Perlen vor Sylt

Im rauen Wattenmeer vor der beliebten Urlaubsinsel werden die edlen Sylter Royal-Austern von Dittmeyer’s Austern-Compagnie gezüchtet. Ein Luxusprodukt, das viel Arbeit verlangt.
November 13, 2015

Perlen vor Sylt
Fotos: Helge O. Sommer

Sie haben Ihr Ziel erreicht: In der Hafenstraße 10 in List, kaum zu verfehlen, ein Backsteinhaus mit blauem Dach und blau-weiß gestreiften Strandkörben. Die Sylter Royal-Auster nennt dieses unscheinbare Haus mit Urlaubsflair über Jahre hinweg ihre Herberge. Genau genommen eigentlich nur in der kalten Jahreszeit von Oktober bis März. Den Rest des Jahres verbringen die pazifischen Felsenaustern im rauen Wattenmeer vor Sylt. Dort filtern sie das hervorragend bewertete Meereswasser, ernähren sich von Plankton und Mineralstoffen und wachsen innerhalb von zwei Jahren auf eine beachtliche Größe von 70 bis 90 Gramm heran. Ihre blau-weiße Herberge beziehen die Meeresbewohner, bevor das Eis kommt: In 300 Kubikmeter Seewasserbecken, die durch Umwälzpumpen und mit Seewasserleitung für Frischwasser ausgestattet sind. Im Winter leben sie vom angefutterten „Speck“ – unter sieben Grad Celsius lebt kaum Plankton im Meer. Deshalb bleiben sie so lange draußen wie möglich und kommen so schnell wie möglich wieder ins Meer. „No risk, no fun“, sagt Bine Pöhner, Geschäftsführerin der Dittmeyer’s Austern-Compagnie. „Vor einigen Jahren ist uns fast ein Drittel im Meer eingefroren, weil wir zu spät dran waren. Aber man lernt ja aus Fehlern“, schmunzelt sie, obwohl das einen großen finanziellen Verlust bedeutete. Pöhner ist Kopf und Herz der Produktionsstätte. Wie man dazu kommt, Austern zu züchten? „Es war ein Nebenjob während meines BWL-Studiums. In den Semesterferien habe ich bereits bei der Gründung im Jahr 1986 mitgeholfen. Nachdem ich über acht Jahre im Tourismusbereich leitende Positonen innehatte, suchte ich die Veränderung und fand sie auf Sylt. Ich kam nie ganz los.“

Es begann als ein Nebenjob, von dem ich nie ganz loskam.
Bine Pöhner über ihren langjährigen Bezug zum Beruf

Kalkige Schale, weicher Kern
Die von der Compagnie vertriebenen Austern, die unter dem Namen Sylter Royal laufen, sind die einzigen in Deutschland gezüchteten pazifischen Felsenaustern. Etwa 95 Prozent aller vertriebenen Austern sind heute pazifische Felsenaustern. Aber nur die Sylter Royal…

Perlen vor Sylt
Fotos: Helge O. Sommer

Sie haben Ihr Ziel erreicht: In der Hafenstraße 10 in List, kaum zu verfehlen, ein Backsteinhaus mit blauem Dach und blau-weiß gestreiften Strandkörben. Die Sylter Royal-Auster nennt dieses unscheinbare Haus mit Urlaubsflair über Jahre hinweg ihre Herberge. Genau genommen eigentlich nur in der kalten Jahreszeit von Oktober bis März. Den Rest des Jahres verbringen die pazifischen Felsenaustern im rauen Wattenmeer vor Sylt. Dort filtern sie das hervorragend bewertete Meereswasser, ernähren sich von Plankton und Mineralstoffen und wachsen innerhalb von zwei Jahren auf eine beachtliche Größe von 70 bis 90 Gramm heran. Ihre blau-weiße Herberge beziehen die Meeresbewohner, bevor das Eis kommt: In 300 Kubikmeter Seewasserbecken, die durch Umwälzpumpen und mit Seewasserleitung für Frischwasser ausgestattet sind. Im Winter leben sie vom angefutterten „Speck“ – unter sieben Grad Celsius lebt kaum Plankton im Meer. Deshalb bleiben sie so lange draußen wie möglich und kommen so schnell wie möglich wieder ins Meer. „No risk, no fun“, sagt Bine Pöhner, Geschäftsführerin der Dittmeyer’s Austern-Compagnie. „Vor einigen Jahren ist uns fast ein Drittel im Meer eingefroren, weil wir zu spät dran waren. Aber man lernt ja aus Fehlern“, schmunzelt sie, obwohl das einen großen finanziellen Verlust bedeutete. Pöhner ist Kopf und Herz der Produktionsstätte. Wie man dazu kommt, Austern zu züchten? „Es war ein Nebenjob während meines BWL-Studiums. In den Semesterferien habe ich bereits bei der Gründung im Jahr 1986 mitgeholfen. Nachdem ich über acht Jahre im Tourismusbereich leitende Positonen innehatte, suchte ich die Veränderung und fand sie auf Sylt. Ich kam nie ganz los.“

Es begann als ein Nebenjob, von dem ich nie ganz loskam.
Bine Pöhner über ihren langjährigen Bezug zum Beruf

