feingeistigen Esprit von Martin Klein. Bei dem aktuellen Menü der Ikarus-Crew ist man aber geneigt, sich verbal der kräftigen Aromatik der Gerichte anzuschließen. Diese haben es nämlich in sich. Keine Spur mehr von einer leisen Zurückhaltung, vielmehr: her mit der Emanzipation.
In den zwölf Gängen ihres Menüs 2016 merkt man, dass Martin Klein und sein Team erwachsen geworden sind, selbstbewusster und dabei aber das Spielerische nicht verloren haben. „Man geht ein bisschen weiter, schließlich bin ich nun seit drei Jahren Chef im Hangar-7 und dabei gereift. Wir werden komplexer und fortgeschrittener. Und wir sind mutig genug, einen Schritt weiterzugehen und uns nicht von ein bisschen Gegenwind, der kommen könnte, aus der Bahn werfen zu lassen.“
Das "Immer-weiter-Prinzip"
Was einen Schritt weitergehen in Bezug auf das Menü bedeutet, ist ein Spiel von Säure und Süße auf einem hammermäßigen Level. Herausfordernd und zugleich anziehend. Und das eigentliche Zugeständnis in Sachen Stilistik: „Wer im Jahr elf verschiedene Kochstile adaptiert, der ist eben mit der Frage konfrontiert, was sein eigener Stil eigentlich ist, wie der sich entwickeln kann. Worauf wir uns fokussieren, ist einfach der Geschmack und in weiterer Folge die Präsentation.“
Mit Erfolg, schließlich sind es unter der Ägide von Klein nun erstmals zwei Sterne, die für das Restaurant Ikarus vergeben wurden. Ob sich dadurch etwas geändert hat? „Mit dieser Bewertung ist natürlich ein wenig Druck hinzugekommen. Jeder von uns hat seine Arbeit davor auch schon sehr ernst genommen, aber nun haben wir ja quasi etwas zu verlieren, deswegen bin ich wesentlich rigoroser geworden, was Kompromisse angeht. Es gibt keine mehr.“
Dass das nicht nur eine Floskel ist, beweist die Tatsache, dass selbst nach dem ersten Service noch an den Gerichten gefeilt wird, bis sie perfekt sind. Das Abschlussdessert, die „Meringue Surprise“, war ursprünglich als große Träne arrangiert. Eingefasst in einem mit Blumen verzierten Band aus getrockneter Meringue-Masse befanden sich verschiedene Sorbets, auf denen noch zusätzlich angeflämmt Baisermasse gespritzt war. Durch diese Anrichteweise waren allerdings die Süße sowie die Säure sehr präsent. Zu präsent für Klein.
Man muss sich einfach immer infrage stellen und bereit sein, etwas zu ändern.
Martin Klein über eine dogmatische Denkweise
Daher hieß es um 1:00 Uhr nachts noch einmal brainstormen, wie man dieses an sich tolle Gericht perfekt machen könnte. „Man muss sich permanent infrage stellen und wenn ich mich den ganzen Tag frage, was nicht passen könnte, dann gehe ich dem nach. Und ändere es.“
Nun wird die „Meringue Surprise“ als drei Sorbetnocken mit einem Taler aus besagter getrockneter Meringue-Masse dem Gast serviert. Durch die kleinere Portionsgröße konnte dementsprechend die Säure reduziert werden und zudem passt die Nachspeise nun optisch besser zu dem filigranen Anrichtestil.
Spann den Bogen bis zum Anschlag
Dass es Martin Klein immer darum geht, dem Geschmack die größtmögliche Bühne zu bieten, beweist auch die Nachjustierung des vermutlich überraschendsten Gangs des August-Menüs, „Kalbsbries – Miso – Shiso – Yuzu“. Gedacht als erfrischender Ruhepol vor dem Hauptgang, zielt das Gericht darauf ab, mit seinen unterschiedlichen Texturen den Spannungsbogen zu halten.
Das knusprig gebackene Kalbsbries sitzt auf einer schmelzenden, gedämpften Creme aus Ei und Miso und wird am Tisch mit einem sehr umamireichen Dashi aufgegossen, wobei die Zitrusnoten von Shiso sowie Yuzu und einige Blättchen Melben für das passende Gegenspiel sorgen. „Das Gericht ist aber nur dann perfekt, wenn die weiche Creme auf den Crunch des gebackenen Bries trifft.
Die Herausforderung war aber, als wir merkten, dass die Gäste gerne zuerst Bilder von dem Gang aufnehmen und in dieser Zeit saugt sich die Kruste des Bries mit der Flüssigkeit voll und der Knack ist weg. Daher haben wir ebenfalls nach dem ersten Service das Bries einfach auf ein Spießchen gesteckt.“ Ein kleiner Switch, aber mit großer Wirkung.
