Der Erdling
Fotos: Helge O. Sommer
Zugegeben: Es riecht schon verdächtig nach Neigungsgruppe „Rare Regional“ im Garten des Weissenseerhofs, wo Florian Klinger mit Spaten in der Hand und Gummistiefeln an den Füßen steht. Klinger verbringt viel Zeit in seinem Garten, hier oder in der Gärtnerei in Greifenburg. Lieber, als er sich durchs alpine Dickicht schlägt.
Auf allen Vieren mit Stirnlampe bewaffnet im Wald nach endemischen Ingredienzen zu graben, wie es die Südamerikaner aktuell zur Perfektion treiben, ist Florian Klingers Sache nicht. Bio-Naturküche auf hohem Niveau braucht keine Gebirgswandertage, sagt der vom Gault Millau 2014 mit zwei Hauben und 15 Punkten ausgezeichnete Küchenchef des Weissenseerhofs, dafür aber enormes Produkt-Know-how und Konsequenz. „Regionsbezogenheit und das Bekenntnis zu Bio-Produkten alleine machen noch keine Spitzenküche aus“, sagt Klinger. „Es geht um Werterhaltung, um sorgfältiges, nachvollziehbares, ökobilanzpositives Productsourcing.“ Und darum, dem Gast ein geschmackliches Erlebnis zu bieten, das ihn überrascht und überzeugt. „Weil da kann ich noch so oft darauf hinweisen, dass der Rehbock nicht in einem Gehege aufgewachsen ist, sondern im Wald geschossen wurde – was zählt, ist, wie wir diese Produkte auf den Teller bringen.“
High Country statt Hightech
Was in Klingers Küche landet, hat noch nie eine Dose von innen gesehen. Keine Mikrowelle, keine Fritteuse, keinen Alkohol und nur in Ausnahmefällen Säure…
Fotos: Helge O. Sommer
Zugegeben: Es riecht schon verdächtig nach Neigungsgruppe „Rare Regional“ im Garten des Weissenseerhofs, wo Florian Klinger mit Spaten in der Hand und Gummistiefeln an den Füßen steht. Klinger verbringt viel Zeit in seinem Garten, hier oder in der Gärtnerei in Greifenburg. Lieber, als er sich durchs alpine Dickicht schlägt.
Auf allen Vieren mit Stirnlampe bewaffnet im Wald nach endemischen Ingredienzen zu graben, wie es die Südamerikaner aktuell zur Perfektion treiben, ist Florian Klingers Sache nicht. Bio-Naturküche auf hohem Niveau braucht keine Gebirgswandertage, sagt der vom Gault Millau 2014 mit zwei Hauben und 15 Punkten ausgezeichnete Küchenchef des Weissenseerhofs, dafür aber enormes Produkt-Know-how und Konsequenz. „Regionsbezogenheit und das Bekenntnis zu Bio-Produkten alleine machen noch keine Spitzenküche aus“, sagt Klinger. „Es geht um Werterhaltung, um sorgfältiges, nachvollziehbares, ökobilanzpositives Productsourcing.“ Und darum, dem Gast ein geschmackliches Erlebnis zu bieten, das ihn überrascht und überzeugt. „Weil da kann ich noch so oft darauf hinweisen, dass der Rehbock nicht in einem Gehege aufgewachsen ist, sondern im Wald geschossen wurde – was zählt, ist, wie wir diese Produkte auf den Teller bringen.“
High Country statt Hightech
Was in Klingers Küche landet, hat noch nie eine Dose von innen gesehen. Keine Mikrowelle, keine Fritteuse, keinen Alkohol und nur in Ausnahmefällen Säure. Das bedeutet viel Arbeit für die 17 Mann starke Küchencrew, aber die, sagt Klinger, würde nicht bei ihm am Herd stehen, wenn sie das Konzept des Farm-to-Table nicht vollinhaltlich mittragen würde. „Ein paar Kilo Gänseleber zu verkochen, ist doch nur halb so spannend, wie selbst Leinbutteröl zu pressen, zu lernen, wie man Quinoa oder Amaranth geil verarbeitet, oder?“
Gourmet-Fetischprodukten wie der eben genannten Innerei hat Klinger schon, bevor er 2011 in den Dienst des bekennenden Vegetariers, Veggie-Gastronoms, Millionärs und Weissenseerhof-Besitzers Christian Halper trat, abgeschworen. Mit 20 Jahren wurde er im Bleibergerhof zum jüngsten Haubenkoch Österreichs, legte 22 Jahre lang eine kulinarisch konventionelle Karriere hin. Die Wende kam während seiner acht Jahre als Küchenchef des Zentrums für moderne Mayr Medizin, des Viva. Er ließ sich zum Diätkoch und Ernährungsberater ausbilden, entdeckte sein Liebe zu fleischloser Kost und bezeichnet sich heute als fast halben Arzt. Seine Fähigkeiten als wandelndes Lexikon gesunder Ernährung wissen die Gäste des Weissenseerhofs zu schätzen. Allergiker, Schwangere, Veganer – die ernährungstechnischen Notwendigkeiten oder Vorlieben seiner Gäste sind Klingers Antrieb. Was am Nervenkostüm so mancher Spitzenköche rüttelt, sieht er als Herausforderung.