Kalkige Schale, weicher Kern
Die von der Compagnie vertriebenen Austern, die unter dem Namen Sylter Royal laufen, sind die einzigen in Deutschland gezüchteten pazifischen Felsenaustern. Etwa 95 Prozent aller vertriebenen Austern sind heute pazifische Felsenaustern. Aber nur die Sylter Royal schlürfen das Wasser vor der Urlaubsinsel.
Pöhner erklärt, dass die Europäische Union Gewässer in Güteklassen einteilt. Dabei bekommen nur wenige Regionen die beste Klasse A zugewiesen: Eine davon ist die nordfriesische See vor Sylt. Eine andere liegt an der irländischen Küste. Von dort bekommt Pöhner ihren Nachwuchs. In Irland werden die Austern-Nachkommen aufgepäppelt, bis sie eine ordentliche Kalkschale aufgebaut haben und transportfähig sind. Sind sie zu klein, werden sie beim Transport zerquetscht. Mit rund 12 bis 18 Monaten ziehen jedes Jahr junge Austern in ihr neues blau-weißes Zuhause.
Pöhner und ihr Team, bestehend aus vier Austernfischern und einer Bürofee, ziehen die Delikatessen in sogenannten „Poches“ auf. In diesen gut gefüllten Netzsäcken liegen rund 100 Austern auf Eisentischen 40 Zentimeter über dem Wattboden 800 Meter vom Strand entfernt und warten auf die Flut, die sie überschwemmt. Die Sylter Royal wird nicht zugefüttert und bekommt keine anderen Stoffe, außer die, die sie aus dem Meerwasser filtert. Nur bei Ebbe können die Austernfischer ihrer Arbeit im Watt nachgehen: Sie schütteln die Säcke, um ein Verwachsen der Austern zu verhindern, und entfernen Tang. 22 Mal wird jede Muschel von Hand bewegt, bevor sie verkauft wird. Immer wieder müssen die Poches geleert und die Tiere nach Größe sortiert werden. Dann müssen die Jungs sich auch schon wieder auf den Traktor schwingen und Richtung Hauptquartier fahren. Das Meer nimmt keine Rücksicht – zwischen 30 Minuten und vier Stunden haben die Fischer draußen Zeit.

Der Begriff Austernfischer ist übrigens irreführend: Gefischt wurden freie Austern aus der Nordsee vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Mittlerweile werden Austern gezüchtet, nicht gefischt. Die Überfischung, verstärkte Eiswinter und Parasiten hinderten die Fortpflanzung, was zu einem Aussterben der ursprünglich dort lebenden europäischen Austern führte. Damals wurden sie vermehrt gefischt, um das adlige Volk mit dem besonderen Muschelinneren zu versorgen. Als sie ausstarben, wurde die Pazifikauster vor rund 100 Jahren in Frankreich gezüchtet, in den Fünfzigern vor Holland und seit 1986 vor Sylt, da die europäische Sorte nicht mehr zu kultivieren war.
Naturschützer bemängelten zunächst, dass Wildaustern – ausgebüchste Pazifikaustern – einheimisches Meeresgetier wie die Miesmuschel vertreiben. Da es einen relativ hohen Anteil frei lebender Austern gibt, nehme das Vögeln die Futterquelle. Dagegen spricht und das wissen auch die Naturschützer, dass sich seit Produktionsbeginn neue Algen, Seestichlinge und Seeigel ansiedeln.

Zwei Jahre wachsen Austern bei uns, bevor sie verkauft werden.

Schneller ginge es nur mit Zusatzfutter. Das gibt’s bei uns nicht!

Bine Pöhner über ihr Verständnis von Naturprodukten

Schlürfen und andere Mythen
Regel Nummer eins in der Austernstube: Austern ordentlich kauen. Sonst kann man seinen Kopf auch in Salzwasser halten. Das ist definitiv billiger. Erst nach ein paar Bissen entfaltet sich der außergewöhnliche Geschmack. Leicht nussig und fleischig – die Sylter Royal hat einen besonders hohen Fleischanteil im Verhältnis zur Schale. „Das liegt am sehr guten Wasser und der Zeit, die wir ihnen geben“, erklärt Pöhner. „Zwei Jahre wachsen Austern bei uns, bevor sie in der Austernstube verkauft oder versandt werden. Man könnte sie durchaus schneller zum Endgewicht bringen, aber dafür müssten wir zufüttern. Darauf verzichten wir ganz bewusst.“ Eine Million Austern verkauft das Unternehmen jährlich. Versandt werden die edlen Muscheln in 25-Stück- und 50-Stück-Paketen für 35 beziehungsweise 70 Euro. Dazu kommen dann noch die Versandkosten. „Wir hatten Besuch von einem Spitzenkoch, der nach Dubai auswanderte und auch dort die Sylter Royal anbieten wollte“, erzählt Pöhner. „Sieben bis neun Tage sind die Austern in Reet und Holz in Kühlboxen bei zwei bis sieben Grad Celsius haltbar – also kein Problem! Sie müssen fest verschlossen sein, damit sie sich nicht öffnen können. Das Wasser in der Muschel hält sie frisch.“ Und der Verzehr ist auch in Monaten ohne R möglich. Der Mythos beruht auf schlechten Kühlungsmöglichkeiten vergangener Zeiten. Wenn die Muscheln wohlgenährt und eiweißreich im Sommer aus dem Meer kommen und nicht gekühlt werden, verderben sie schnell. Das ist heute aber kein Problem mehr. In der rustikalen Austernstube, die nicht nur von Schickimicki-Urlaubern besucht wird, versichert uns Pöhner, bekommt man eine Auster für drei Euro. Die schonende Aufzucht hat ihren Preis, denn sie ist eine Knochenarbeit. Dafür können die Bewohner der blau-weißen Compagnie direkt aus dem Meer gegessen werden. Frischer geht’s nicht!

www.sylter-royal.de

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