Damir Busic: Der Bar-Rebell aus den Alpen

Er ist ein waschechter Tiroler, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt und dem schrillen Après-Ski-Trara den Kampf angesagt hat. Damir Bušić hat mit dem „Liquid Diary“ und seinen innovativen, nachhaltigen Konzepten die Barkultur revolutioniert. Nicht nur im heiligen Tirol.
April 28, 2022 | Text: Claudio Honsal | Fotos: Raphael Gabauer, Stefanos Miskovic

In Tirol gab es immer nur ein Gas, das zählte: Vollgas! Damir Bušić weiß, wovon er redet. Hat er doch sein täglich Brot lange genug in der schrillen Après-Ski-Szene verdient. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich einbremsen. Und hat stattdessen seine Vision von guter Barkultur umgesetzt – und das höchst erfolgreich. Und so hat der erste Eindruck im „Liquid Diary“ wahrlich nichts mit Après-Ski zu tun.

Damir Bušić
Damir Bušić hat mit dem Konzept seines „Liquid Diary“ die Barszene in Tirol und weit darüber hinaus nachhaltig verändert. Statt Après-Ski-Trara setzt er auf eine innovative Barkultur.

In Tirol gab es immer nur ein Gas, das zählte: Vollgas! Damir Bušić weiß, wovon er redet. Hat er doch sein täglich Brot lange genug in der schrillen Après-Ski-Szene verdient. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich einbremsen. Und hat stattdessen seine Vision von guter Barkultur umgesetzt – und das höchst erfolgreich. Und so hat der erste Eindruck im „Liquid Diary“ wahrlich nichts mit Après-Ski zu tun.

Damir Bušić
Damir Bušić hat mit dem Konzept seines „Liquid Diary“ die Barszene in Tirol und weit darüber hinaus nachhaltig verändert. Statt Après-Ski-Trara setzt er auf eine innovative Barkultur.

Wichtig, weiß Bušić: „Die ersten zwei Sekunden entscheiden, ob ein Gast wiederkommt.“ Bei ihm umfängt den Gast gleich einmal dieser feine Duft: ein zarter Hauch von Marsala. Eine Mischung aus erhitztem Bernstein, Tonka und Vanille mit einer Note von Maiglöckchen hängt unaufdringlich im Raum. Und das seit nunmehr vier Jahren. Ein aromatisches Mitbringsel aus seiner Zeit in Hongkong, wie er berichtet: „Ich bin mehrmals bei einer Modeboutique vorbeigegangen und da war immer dieser Duft. Das sollte doch auch in einer Bar funktionieren.“ Ein Hightech-Aroma-Diffuser, integriert ins Lüftungssystem,
sorgte für den Wohlfühlfaktor, damals in Hongkong. Und heute ebenso im Herzen von Innsbruck.

Nicht der Drink zählt. Sondern die Emotion!
Damir Bušić über sein „Liquid Diary“

Emotionen in flüssiger Form

Aber am Ende dreht sich die Erde im „Liquid Diary“ nicht bloß um Gerüche. „Was machen wir in einer Bar? Wir verkaufen Emotionen. Drinks sind dabei die angenehme Nebensache“, so Bušić. Diese Emotionen will er beim Gast aber eben durch besondere Sinneserlebnisse auslösen. Sein persönliches Erfolgsrezept: Gerüche, Aromen, verpackt in Cocktails, lösen wiedererkennbare Situationen aus. „Genau diesen Moment wollen wir catchen, darum geht es!“ Eine besondere Gabe des Tirolers, wie es scheint: So ist einmal am Tresen eine Dame in Tränen ausgebrochen. Auf die Frage, was ihr wohl fehle, kam eine verblüffende Antwort: „Das Aroma des Cocktails erinnert mich an meine erste große Liebe in Marrakesch!“

Die extravagante Mixtur aus Basilikum, Moschus und Orangenblüte hatte spontan Erinnerungen geweckt – und den Tränen der Berührung freien Lauf gelassen. Eine Geschichte, die stellvertretend für viele ähnliche Episoden steht. Grund genug, das Erlebte vom Gast im Ambiente aus Kolonialstil mit asiatischen Einflüssen notieren zu lassen – eben im Lokalnahmen gebenden Liquid Diary – dem Tagebuch seiner Essenzen. Was sonst dem Gast bloß als Getränkekarte gereicht wird, dient hier der interaktiven Kommunikation.

Acht ziemlich dicke Bücher liegen bereits auf, die weder Gästebücher noch Getränkekarten sind – sondern essentielle Sammlungen der Erinnerungen seiner Gäste. Und das literarische Spektrum dieser Geschichten reicht gleich weit wie das geschmackliche der kredenzten Drinks: Urlaubserlebnisse, Heiratsanträge – sogar Song-Partituren finden sich hier liebevoll
handschriftlich verewigt. Emotionale Backflashes, ausgelöst in den Köpfen der Gäste. Durch die in Glas gegossenen Geschmacksexplosionen von Damir Bušić.

Statt Exotik gibt es Rote Bete

Handwerklich jedoch folgen seine Drinks klaren Linien. Auf frische, exotische Träume muss man in den Cocktails des „World Class Bartender 2018“ etwa verzichten. „Ananas und ähnliches wird man hier nur in gedörrter Form finden“, richtet der Nachhaltigkeits- und Zero-Waste-Apostel allen „verwöhnten Fratzen, die alles haben können, wenn sie es wollen“, aus. Als Alternative zur frischen Ananas hat er dem erstaunten Gast schon einmal einen Urlaub im Produktionsland vorgeschlagen. „Der Mensch kapiert nur dann, wenn man ihm ins Gesicht springt. Nicht, wenn man ihn streichelt“, verteidigt er seine Cocktailphilosophie.