Green Paradise
So sieht ein Garten Eden aus, wenn Florian Klinger ihn anlegt.
Weinempfehlung: Waldacker Neuburger 2011
Weingut Schönberger, Mörbisch, Burgenland
Tipp von: Sabine Loy, GF Weissenseerhof
Sinn vor Dogma
Dass Klinger sich insbesondere im Bereich der kulinarischen Gemüseartistik sehr nahe an der Perfektion bewegt, bedeutet nicht, dass dem Tierischen im Weissenseerhof gänzlich abgeschworen wird. Nur muss das Vieh eben einige wesentliche Kriterien erfüllen, um es in Klingers Küche zu schaffen. Artgerecht aufgezogen, human geschlachtet und dem Kindesalter im Idealfall bereits entwachsen. „Man muss keine Tierbabys schlachten, nur damit das auf der Speisekarte was hermacht“, ist Klinger von der Verzichtbarkeit auf Stubenküken & Co. überzeugt, „aber in der Top-Gastronomie ist das natürlich Teil des Spiels.“ Teil des kulinarischen Spiels Klingers ist es, bekennende Fleischfresser vom täglichen Fleischkonsum wegzubringen – nicht, sie dazu anzuhalten, gänzlich aufs Tiere-Essen zu verzichten. Der Mensch hat Zähne, und die sind dafür gemacht, sich in ein saftiges Steak zu graben, sagt Klinger. Ernährungsextremismus lehnt er ab, und obwohl auch privat ein Verfechter der Botanik am Teller, rät er von fundamentalistisch gelebter Blätteresserei ab. „Jeder Veganer hat die Pflicht, sich genau darüber zu informieren, wie er sich richtig ernährt“, sagt er. Alles andere hält Klinger für einen mutigen Anlauf in Richtung Jordan, den so mancher Rohköstler – katastrophalen Leberwerten sei Dank – schon beinahe überquert hätte, wie Klinger aus seiner Zeit im Viva weiß.
Auch Fleischersatzprodukten wie Tofu & Co. stellt Doc Klinger kein gutes Gesundheitszeugnis aus. „Der Mensch kommt nicht als Tofuesser auf die Welt, und der im Bohnenquark enthaltene hohe Eiweiß- und Östrogenwert ist dem Organismus auf Dauer nicht zuzumuten.“ Klinger tobt sich lieber an Rohstoffunikaten aus der Umgebung aus und verarbeitet diese zu Gerichten wie „Schlutzkrapfen aus Sonnenblumenkernmehl mit Almkäse-Fonduta, Spinatcreme, Wildkräutern und Kamille-Nussbutter“ oder „Weissenseer Alpen-Saibling mit grüner Würzpaste, Gemüse, Polenta und Hanfwürfel“. Austernkraut, Ochsenherzen, mexikanische Minigurken und alles, was sonst noch rar, alt oder exotisch ist, lässt Klinger täglich aus der Greifenburger Gärtnerei anliefern, Bio-Fleisch und -Fisch stammen – selbstredend – ebenfalls aus der Umgebung. „Aber“, mahnt Klinger, „nur dass Sie das nicht falsch verstehen: Grundlebensmittel in Spitzenqualität zu bekommen, ist eine echte Herausforderung und mit großem Aufwand verbunden.“ Und mit großem Personal- und Kostenaufwand. „Die Leute glauben immer noch, dass es einfacher ist, vegan oder vegetarisch zu kochen, aber das Gegenteil ist der Fall“, sagt Klinger. „Wenn man auf wirklich hohem Niveau fleischlos kochen will, muss man sich als Küchenchef schon richtig reinknien. Meine Köche werden intensiv und kontinuierlich geschult. Das ist mit herkömmlichen Ausbildungen nicht zu vergleichen.“
Durchschnittlichkeit sucht man im Weissenseerhof auch beim Wareneinsatz vergeblich, bei rund 55 Prozent liegt ebendieser. Dass der hohe Einkaufspreis der Rohware auch mal an den Gast weitergegeben wird, liegt in der Natur der Sache. „Bei uns kostet ein Steak schon mal 40 Euro“, meint Klinger, „aber der Lungenbraten kostet im Einkauf ja auch 58 Euro.“ Mit einem Preis zwischen 60 und 85 Euro für ein 6-Gänge-Degustationsmenü bewegt man sich im Weissenseerhof aber keineswegs auf Pfaden, die nur Besserverdiener beschreiten können. Durchschnittlich 15 von ihnen lassen sich abends auf ein À-la-carte Abenteuer ein, dem gegenüber stehen rund 50 Hausgäste, die Klinger mit grünem Farm Food der Extraklasse bezaubert. Dass vegetarische Gerichte im Vergleich zu Fisch- und Fleischgerichten immer noch weniger angenommen werden, sieht Klinger aber gelassen. Anders als beim rein vegetarisch ausgerichteten Schwesternschiff Tian in Wien sei ausschließliche Gemüseküche im Weissenseerhof nie ein Thema gewesen.„Wir haben es einmal mit einem Veggie-Dienstag versucht, aber da sind wir auf große Widerstände von den Gästen gestoßen“, erzählt er. Also wurde er eben einfach wieder abgeschafft. „Wir sind werterhaltende Handwerker, keine Apostel“, sagt Klinger noch. Dann geht er wieder in seinen Garten.
Zur Inspiration.