Großartige Ideen aus dem Ausnahmezustand: Die Helden der Krise
In der Krise beweist sich der Charakter. Das sagte einst der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt. Dass wir uns inmitten einer der schlimmsten Krisen befinden, die unsere Generation kennt, das können wir leider nicht leugnen. Dass sie uns einiges gekostet hat, auch nicht.
Aber in der Krise hat die Branche gezeigt, dass sie Rückgrat hat, Rückgrat und Mut zur Veränderung. Als die meisten von einem Tag auf den anderen ihre Türen schließen mussten, haben sich viele kurzerhand neu erfunden, neue Ideen aus dem Boden gestampft und unbekanntes Terrain betreten. Nur selten ging es dabei um finanziellen Gewinn. Es ging darum, etwas zu machen. „Wir Köche müssen kochen“, hat Heinz Reitbauer gesagt. Und die Beschäftigung hat geholfen – nicht nur den Gastronomen, die nicht mehr wie gewohnt wirtschaften durften, sondern vor allem jenen, die am Laufen hielten, was noch laufen konnte, die am Leben hielten, was am Leben gehalten werden musste – Menschen, das System und die Hoffnung, dass es einmal wieder so ähnlich werden könnte, wie es noch vor wenigen Tagen, Wochen, Monaten war.
Viele aus der Branche haben Menschen in Not unter die Arme gegriffen – für Obdachlose gekocht beispielsweise oder gar ganze Krankenhäuser und Altersheime mit warmen Mahlzeiten versorgt. Andere haben, um ihre Mitarbeiter halten zu können, über Nacht neue Lieferservice-Konzepte entwickelt. Alle haben sich solidarisch gezeigt. Die Branche reagierte unfassbar schnell auf Spielregeln, die bis dato niemand kannte. Sie hat bewiesen, dass sie sich so schnell nicht unterkriegen lässt und auch nach einem harten Fall wieder aufstehen kann.
„Sind wir systemrelevant?“, lautete eine der häufigsten Fragen, die Mitte März gestellt wurden, als es darum ging, zu bestimmen, ob die Gastronomie in der Krise zur Erhaltung der Gesellschaft beitragen kann. Obwohl die Regierungen letzten Endes die Schließung aller Betriebe anordneten, haben ihre Besitzer diese Frage mit ihrem Handeln selbst beantwortet: Ja, das sind wir. Wir präsentieren einen Streifzug durch großartige Projekte einer außergewöhnlichen Zeit.
In der Krise beweist sich der Charakter. Das sagte einst der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt. Dass wir uns inmitten einer der schlimmsten Krisen befinden, die unsere Generation kennt, das können wir leider nicht leugnen. Dass sie uns einiges gekostet hat, auch nicht.
Aber in der Krise hat die Branche gezeigt, dass sie Rückgrat hat, Rückgrat und Mut zur Veränderung. Als die meisten von einem Tag auf den anderen ihre Türen schließen mussten, haben sich viele kurzerhand neu erfunden, neue Ideen aus dem Boden gestampft und unbekanntes Terrain betreten. Nur selten ging es dabei um finanziellen Gewinn. Es ging darum, etwas zu machen. „Wir Köche müssen kochen“, hat Heinz Reitbauer gesagt. Und die Beschäftigung hat geholfen – nicht nur den Gastronomen, die nicht mehr wie gewohnt wirtschaften durften, sondern vor allem jenen, die am Laufen hielten, was noch laufen konnte, die am Leben hielten, was am Leben gehalten werden musste – Menschen, das System und die Hoffnung, dass es einmal wieder so ähnlich werden könnte, wie es noch vor wenigen Tagen, Wochen, Monaten war.
Viele aus der Branche haben Menschen in Not unter die Arme gegriffen – für Obdachlose gekocht beispielsweise oder gar ganze Krankenhäuser und Altersheime mit warmen Mahlzeiten versorgt. Andere haben, um ihre Mitarbeiter halten zu können, über Nacht neue Lieferservice-Konzepte entwickelt. Alle haben sich solidarisch gezeigt. Die Branche reagierte unfassbar schnell auf Spielregeln, die bis dato niemand kannte. Sie hat bewiesen, dass sie sich so schnell nicht unterkriegen lässt und auch nach einem harten Fall wieder aufstehen kann.
