Leben hinter dem Scheinwerferlicht
Fotos: Monika Reiter
In Leben zwischen Zirkuszelt und Waggons, Ziehen von Stadt zu Stadt, immer unterwegs, nie sesshaft. Während erzkonservative Bürohengste bei dieser Vorstellung spontane Schweißausbrüche bekommen, löste Koch Roberto Sartirani mit diesem Lifestyle die Eintrittskarte zu einem neuen Leben: „Bislang hatte ich in Küchen gearbeitet, die so groß waren wie hier das ganze Zirkuszelt. Nun arbeite ich auf 2,5 mal 10 Metern.“
Seit März 2014 ist der gebürtige Italiener mit dem Circus Roncalli on Tour. Insgesamt hat er 14 Jahre für Four Seasons gearbeitet. In Mailand, aber auch in London und Buenos Aires. „In beruflicher Hinsicht war das für mich…
Fotos: Monika Reiter
In Leben zwischen Zirkuszelt und Waggons, Ziehen von Stadt zu Stadt, immer unterwegs, nie sesshaft. Während erzkonservative Bürohengste bei dieser Vorstellung spontane Schweißausbrüche bekommen, löste Koch Roberto Sartirani mit diesem Lifestyle die Eintrittskarte zu einem neuen Leben: „Bislang hatte ich in Küchen gearbeitet, die so groß waren wie hier das ganze Zirkuszelt. Nun arbeite ich auf 2,5 mal 10 Metern.“
Seit März 2014 ist der gebürtige Italiener mit dem Circus Roncalli on Tour. Insgesamt hat er 14 Jahre für Four Seasons gearbeitet. In Mailand, aber auch in London und Buenos Aires. „In beruflicher Hinsicht war das für mich die prägendste und wichtigste Zeit. Als ich in Mailand begann, war ich 21 Jahre jung. Mein Küchenchef war Sergio Mei. Von seiner Kochkunst auf internationalem Niveau habe ich viel gelernt und profitiert.“
Im Mailänder Four Seasons war Sartirani für mehr als 40 Mann Küchenpersonal verantwortlich. Heute teilt er sich den Waggon mit seiner kolumbianischen Frau. Die ist nämlich die Einzige, die ihm im Küchenwagen des Circus Roncalli zur Hand geht. In großen Teams gibt es genaue Arbeitsaufteilungen. Jeder ist auf eine bestimmte Tätigkeit oder ein Gericht spezialisiert. „Bei Roncalli koche ich das gesamte Menü von Anfang bis Ende. Das ist schön, aber auch anstrengend und erfordert eine ganz andere Kreativität“, schildert Sartirani die neuen Aufgaben.
In der kleineren Küche finden natürlich auch weniger Spezialgeräte Platz. Man kann in großen Küchen ja schon im Vorfeld viel vorbereiten. „So habe ich früher viel mit Dampfbackofen gearbeitet oder mit den unterschiedlichen Kühlmöglichkeiten. Hier koche ich alles frisch und da weder Künstler noch die Zuschauer vor der Vorstellung viel Zeit mitbringen, meist auch in weniger als einer Stunde.“ In der Zirkusküche serviert er zur großen Freude des 120 Mann starken Teams herrliche Eigenkreationen. Punkt zwölf heißt es für alle Beteiligten: Teller mitbringen und Essen fassen. Laut Sartirani essen die Akrobaten nicht anders als gesundheitsbewusste Menschen heute. Wenig Kohlenhydrate, viel Obst und Gemüse, Huhn und Fisch. „Die meisten lieben mediterrane Küche und das kommt mir natürlich sehr entgegen. Der Großteil kommt erst nach dem Auftritt zu mir, weil sie erst dann gemütlich essen können. Wir besprechen dann gemeinsam und ich koche individuell nach ihren Wünschen.“
Die Karte des Café des Artistes ändert sich also in jeder Gastspielstadt je nach lokalem und saisonalem Produktangebot. „Wir kaufen immer vor Ort ein und haben keine überregionalen Lieferanten. Das macht es spannend und abwechslungsreich. In Graz habe ich beispielsweise keine guten Zucchini gefunden. Sie hatten zu viel Wasser. Aber die Steinpilze waren herrlich. Also gab es Tagliatelle mit Steinpilzen.“ Die Rezepte der meisten Gerichte sind persönliche Kreationen und Sartiranis Schwerpunkt liegt eindeutig auf einer leichten und modernen italienischen Küche: handgemachte Pasta, Fisch und leichte Obsttorten.
Die Arbeitszeiten sind hart, Sartirani praktisch rund um die Uhr im Einsatz: „Mein Arbeitstag beginnt zwischen 8 und 10 Uhr und endet gegen 23.30 Uhr. Während der Vorstellungen kann ich eine Pause machen. Dienstags habe ich frei.“ In der Regel dauert die Saison von März bis Anfang Dezember. Im August gibt es zudem eine Sommerpause von rund drei Wochen. Und die kann man bei einem so intensiven Zusammenleben gut gebrauchen. Bei Roncalli ist man neun Monate gemeinsam unterwegs. Alle erleben dieselben Freuden und Probleme. Auf die Frage, ob denn der Zirkus wirklich eine große Familie sei, entgegnet der italienische Koch eher reserviert: „Familie ist ein sehr großes Wort. Ich wurde bei Roncalli sehr herzlich willkommen geheißen und die Kollegen begegnen mir mit großem Respekt. Ich bin aber ein Mensch, der eher wenige, aber dafür sehr gute Freunde hat.“
Und während er gekonnt eine Crêpe durch die Luft wirbelt, albert er auch über seine eigene Zukunft im Rampenlicht der Manege: „Vielleicht als größter Zwerg Europas. Nein, im Ernst: Ich denke, ich bin in der Küche sehr gut aufgehoben.“