Kochen ist Mannschaftssport
Beeindruckend ist ebenso die Herangehensweise an das diesjährige Menü. Während 2014 Öl und Essig das Thema waren und im letzten Jahr das Einlegen und Fermentieren, so sind es in diesem August Produkte herausragender Produzenten aus der Umgebung. Zudem ein Novum: Es war nicht nur Martin Klein, der auf Recherchereise ging, sondern ebenfalls seine beiden Küchenchefs Jörg Bruch und Tommy Eder-Dananic sowie der Service Chef des Hangar-7, Matthias Berger.
Herausgekommen ist dabei eine ganz persönliche Hitliste mit abgefahrenen und ungewohnten Produkten. Wie etwa die Garnelen. Aber nicht irgendwelche, sondern bayrische Salzwasser-Riesengarnelen von Fabian Riedel und Maximilian Assmann, den urban Fishermen. Küchenchef Jörg Bruch hat die beiden Produzenten nördlich von München aufgetrieben und sich auch gleich von der bayrischen Heimat der Riesengarnelen inspirieren lassen. Das führt nun dazu, dass die sogenannten „Good Gambas“ in unterschiedlichen Texturen wie etwa in Bierteig sowie mit einer überaus harmonischen Kombination aus Bier, Mohn und Sprossen an den Tisch kommen.
Jeder Gang hat seine eigene Stilistik und seinen eigenen Charakter.
Martin Klein über das diesjährige Menü des Restaurants Ikarus
Den zweiten Küchenchef der Brigade, Tommy Eder-Dananic, hingegen verschlug es auf seiner Suche in den Süden, in das Eisacktal in Südtirol. Zu dem 4-Generationen-Paradies der Familie Gasser. Die anfänglich 15 Quadratmeter Garten der Mutter sind nun durch Harald Gasser zu einem 400-Sorten-Garten-Eden für alte, vergessene Knollen, Wurzeln, Pflänzchen und Gemüsesorten geworden. Für das August-Menü entschied sich Tommy Eder-Dananic für violette, weiße und rote Radieschen, die gleich nach der ersten Ernte fermentiert werden. Die Ernte des Hochsommers wird frisch und knackig über geräucherten schwarzen Kabeljau gehobelt.
Feinjustierung aber auch hier bis zum letzten Moment: Anstatt des vorgesehenen Seehechts wird auf schwarzen Kabeljau umgeschwenkt, da sein Fleisch etwas fetter ist und sich daher besser räuchern lässt. Der weißblutige Weinbergpfirsich bietet dann mit dem Fisch gemeinsam den perfekten Gegenspieler zu den Radieschen.
Einen Kontrahenten zu finden, das war definitiv nicht die Aufgabe von Matthias Berger – sondern vielmehr eine Harmonie zustande zu bringen, die schwer zu greifen ist. Der Produzent des korrespondierenden Weines zu dem vorher beschriebenen Bries-Gang war schnell definiert, das Weingut Tement.
Doch nicht die Lage Zieregg begeisterte den Hangar-7 Service Chef, sondern der bei einer Fassprobe gefundene Sauvignon blanc aus alten Reben vom Grassnitzberg. Die frischen, grasigen Noten und ein Duft von Johannisbeere veredeln die säuerlichen Aromen des Gerichtes. Und weil alles ineinandergreift, ist es auch nicht überraschend, dass Harald Gasser die passende Shiso-Sorte mit starken Zitronenanklängen zum Bries aus seinem Garten zupft.
Same same, aber so was von unterschiedlich
Was dem Ikarus Team in diesem Jahr noch um einiges besser gelungen ist als zuvor: sich selbst zu finden, ohne dabei seinen jungenhaften Spieltrieb zu verlieren. Martin Klein und sein Team haben zwölf Gänge kreiert, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Der kleine Kaviar-Taco mit gebeizten, hauchzarten Störfilets und blumig-scharfer Creme aus Kapuzinerkresse, Grülls Kaviar und einer milden Vinaigrette aus den Blüten der Kresse im Gegensatz zu dem filigranen Gesamtkunstwerk „Bachforelle – Escabèche – Tomate – Jalapeños“ mit seiner frischen Säure, die nachhaltig den Gaumen animiert.
Egal, welcher Gang: Es wiederholt sich weder die Technik noch das Produkt und niemals das Essgefühlt. Jedes Gericht überzeugt durch seinen eigenen Charakter. Aber schlussendlich verbindet alle doch das eine: Nämlich, dass sie als Teil einer einzigartigen Vision entstanden sind. Und die könnte heißen: „Mitten in die Fresse rein.“ Aber Martin Klein wird das vermutlich eleganter formulieren …
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