„Sind wir systemrelevant?“, lautete eine der häufigsten Fragen, die Mitte März gestellt wurden, als es darum ging, zu bestimmen, ob die Gastronomie in der Krise zur Erhaltung der Gesellschaft beitragen kann. Obwohl die Regierungen letzten Endes die Schließung aller Betriebe anordneten, haben ihre Besitzer diese Frage mit ihrem Handeln selbst beantwortet: Ja, das sind wir. Wir präsentieren einen Streifzug durch großartige Projekte einer außergewöhnlichen Zeit.
Tim Mälzer und Jan Bröcker: Kochen für Bedürftige
Als die Zuseher des deutschen Fernsehens realisiert haben, dass sogar Stars wie Tim Mälzer wirtschaftlich zu kämpfen haben, mussten wohl einige schwer schlucken. Denn der Gastronom weinte in der Talkshow von Markus Lanz keineswegs Krokodilstränen. Dass Mälzer & Co aber nicht die Einzigen sind, die in der Krise Hilfe brauchen, ist den Großen der Branche klar. Als es darum geht, für Menschen in Funktionsberufen und Bedürftige zu kochen, zögern sie keine Sekunde. Unzählige Mahlzeiten kochen Mälzer und sein Team während der Zwangspause ehrenamtlich.
Auch Jan Bröcker, der hinter dem Herd der Event-Cateringfirma Speisenwerft bei Tim Mälzer steht, hat mit tollen Aktionen von sich reden gemacht. Erst verköstigte er Ärzte und Pflegepersonal, dann organisierte er Lebensmittel-Spendenaktionen. Was bei Produzenten wegen fehlender Nachfrage in den Müll gewandert wäre, bringt Bröcker zu Hilfsorganisationen. „Wir haben uns vorgenommen, jenen zu helfen, denen es noch schlechter geht als uns“, erklärt Bröcker gegenüber der norddeutsschen Zeitung Lübecker Nachrichten.
Jakob Schönberger, Markus Neuhold & Herbert König: Ab
geht die Post
Eingrext is! Wer nicht live servieren kann, muss eben verschicken. In bester Wirtshausmanier stellen das die in Graz als „Laufke-Buam“ bekannten Gastronomen Jakob Schönberger, Markus Neuhold und Herbert König an. Sie machen sich in der Not Omas Tugend zunutze: das Einrexen – in weniger dialektbehaftetem Deutsch auch als Einkochen oder Einmachen bekannt. Klassiker wie Rindsgulasch und gefüllte Paprika kommen seit Mitte März im Glas.
Und apropos Glas: Auf die Weinbegleitung muss auch zu Hause niemand verzichten, Spezialitäten aus dem Weinkeller können Kunden in der kulinarischen Dürreperiode selbstverständlich auch ordern. Aber nicht nur dem Laufke-Team und den Kunden soll es gut gehen, sondern auch jenen, die es zurzeit besonders schwer haben. Deswegen spenden die Gastronomen pro zehn Euro Bestellwert einen Euro an die Caritas in Österreich. Und wer mehr helfen will, als er essen kann, der bestellt am besten direkt für die lokale Hilfseinrichtung Marienstüberl. Dort landet das Essen direkt bei Menschen, die es dringend brauchen. Hendleinmachsuppe als Extraportion Glück sozusagen.
Thomas Imbusch: Kulinarische Wunderkiste für daheim
Auch Thomas Imbusch und das Team seines Restaurants 100/200 machen trotz Corona-Zwangsstopp weiter. Wie? „Mit allem, was uns ausmacht“, heißt es auf der Website unter dem Stichwort Grund-Kiste. Denn so heißt das neue Projekt des Gastronomen, eine Geschäftsidee, die so gut ist, dass sie auch nach der Krise bestehen bleiben wird.
Das Konzept? Lokalen Produzenten und Lieferanten helfen, die Mitarbeiter beschäftigen, sich selbst auf Trab halten, seinen Werten treu bleiben und nicht zuletzt die Kunden mit Essen versorgen.