Damir Bušić
Den überraschenden „Naked Coke“ stellte Damir Bušić kürzlich bei der „Naked Malt“-Präsentation vor. Redestilliertes und somit farbloses Coca Cola mit Naked Malt Whiskey gemischt. Das Cola-Aroma bleibt erhalten, die braunen Farbstoffe werden in Form von getrockneten Cola-Chips als Beiwerk serviert.

Regional und saisonal lautet Bušićs Motto. Statt Exotik landet Rote Bete, statt Meskal Latschenkieferschnaps in den Mixturen. Unter regional versteht der gebürtige Tiroler mit kroatischen Wurzeln zudem einen Umkreis von 500 Kilometern. Zitrusfrüchte und Olivenöl aus der Toskana sind gerade noch eingeschlossen. Und, wer dem Barkeeper mit Rucksack zufällig im Karwendelgebirge begegnet: Er ist dienstlich unterwegs. Fichtenwipfel pflücken. Pilze suchen. Oder Meisterwurz ausgraben.

Was zusammen wächst, passt auch

„Alles, was in deiner Umgebung wächst, kannst du kombinieren,“, sagt er. „Weil es geschmacklich passt!“ Süß und holzig schmeckt naturgemäß in seiner hochalpinen, experimentellen Ingredienzienwelt. Gesüßt wird mit Honig vom Imker nahe Schloss Ambras und statt internationaler Spirituosen greift der Aromaprofi gern zum heimischen Schnaps oder Likör. Sein Credo: „Man sollte das verwenden, was Österreich ausmacht!“ Den Tresen beherrschen Lederuntersetzer, die Gläser Glas- und Bambustrinkhalme. Schmückender Dekorationstand fehlt gänzlich. Auch dieses nachhaltige Konzept wird dem Gast erklärt. Bušić: „Der Tiroler braucht zwar etwas länger, aber wenn er sieht, dass es gut ist, nimmt er schnell an und akzeptiert.“

Damir Bušić
Mit seinen extravaganten Cocktails möchte Damir Bušić Erinnerungen wecken. Diese werden von seinen Gästen dann im „Liquid Diary“ – dem „Flüssigen Tagebuch“ – notiert.

Durch Hypnose zum Traumberuf

Dass der 45-jährige Mixology-Star heute eine der extravagantesten Bars des Landes betreibt, hat er einem fast überirdischen Zufall zu verdanken. Es war 1997 in der Disco des Vaters seines Freundes in Reutte, wo sich der Absolvent der HTL Imst und damals in der Baubranche tätige Bušić überreden ließ, an einer Hypnose- Show teilzunehmen. „Aufgewacht bin ich hinter dem Tresen. Zuvor habe ich auf Geheiß des Hypnotiseurs eine ganze Stunde lang die Bar blitzblank geputzt“, erinnert er sich vage. Offenbar kam dabei Talent zum Vorschein – es folgte ein Angebot des Discoeigners am Wochenende auszuhelfen.

Später inspirierte ihn ein Gast dazu, die Barkeeperschule in Wien zu absolvieren. Und so hat dann am 5. Dezember 2001 Bušićs professionelle Karriere in der „Antonius Bar“ in Serfaus begonnen. Prägend für den Sohn einer kroatischen Gastarbeiterfamilie war schließlich aber bereits erwähnter Aufenthalt in Hongkong und dem dortigen privaten „Kee Diner Club“: „Da habe ich die große Welt der Mixologie kennengelernt, fernab vom Après-Ski-Tamtam.“ Eine Barkultur pur.

Kaum zurück in Tirol, fing er an, Step by Step das umzusetzen, was ihn dort besonders fasziniert hatte. Und womit er schließlich reüssierte. Dennoch denkt Damir Bušić weiter. Für die Zukunft der Barszene sieht er etwa das Haubenrestaurantprinzip als Vorbild. Sprich: Klare Klassifizierungen, die dem Gast die Möglichkeit geben, sich zu orientieren. Er selbst möchte vorwiegend seinen Ideen treu bleiben, vielleicht nachhaltiges Bar-Equipment entwickeln oder sein „Liquid Diary“-Konzept im Franchise weitergeben. Investorenangebote gibt es bereits, sogar aus den USA. Aber „es kann nur ein Original geben, wo genau dieser Spirit so lebt, wie er ist. Und das ist wohl hier in Innsbruck!“

www.liquiddiary.com

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DAMIR BUŠIĆ
1977 in Reutte als Sohn kroatischer Eltern geboren, verbrachte er seine Jugend in Kroatien. Nach der HTL in Imst kam er über eine Hypnose-Show zur Ausbildung zum Barkeeper in Wien. Es folgten Stationen in Serfaus, Wiesbaden, Spanien und Kroatien, ehe 2006 ein prägender Aufenthalt in Hongkongs privatem „Kee Club“ folgte. Weitere Engagements in Tirol waren „360°“ und der „Kitz Race Club“, bevor er 2018 „World Class Bartender“ wurde und gemeinsam mit Lebenspartnerin Irena das „Liquid Diary“ eröffnete.

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