Emotional trinken

Josep „Pitu“ Roca ist die flüssige Welt des Roca-Dreigestirns im El Celler de Can Roca in Girona. Seine Weinliebe liegt etwas südlicher: Im Marco de Jerez.
November 13, 2015

Josep Pitu Roca im Weinkeller Fotos: Celler de Can Roca, Shutterstock

Weinmeister – Meister der Weine: Josep Roca, den alle nur Pitu nennen, zählt zu den besten Sommeliers der Welt. Nicht zuletzt steht er dem aktuell auf Platz zwei der 50 Best Restaurants reüssierenden 3-Sterne-Lokal El Celler de Can Roca als oberste Instanz in Sachen Wein vor. „Wir drei Brüder sagen immer: Josep ist die flüssige Welt, Jordi die Süße und ich die salzige“, so Executive Chef Joan Roca. Pitu ist gerade verhindert – im Weinkeller. In dem man sich zwischen 2500 Positionen und 30.000 Flaschen schon einmal verlieren kann. Oder zumindest den Überblick. Außer man heißt Josep Roca und hat das Weltwissen des Weines im kleinen Finger.

Und trotzdem; Bescheidener, demütiger und mit größerem Respekt hat selten jemand darüber gesprochen, wofür sein Herz schlägt: den Wein. Pitu Roca weiß viel und hat schon viel gesehen. Trotzdem oder gerade deswegen: „Im Restaurant möchte ich weniger Weinwissen als Emotionen vermitteln“, so der spanische Großmeister des Weins. Einer der größten Sommeliers der Welt, der…

Josep Pitu Roca im Weinkeller Fotos: Celler de Can Roca, Shutterstock

Weinmeister – Meister der Weine: Josep Roca, den alle nur Pitu nennen, zählt zu den besten Sommeliers der Welt. Nicht zuletzt steht er dem aktuell auf Platz zwei der 50 Best Restaurants reüssierenden 3-Sterne-Lokal El Celler de Can Roca als oberste Instanz in Sachen Wein vor. „Wir drei Brüder sagen immer: Josep ist die flüssige Welt, Jordi die Süße und ich die salzige“, so Executive Chef Joan Roca. Pitu ist gerade verhindert – im Weinkeller. In dem man sich zwischen 2500 Positionen und 30.000 Flaschen schon einmal verlieren kann. Oder zumindest den Überblick. Außer man heißt Josep Roca und hat das Weltwissen des Weines im kleinen Finger.

Und trotzdem; Bescheidener, demütiger und mit größerem Respekt hat selten jemand darüber gesprochen, wofür sein Herz schlägt: den Wein. Pitu Roca weiß viel und hat schon viel gesehen. Trotzdem oder gerade deswegen: „Im Restaurant möchte ich weniger Weinwissen als Emotionen vermitteln“, so der spanische Großmeister des Weins. Einer der größten Sommeliers der Welt, der eines der besten Restaurants der Welt also nicht als seine Bühne, sondern als die seiner Weine sieht. Den fünf Regionen, die mit ihren Weinen regelmäßig die schönsten und intensivsten Emotionen in ihm hevorgerufen haben, hat Roca jeweils einen eigenen Raum in seinem flüssigen Reich aus Zehntausenden Flaschen eingeräumt. Neben Champagner, Riesling, dem Priorat und Burgund sind es die Weine des Jerez, die Pitu Roca vinophiles Gänsehautkribbeln bescheren. Roca: „Jerez, also Sherrys, sind hochelegante, komplexe Weine. Jeder für sich einzigartig, eigenständig – önologische Schätze, die ihren Ursprung alle in derselben Rebsorte haben.“

„Weine des zweiten Eindrucks“ nennt Josep Roca Sherry und Champagner. „Beide verbindet, dass sie erst im Keller durch die seit Jahrhunderten gepflegten Traditionen zu dem Wein werden, wie wir ihn kennen. Und beide wachsen auf extrem kreidehaltigen Böden“, sagt Roca und schwenkt den Blick respektvoll zu Jesús Barquín am anderen Ende des Interviewtisches, Kopf des innovativen Sherry-Projekts „Equipo Navazos“ und eigentlich Professor der Kriminologie. Aber das ist eine andere Geschichte. Eine von Tausenden, die das Gebiet des Marco de Jerez – so wird das landschaftliche Dreieck zwischen den Orten Puerto de Santa María, Jerez de la Frontera und Sanlúcar de Barrameda betitelt – zu bieten hat und die die Region sowie ihre Weine so faszinierend machen. Noch immer dominiert Wehmut die Region im südlichen Spanien nahe Cadíz. Aus einem Weinwelt-Imperium zum verkannten Geheimtipp für echte Weinfreaks verkommen. Schließlich trank um die Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts jeder, der etwas auf sich hielt, Sherry. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat schon Kolumbus mit ihm auf die Entdeckung Amerikas angestoßen.