Wie das alles in eine einzige Kiste passt? Ganz einfach: in Form von sieben Mahlzeiten. Diese sieben Mahlzeiten bereiten Imbusch & Co selbst zu, die Zutaten und Waren beziehen sie von Partnern des Restaurants. Das zieht zwar ein Extrawunsch-Verbot mit sich, garantiert aber gleichzeitig direkte Unterstützung von Lieferanten und Produzenten sowie Regionalität. „Was eine Notlösung war, ist jetzt ein entscheidender Teil, welcher bis dato im 100/200 gefehlt hat“, schreiben die Verantwortlichen auf der neuen Facebook-Seite der Grund-Kiste. Und erklären: „Durch die Grund-Kiste können wir endlich ein viel weiteres Spektrum dessen, was erzeugt wird, auch verarbeiten. Und sind wieder ein Stück ehrlich nachhaltiger geworden.“ Denn abgenommen werden nur ganze Tiere – auch beim Gemüse wird nur das weggeworfen, was wirklich (nicht) notwendig ist.
Instagram-Schnellkochkurs
Für besonders ausgefinkelte Gerichte gibt es zusätzlich Zubereitungstipps auf den Social-Media-Seiten des Teams. Wie man eine Kanalarbeiterschnitte anhand des Grund-Kiste-Bausatzes hinbekommt oder wie das Schnitzel so richtig schön souffliert, lernen Kunden dadurch eben über Kurz-Webinare. Selbstverständlich gibt es auch Fixbestandteile, die ganz ohne Vorbereitung und immer funktionieren: das selbst gemachte Brot und eine Flasche Schaumwein!
Tim Raue: Zwei Sterne zum Mitnehmen
Eigentlich wollte Tim Raue ja keine neuen Konzepte mehr eröffnen. Aber dass das Wort „eigentlich“ aus aktuellem Anlass den Wortschatz sämtlicher Gastronomen verlassen hat, wurde nun mehrfach bewiesen. Dass der Erfindergeist schier unendlich ist, belegt wiederum Raues 2-Sterne-Lieferservice Fuh Kin Great.
„Wir lassen euch am heimischen Herd nicht im Stich“, verkündet das Team in Berlin. „Deswegen gibt es jetzt vom Restaurant Tim Raue essbare Streicheleinheiten für die Seele und die sind fuh kin great“, lautet das Spin-off auf der Website. Anfang April ging der Lieferservice online und direkt durch die Decke. Auf der Karte stehen ausgewählte Starter, Hauptspeisen, Desserts und dazu passende Weine. Das Besondere: Die Bestellung erfolgt mit Vorlaufzeit. Wer heute bestellt, erhält morgen seine ausgewählten Gerichte. Die müssen dann nur noch aufgewärmt werden.
Willi Schlögl und Sepp Schellhorn: Zwei Freunde für alle Fälle
In der Berliner Mittelstraße 1 treiben normalerweise die Herren Willi Schlögl und Johannes Schellhorn ihr Unwesen. In ihrer Weinbar ist der Name Programm – und die Freundschaft hält trotz Social Distancing.
reundschaftsrettungsaktion Nummer eins: der Gassenverkauf, Essen zum Mitnehmen gab’s nämlich direkt vor der Bar-Haustür. In Boxen verabreicht wurden Freundschaft-at-Home-Schmankerlboxen, in Gläsern gab es zum Wein zur Abwechslung auch eingemachtes Wiener Gulasch & Co. Freundschaftsrettungsaktion Nummer zwei: Online-Weinverkostungen, immer empfehlenswert. Freundschaftsrettungsaktion Nummer drei: Osterboxen mit Geselchtem, Beinschinken und Sülze.
Und selbst für den Fall, dass der eine oder andere zu oft zugegriffen hat, hilft einem Willi Schlögl auf die Sprünge – und das wortwörtlich. Denn Crossfit nach dem Vorbild des Herrn Sommelier sei jedem ans Herz gelegt. Stichwort: Insta-Workout.
Massimo Bottura: Live aus der Quarantäne
Kitchen Quarantine heißt das Programm der Stunde. Es entstand, als die Corona-Pandemie unsere italienischen Nachbarn in vollem Ausmaß erfasste. Und trotzdem: Massimo Bottura gab Hoffnung, als er ganz unbefangen in seiner Küche in Modena stand, die Töpfe klirren und grandiose Gerichte köcheln ließ – und gestikulierte, wie er es gefühlt schon sein Leben lang getan hatte. Der 3-Sterne-Koch beantwortete Fragen, verriet Tricks und Tipps aus dem Berufsalltag und erklärte, wie man aus den einfachsten Zutaten phänomenale Gerichte zaubern kann. Das Spektakel gab es selbstredend live zu verfolgen – der Instagram-Kanal des Küchengenies dürfte dementsprechend noch beliebter geworden sein, als er es davor ohnehin schon war. Kleiner Tipp also am Rande: Wer nun die Zeit gekommen sieht, sich weiterzubilden, der ist hier richtig.
Und weil ein Massimo Bottura immer nach neuen Ideen sucht, gab es auch in der Corona-Zeit eine Premiere: Seine Franceschetta 58 stellte ihren Betrieb auf Lieferservice um. Die Kunden bekamen fertig vorbereitete Zutaten, die sie mithilfe einer Anleitung in nur zehn Minuten und mit minimalem Aufwand zu Hause zu Mahlzeiten verarbeiten konnten. Dass der berühmte Emilia-Burger & Co die Quarantäne in Modena um einiges erträglicher machten, versteht sich von selbst.
Barbara Eselböck: Gutes tun und Abstand halten
Auch im Taubenkobel blieb der Herd nie aus: Als der Restaurantbetrieb schließen musste, kochte das Team des Gourmetlokals für Bedürftige. 120 Portionen gingen jeden Tag an die Caritas. Lokale Produzenten helfen dem Projekt mit Waren. „Es gibt Menschen in Not, es gibt Familien in Not, die jetzt schon verzweifelt sind, weil sie nicht wissen, wie sie den Alltag bestreiten, und die kann man zumindest mit einem Essen glücklich machen und sie irgendwie unterstützen“, sagt Gastgeberin Barbara Eselböck dem ORF dazu im März.
Auch für den hauseigenen Greißlerei-Betrieb war schnell eine Lösung gefunden: „Wir bauen alles direkt vor der Greißlerei auf“, kommuniziert die Familie auf ihrer Website. Im Hof hat jeder genügend Platz – und genügend Abstand. Ein weiterer Grund vorbeizukommen: Gerichte aus der Taubenkobel-Küche gibt es im Ab-Hof-Verkauf zum Mitnehmen.
Heinz Reitbauer: «Köche müssen kochen»
Keinen Tag ließ Heinz Reitbauer verstreichen, an dem er nicht am Herd stand. Als die österreichische Regierung am 16. März das ganze Land in den Shutdown schickte, kochte das Team des Steirerecks im Stadtpark in Wien bereits für Einsatzkräfte. Die Mannschaft des 2-Sterne-Kochs verköstigte bereits am ersten kulinarischen Einsatztag rund 500 Exekutivbeamte aus der österreichischen Hauptstadt. Sie wollen den unzähligen Helfern, die im Kriseneinsatz sind, mit einem 5-Hauben-Essen danken. Weil auch die Lieferanten sofort mit Warenspenden zur Seite standen, konnte in Reitbauers Küche trotz Zwangsschließungen von Stillstand nie die Rede sein.
„Nichtstun liegt uns nicht“, erklärte er schon Mitte März gegenüber dem Standard. Und das hat das Team nun wirklich mehrfach bewiesen. Denn neben seiner ehrenamtlichen Tätigkeit entstand außerdem ein Online-Shop inklusive Take-away. Gulasch, Paprikahendl und Spargel gab’s für zu Hause dann eben im Glas. Auf ausgezeichnete Küche musste also im Lockdown niemand verzichten.
Franz Grossauer: Expansion statt Kurzarbeit
Mit gleich mehreren guten Taten glänzt die Gastronomenfamilie Grossauer seit Mitte März. Bereits kurz nach den behördlichen Schließungen ergriff sie die Initiative und versorgte Bewohner rund um das Zentrallager in der Grazer Kalvarienbergstraße mit kostenlosen Lebensmitteln aus ebendiesem. „Wegwerfen ist keine Option für uns!“, betonte Franz Grossauer, Patron des erfolgreichen Grossauer-Gastronomieunternehmens.
Diesem Credo folgt auch der nächste, für die Gastronomen logische Schritt: Sie öffnen das Zentrallager nur wenig später zum Verkauf und bieten dort bisher ausschließlich den Restaurants vorbehaltene Signature-Gerichte zum Mitnehmen an. Doch auch in der zentralen Produktionsküche wird fleißig weitergearbeitet. Mehrmals pro Woche werden an verschiedene Grazer Einrichtungen – wie beispielsweise die Notschlafstelle „Arche 38“ – fertige Speisen und Menüs geliefert.