Danach kamen dem Potenzial der Weine Massenproduktion und Profitgier in die Quere: In den 1970er- Jahren wuchs das Gebiet auf mehr als 22.000 Hektar Anbaufläche an. Zum Vergleich: In ganz Österreich sind etwa 50.000 Hektar mit Rebstöcken bepflanzt. Heute ist die Region im Süden Spaniens wieder auf 7000 Hektar geschrumpft, die Qualität gestiegen und die Bodegas produzieren wieder Weine, die in ihrer Eleganz und Komplexität unerreicht sind. Nur weiß das heute außerhalb der Landesgrenzen kaum jemand. Sogar die Spanier selbst meist nicht.

WeinfässerDie Ritter des Jerez
Das ist auch der Grund, warum sich der mittlere der drei Roca-Brüder, Pitu, besagter Querschläger und Vordenker Barquín sowie Filmregisseur José Luis López Linares und Produzent Antonio Saura an einen Tisch gesetzt haben: um Ideen zu spinnen, Netzwerke zu aktivieren und #sherrylover rund um den Globus zu animieren, die Großartigkeit des Sherrys in die Welt hinauszutragen.

Herausgekommen ist: „Jerez & El misterio del Palo Cortado“, eine Dokumentation über das Gebiet, seine jahrhundertealte Geschichte, die Weine und die Menschen, die die Region prägen. Erstmals ausgestrahlt auf der Berlinale im Februar 2015. Gefeiert als einer der besten Beiträge der Rubrik „Kulinarisches Kino“. „Wer Sherry trinkt, trinkt Geschichte“, so Roca, der sich dabei auf den weltweit einzigartigen Ausbau in sogenannten Soleras bezieht. „Palo Cortado bringt es fertig, dich bei jedem Schluck von Neuem zu überraschen. Das Gefühl von gereifter Zeit im Glas, in dem Bewusstsein, wie die Jahre heutzutage verrinnen, und gleichzeitig das Gefühl von purer Jugend am Gaumen. Das ist unbeschreiblich“, so Pitu Roca beim Dreh der Dokumentation in der Kellerei der Bodegas Tradicion.

Eine Traube an Weinen
Dazu muss man jetzt natürlich wissen, dass Palo Cortado eine von vielen Sherryarten ist. Allesamt entstanden aus der weißen Rebsorte Palomino Fino. Die Sherry-Produktion im Schnelldurchlauf? Weißwein wird in Holzfässer gefüllt und auf 15 oder 18 Volumprozent mit Weingeist aufgespritet. In den Fässern mit 15 Prozent Alkohol entsteht eine sogenannte Florhefe. Ein zentimeterdicker Hefefilm an der Oberfläche, die den Wein vor Sauerstoff schützt. Wein, der aus diesen Fässern im komplizierten Solerasystem abgefüllt wird, heißt Fino oder Manzanilla. Reift dieser noch ein bisschen länger, ist es Amontillado.

Der 18-prozentige Sherry ist ein Oloroso, außer er verhält sich ein bisschen wie ein Amontillado – dann ist es ein Palo Cortado. So weit ein grober Überblick. Kein Wunder also, dass einem da schon vor dem ersten Kosten ganz schwindelig wird. Die Komplexität schon in der Entstehung, die sich im Glas mit noch einer größeren Bandbreite an Aromen manifestiert. Es ist das größte Geschenk des Sherrys an die Weinwelt. Und zugleich sein größtes Problem. Das weiß auch Paco Pérez, neben Pitu Roca Pro-tagonist in der Sherry-Dokumentation. In seinen mit insgesamt fünf Sternen geadelten Restaurants Miramar, Enoteca und 5-Cinco greift Pérez daher gerne zur Flasche. Und bringt die großen Weine des Marco de Jerez als „Manzanilla-Sherry-Gelee mit Seespinne und Sherry-Luft“ oder „Wildgefangener Zackenbarsch mit Palo-Cortado-Reduktion“ auf den Tisch.

Denn Sherry ist ob seiner Umami-Aromen ein fantastischer Speisenbegleiter. So genial, dass diese sogar Heston Blumenthal dazu veranlasst haben, ein Buch über Sherry als Speisenbegleiter zu verfassen. Und eben auch einer Weinikone wie Josep Roca die Freudentränen in die Augen treiben. So oder so ähnlich wird wohl auch dessen Aufschrift „Botas llenas de lagrimas“ – „Fässer voller Tränen“ beim Qualitätshersteller Gutiérrez Colosía in Puerto de Santa María entstanden sein.

www.cellercanroca.com
www.sherry.org

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