Und nun überrascht die Unternehmensgruppe mit einer weiteren guten Nachricht: Sie expandiert. Das ehemalige Gasthaus Tscheppe in Sulztal an der Weinstraße wird Anfang August als Fischwirt im Urmeer neu eröffnet. Grossauer-Küchenpatron Christof Widakovich bekam das Angebot, das Lokal zu übernehmen – und schlug zu.
Warum das ausgerechnet jetzt passiert? „Vor der Krise hätte ich aufgrund unserer Lokaldichte niemals daran gedacht, noch ein weiteres Lokal aufzusperren“, erklärt Widakovich. „Doch jetzt mussten wir umdenken. In unserem Pool von rund 600 Mitarbeitern konnten wir bisher aufgrund der behördlichen Minimierung der Sitzplätze und der Veranstaltungen noch nicht alle aus der Kurzarbeit zurückholen.“ Weil er aber so schnell wie möglich alle wieder zu 100 Prozent beschäftigen möchte, sieht er mit dem neuen Restaurant eine gute Möglichkeit, gerade in der Krise Arbeitsplätze zu generieren. Eine absolute Win-win-Situation also!
Max Strohe: Deutschlands Gastro-Spitze kocht für Helden
Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen: Das definierte einst der Schriftsteller Max Frisch. Nun klingt das angesichts der aktuellen Umstände zwar wenig motivierend, manch einer wusste aus der Situation aber doch das Beste zu machen. Sternekoch Max Strohe und seine Partnerin Ilona Scholl fallen etwa in diese Kategorie. Was ihnen nach der Zwangsschließung blieb, sind eine menschenleere Küche und randvolle Vorratsschränke. Da kann man doch was machen? Richtig: Strohe bringt kurzerhand das Wort „Corona-Krisen-Kochen“ in die Sprache der deutschen Gastronomen – und das Projekt Kochen für Helden ins Laufen.
Der Name hält genau das, was er verspricht: Großartige Chefs kochen für außergewöhnliche Helden. „Wir kochen Essen für die, die den Laden in Zeiten der Krise zusammenhalten“, heißt es auf der Website, die Strohe quasi über Nacht ins Internet-Leben gerufen hat. Und Helden, das sind vor allem Menschen in Funktionsberufen: unter anderen Ärzte und Pfleger in Krankenhäusern, Menschen in Heil- und Pflegeberufen generell, Ärzte in Arztpraxen, Pfleger in Altenheimen und Helfer in Corona-Testzentren. „Uns ist klar geworden, dass es darum geht, Dinge anders zu machen – oder auch einfach andere Dinge zu tun“, sagt Strohe über den Startschuss.
Die Idee schlug derart hohe Wellen, dass sich Gastronomen in ganz Deutschland dem Projekt anschlossen. Auch Tim Mälzer ist bereits mit an Bord. Was das für alle bedeutet? Ehrenamtliche Arbeit, viel Händewaschen, viel Desinfektionsmittel und sehr viel positiver Sound. Weil die ersten Tage so erfolgreich waren, findet die Aktion täglich mehr Anhänger. Mit Kochtopf, Kochlöffel und Superhelden-Umhang bewaffnet, sagen sie der Krise den Kampf an.
Damit dabei die Ware nicht knapp wird, initiieren Strohe und Co. eine Crowdfunding-Kampagne. Alleine in den ersten drei Tagen haben die Initiatoren damit mehr als 15.000 Euro gesammelt. Alle an Bord! Wofür sie das Geld brauchen? „Das Crowdfunding kommt ins Spiel, wenn es keine Lager mehr aufzubrauchen gibt. Das Geld hilft uns, danach trotzdem eine Versorgungslage zu gewährleisten. Und natürlich auch dabei, Dinge wie Benzin zu finanzieren oder Sachen zu transportieren. Einweghandschuhe, Desinfektionsmittel, Oberflächen- und Handdesinfektion – also alles, was wir zum Arbeiten brauchen – können damit auch gekauft werden“, erklärt Strohe. Und davon wurde reichlich benötigt. Der Aktion schließen sich Köche in ganz Deutschland an: Eine lange Liste an Lokalen findet sich nach nur wenigen Wochen auf der Website. „Es ist eine Art Graswurzelbewegung“, sagt der Initiator.
Aber nicht nur die Kollegen freuen sich über das Projekt, sondern vor allem jene, die dank der Hilfsaktion nun warme, qualitativ hochwertige Mahlzeiten am Tisch haben. „Die finden das großartig“, resümiert Strohe, „sind sehr dankbar und freuen sich jetzt jeden Tag auf eine Suppe. Das ist wirklich eine ganz tolle, breit gestreute Resonanz, auch von Menschen, die mit Menschen zusammenleben, die in Funktionsberufen sind. Die schreiben Nachrichten und sagen: Das ist toll, vielen Dank!“
Christian Hümbs: Zürichs exklusivstes Take-Away
Star-Pâtissier Christian Hümbs gibt es jetzt auch to go. Denn das Schweizer 5-Sterne-Haus The Dolder Grand reagiert auf die anhaltende Coronavirus-Pandemie mit dem wahrscheinlich exklusivsten Takeaway von Zürich. Weil externe Gäste die Verpflegungsangebote im Hotel nicht nutzen können, hat das Luxushotel Ende März kurzerhand auf ein flexibleres Konzept umgestellt: das „The McDolder Drive In“.
Den Take-away-Service können Kunden täglich zwischen 11:00 und 18:00 Uhr nutzen. Und das Menü kann sich sehen lassen: Zu den Pâtisserie-Kreationen von Christian Hümbs gibt es Klassiker von 2-Sterne-Chef Heiko Nieder. Ihre Bestellungen geben Gourmets vorab ganz einfach über ein Ticket-System auf. Long Story short: Die Ausfahrt lohnt sich.
Marcus Thieme: Virtuelles Get-together bei Brewdog
Damit Corona-Partys in Zukunft niemanden mehr gefährden, hat sich das Unternehmen Brewdog für seine Gäste etwas Besonderes einfallen lassen. Die Kette eröffnet kurzerhand virtuelle Bars und sorgt so dafür, dass man trotz Social Distancing in Kontakt bleiben kann. „Das ist unsere Antwort darauf, wie man sich noch zusammensetzen, sozial und gleichzeitig sicher sein kann“, schreiben die Initiatoren auf der Website. „Wir eröffnen die größte Brewdog-Bar, die es je gab, und die für jeden auf der Welt offen ist.“
Auf dem Programm stehen Live-Bierverkostungen, Braukurse, ein wöchentliches, virtuelles Pub-Quiz sowie Live-Musik und ein großes F&Q-Special mit der Brewdog-Crew. Außerdem werden „wir auch Brewdog-Online-Sessions für jede einzelne Brewdog-Bar in Großbritannien, den USA, Australien und Deutschland einrichten, um Einheimischen und Stammkunden die Möglichkeit zu geben, sich wieder zu treffen und ein Bier zu trinken“, heißt es. Die ersten Sessions gingen bereits Ende März über die virtuelle Theke. Alle weiteren Informationen gibt die Crew auf ihren Social-Media-Kanälen bekannt.
Mohamad Ghayth Nashed: Geflüchtete kochen für Obdachlose
Ein besonders schönes Projekt haben Organisationen, ein Restaurant und ein Catering-Unternehmen in Berlin gestartet: Auf Initiative von Be an Angel e.V. und in Kooperation mit der Kältehilfe Berlin versorgen das Restaurant Kreuzberger Himmel und das Catering-Unternehmen Bab al-Jinan Obdachlose mit warmen Mahlzeiten.
Kurz zu deren Hintergrund: Be an Angel e.V. unterstützt seit September 2015 Geflüchtete beim Ankommen. Der Verein hat 2018 auch das Restaurant Kreuzberger Himmel initiiert, das mit 105 Plätzen von einem 20-köpfigen Team von Geflüchteten aus sieben Nationen geführt wird und sich in den zwei Jahren des Bestehens ausgesprochen erfolgreich in einer hart umkämpften Branche etabliert hat. Auch Bab al-Jinan ist ein Start-up-Projekt von Geflüchteten. Nun bündeln drei Unternehmen ihre Kräfte, um gemeinsam Obdachlosen zu helfen.
Denn viele Organisationen, die Bedürftige normalerweise unterstützen, leiden aufgrund der Corona-Krise unter Versorgungsengpässen. Und Pfandflaschen sammeln oder betteln ist ob der lang anhaltenden Ausgangssperren und Abstandsgebote kaum noch eine Option. Dass dies in dieser Situation helfen würde, stand für alle Beteiligten sofort fest.
Über einen Spendenaufruf hat Be an Angel e.V. rund 2000 Euro für die Nahrungsmittel gesammelt. Einer der führenden Großhändler unterstützt mit Produkten zum Einkaufspreis oder Nahrungsmitteln, die kurz vor dem Verfallsdatum nicht mehr in den Verkauf gelangen. Das Küchenteam vom Kreuzberger Himmel stellt seine Zeit zur Verfügung, Bab al-Jinan stellt den Food-Truck. Seit dem 24. März 2020 werden so täglich bis zu 70 Mahlzeiten an sieben Tagen die Woche an vier verschiedenen Standorten in Berlin ausgegeben. Die aus dem Irak stammende Köchin Layali Jaafar aus dem Kreuzberger Himmel sagt: „Wir haben in Deutschland so viel Unterstützung erfahren – ich finde es selbstverständlich, dass jetzt wir helfen, wo wir können.“
Spaniens Gastronomie legt zusammen
Gemeinsam kommen wir da raus: Unter diesem Motto hat die spanische Gastronomie der Corona-Krise den Kampf angesagt. Dafür haben sich Köche, Weingüter, Lebensmittelmarken, Restaurants und Hotels, kulinarische Einrichtungen und Lebensmittelliebhaber zusammengeschlossen. Ihr Projekt trägt den Namen Juntos Saldremos und soll eine ordentliche Summe Geld bringen. Mit der Aktion wollen sie aber nicht etwa sich selbst oder die Branche retten, sondern etwas von viel größerem Wert: Menschenleben. Alle Erlöse der Initiative bekommt das spanische Rote Kreuz. Die Spenden gehen direkt an Betroffene, an die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft und an Menschen, die in ihren Berufen zurzeit Heldentaten vollbringen. Insgesamt unerstützt die Gastro damit 1,35 Millionen Menschen in allen Bereichen, in denen das Rote Kreuz tätig ist.
Womit die – wohlgemerkt: wirtschaftlich ebenso fragile und lange Zeit geschlossene – Gastro-Szene in Spanien Geld sammelt? Sie versteigert und verkauft Erlebnisse und Kulturschätze. Dafür gibt es für potenzielle Käufer zwei verschiedene Optionen: die Ersteigerung und den Online-Shop, in dem der Preis bereits vorab festgelegt ist. Was man ersteigern kann? Einen Tag mit Ferran Adrià in der elBulliFoundation zum Beispiel. Adrià persönlich führt durch sein Lebenswerk und den Besucher in die Materie ein. Abschließend gibt es ein gemeinsames Abendessen mit der spanischen Legende. Etwas Ähnliches haben sich die grandiosen Köpfe hinter dem Disfrutar ausgedacht: Wer die Masterminds der Nummer neun der World’s 50 Best Restaurants und ihre Arbeit schon immer kennenlernen wollte, hätte nun die einmalige Gelegenheit dazu – und kann gleichzeitig Gutes tun.
Gleich zur Sache geht’s hingegen bei Dani García: Er bietet dem glücklichen Gewinner der Auktion gleich einen Kochkurs für sechs Personen – anschließendes Dinner mit dem Chefkoch inklusive. Alternativ stellt sich auch Quique Dacosta gerne zur Verfügung. Bei ihm beginnt der Tag allerdings bereits mit einem gemeinsamen Marktbesuch. Sollte das Geld für diese kostspieligen Abenteuer nicht reichen, kann man auch mit kleinen Beiträgen Großes bewirken. Denn Schätze aus Weinkellern sind ein kalkulierbares Risiko – finanzieller Natur, versteht sich.
Ein wenig unberechenbar ist dagegen ein All-inclusive-Hotelbesuch zum Sonderpreis und mit Sonderkonditionen. Aber für den Fall, dass jemand tatsächlich nach einem guten Grund für Ausflüge dieser Art sucht: Andere haben dieses Geld dringend nötig. Es geht bergauf Denn was klingt wie eine Dauerwerbesendung, ist in Anbetracht der Umstände ein sehr selbstloser Versuch, erste Hilfe zu leisten, in einem Land, dass die Corona-Pandemie besonders hart getroffen hat. Und auch wenn es nun langsam bergauf geht – die Hürde ist noch lange nicht genommen. Dass dabei jeder Extraschwung helfen kann, zeigt Spaniens Gastronomie gerade eindrucksvoll auf: Alleine in den ersten beiden Wochen hat sie mit ihrer Aktion mehrere Zehntausend Euro gesammelt.
Daniel Schmidt: Kult-Kneipe am Hamburger Kiez goes Suppenküche
Der Elbschlosskeller auf St. Pauli, die selbst betitelte „härteste Kneipe Hamburgs“, setzt sich während der Coronavirus-Pandemie für den guten Zweck ein. Wenige Tage nach der Zwangsschließung wegen des sich immer weiter ausbreitenden Coronavirus hat sich die Hamburger Kultkneipe „Elbschlosskeller“ in eine Suppenküche und Kleiderkammer für Obdachlose verwandelt. „Abgefahrene Situation, das ist ganz neu für mich“, sagte Wirt Daniel Schmidt dazu in einem Video, das er auf Facebook online gestellt hatte.
Ansonsten hatte der Wirt seine Kneipe rund um die Uhr geöffnet – und auch diese Schließung hielt nicht lange an. Schon am ersten Shutdown-Wochenende hatte er gemeinsam mit Freunden und Spenden von vielen Menschen aus dem Stadtteil St. Pauli Essen, Trinken und Kleidung an Bedürftige ausgeteilt und seine Kneipe kurzerhand zur Suppenküche ernannt. „Der Kiez hält zusammen“, sagte Schmidt dazu. Schon zu Beginn waren etwa 220 Kilogramm Lebensmittel zusammengekommen, aus denen der Wirt Eintopf kochte und an Obdachlose verteilte.
Daniel Humm in Auktion
T rotz wirtschaftlicher Hilfspakete sieht die Lage für Restaurants in den USA prekär aus. Einige Gastronomen versuchen daher, zusätzlich auf selbst organisierte Rettungsmaßnahmen zu setzen. Federführend dabei: Eleven-Madison-Park-Mastermind Daniel Humm. Der renommierte Küchenchef und Unternehmer von einem der berühmtesten Dreisterner New Yorks ließ daher auf seinem Instagram-Profil verlauten: „Unsere Türen zu schließen, war das Schwierigste, was ich jemals tun musste. Die Auswirkungen, die die Schließung auf meine Mitarbeiter hatte, haben mir das Herz gebrochen“, so Humm, der nun mit einem kreativen Lösungsversuch aufwartet: „Wir haben eine Website erstellt“, so Humm, „auf der man unseren Mitarbeitern durch diese schwierige Zeit helfen kann.“
Wie? Indem man, ähnlich wie bei einer Auktionsveranstaltung, Geld bietet – für Zeit mit dem Chef höchstpersönlich. Auf Humms givesmart-Website waren im März also neun „Auktionsobjekte“ zu ersteigern, wie zum Beispiel: mit dem legendären Herdmagier höchstpersönlich zu kochen (5000 Dollar), zu joggen (ebenfalls 5000 Dollar) oder sich eine Private Party im Eleven Madison Park um 25.500 Dollar zu gönnen. Wie wär’s sonst mit einer Stage, durch die man zusammen mit Daniel Humm in der Küche des Eleven Madison Parks seiner Karriere einen einmaligen Boost geben kann? Die Auktionsgewinner tun sich dabei aber nicht nur selbst Gutes: Denn die Erlöse gehen zu 100 Prozent an Humms Mitarbeiter.
Neben einer Rettungsaktion für seine Mitarbeiter möchte die ehemalige Nummer eins der World’s 50 Best Restaurants aber auch den Hunderttausenden Obdachlosen New Yorks helfen. Deshalb wurde das Eleven Madison Park zu einer Suppenküche umgewandelt. Dafür sammelte Humm kurzerhand rund 500.000 Dollar, mit denen er in den nächsten Wochen in seiner EMP-Soup Kitchen 100.000 Essen für Obdachlose produzieren will. Die Aktion läuft noch immer – und geht es nach Humm, bleibt die Idee auch nach der Krise bestehen. Mit der Arbeit, die er und sein Team seit Beginn der Corona-Krise leisteten, könnte er die ersten Ansätze eines Rezeptes zur Lösung einer bereits viel länger andauernden Krise gefunden haben. Auf seiner Instagram-Seite schreibt er dazu: „Hunger ist ein lösbares Problem.“