Crack ’o’logy
Fotos: Werner Krug
Nachdem man in Barcelona gegen Einbahnen gefahren ist und das Navi permanent im Kreis geführt hat, kommt einem so ziemlich jeder Ort, an dem man das verdammte Auto stehen lassen kann, wie das Paradies vor. Und trotzdem: Das Restaurant & Hotel ABaC ist tatsächlich wie ein stilles Paralleluniversum mitten in der Millionenmetropole. Sobald nämlich das sechs Meter hohe Holztor der Einfahrt hinter einem zufällt, ist damit auch der gesamte Trubel der katalanischen Metropole vergessen. Das 5-Sterne-Luxushotel ABaC ist ein Designerbau aus Holz, Beton und Glas mit nur 15 Zimmern – damit die elitären Gäste auch wirklich in Ruhe ihre Ruhe genießen können. Innen dominieren gerade Linien und Naturfarben: beige, grau, braun. Kurz gesagt unaufgeregt und konzentriert auf das Wesentliche: die Küche von Jordi Cruz.
In dem Moment, in dem man die 200 Quadratmeter große Designerküche aus schwarzem Marmor, bestückt mit allem, was das Herz eines jeden Hightech-Kochs begehrt, betritt, war’s…
Fotos: Werner Krug
Nachdem man in Barcelona gegen Einbahnen gefahren ist und das Navi permanent im Kreis geführt hat, kommt einem so ziemlich jeder Ort, an dem man das verdammte Auto stehen lassen kann, wie das Paradies vor. Und trotzdem: Das Restaurant & Hotel ABaC ist tatsächlich wie ein stilles Paralleluniversum mitten in der Millionenmetropole. Sobald nämlich das sechs Meter hohe Holztor der Einfahrt hinter einem zufällt, ist damit auch der gesamte Trubel der katalanischen Metropole vergessen. Das 5-Sterne-Luxushotel ABaC ist ein Designerbau aus Holz, Beton und Glas mit nur 15 Zimmern – damit die elitären Gäste auch wirklich in Ruhe ihre Ruhe genießen können. Innen dominieren gerade Linien und Naturfarben: beige, grau, braun. Kurz gesagt unaufgeregt und konzentriert auf das Wesentliche: die Küche von Jordi Cruz.
In dem Moment, in dem man die 200 Quadratmeter große Designerküche aus schwarzem Marmor, bestückt mit allem, was das Herz eines jeden Hightech-Kochs begehrt, betritt, war’s das mit der Ruhe allerdings auch schon. Dort dreht nämlich der 34-Jährige seine Runden um den Anrichteblock. Eine wirklich interessante Mischung aus Annoncieren im strengen Tonfall, auf das sofort das offensichtlich internationale „Si, Chef“ ertönt, und Einschlagen mit dem Gardemanger über die Lieferung frischer Seegurken eine halbe Minute später.
Jordi Cruz wird als einer der erfolgversprechendsten jungen Kochtalente Spaniens gehandelt. Wobei Cruz mit knapp Mitte 30 bereits an einem Punkt seiner Karriere angelangt ist, den man auch getrost als berufliches Lebensziel formulieren könnte: Mit 24 Jahren war Cruz jüngster Sternekoch Spaniens und insgesamt zweitjüngster weltweit, und heute, zehn Jahre später, führt er das 2-Sterne-Restaurant ABaC sowie das Tapas-Restaurant 10’s als Executive Chef und agiert ganz nebenbei noch als Geschäftsführer des L’Angle de Món Sant Benet, das vom Guide Michelin ebenso mit einem Stern bedacht wurde.
Aus dem Geheimnis seines Erfolgs macht der anfangs schüchtern bis später am Tag sehr charmante Cruz kein Geheimnis: „Ich widme meine gesamte Zeit dem Kochen. Und das schon seit mehr als 16 Jahren. Früher nicht auf Partys zu gehen, fühlte sich damals echt wie ein großes Opfer an. Das macht mich zwar zu keinen Märtyrer, aber dann dachte ich schon, hoffentlich macht sich das mal bezahlt“, lächelt der Spanier, als ob es sich nicht auch an Sonntagabenden gut feiern ließe.
Cruz, der nicht unbedingt als Tanztiger bekannt ist, hat allerdings ein stadtbekanntes Stigma: Er ist der Koch mit dem umfangreichsten gastronomischen Wissen. Gäbe es die Millionenshow für Köche, würde er einen direkten Durchmarsch ohne Joker locker schaffen. „Mir ist es extrem wichtig, mich ständig weiterzuentwickeln und ich nutze dafür alle mir zur Verfügung stehenden Quellen: Bücher, den Austausch mit Kollegen, Produkte und Wettbewerbe“, so Cruz, den man sich in diesem Moment gerade sehr gut mit einer dicken Hornbrille und Mittelscheitel im Streberlook vorstellen kann.
Doch ein Crack wie er bricht eben mit allen Konventionen und sieht daher einem jungen Keanu Reeves weitaus ähnlicher. Was die weiblichen Fans seiner Facebookseite, wie es scheint, mehr zu schätzen wissen als sein absolutes Gespür beim Kochen. Was wiederum die Küchenchefs, Gastronomen und Gourmets rund um den Globus umso mehr interessiert. Bei der Erklärung seines Küchenstils kommt wieder der Clark Kent mit Brille beim Katalanen durch. Denn Cruz liebt Logik und Struktur in seiner Küche. Nicht umsonst betitelte er sein erstes Kochbuch, das er 2005 als Schlusspunkt seiner Ära im Restaurant Estany Clar verfasste, „Cocina con lógica: técnica y conceptos en la cocina del Estany Clar“, was übersetzt so viel heißt wie „Küche mit Logik: Technik und Konzepte in der Küche des Estany Clar“. Eigentlich liebt er berechenbare Konsequenz generell, denn auch seine Karriere könnte nicht linearer velaufen. So meinte bereits der Journalist und Gastronom Paul Alborna: „Jordis Karriere ist wie seine Küche – immer auf die Vertikale ausgerichtet. Letztere besteht aus Winkeln und Konzepten, die Kreativität und Tradition mit dem Produkt als Flagge mischen.“
Akkurater i-Tüpferl-Reiter. Zu Recht.
Es liegt auf der Hand, dass Cruz daher insbesondere für exakte Kochtechniken wie Sous-vide viel übrig hat. Zudem befindet sich das 3-Sterne-Restaurant Celler de Can Roca nur eine kurze Autofahrt entfernt und Joan Roca, Executive Chef des Restaurants, gilt als einer der Wegbereiter des Vakuumgarens in der Haute Cuisine. Ganz wie man es aus spanischen Landen kennt, ist nämlich auch Jordi Cruz Mitglied der Elite-Gastro-Gang, deren Zusammenhalt und Freundschaft untereinander Spanien zur Großmacht der internationalen Top-Gastronomie aufstiegen ließ, die im April 2013 in der Auszeichnung des Celler de Can Roca zum besten Restaurant der Welt gipfelte. „Ich war nicht überrascht über die Auszeichnung der Roca-Brüder. Vielmehr habe ich es erwartet und freue mich sehr für sie.
Ich bin ein großer Bewunderer und Freund.“ So war Cruz noch ein paar Monate zuvor mit seinem Kumpel und Namensvetter Jordi Roca in Mexiko unterwegs, um dort bei der Madrid Fusión Mexiko vorzutragen und aufzukochen. „Das war eine Erfahrung, die ich nicht missen will. Ich nehme von jeder meiner Reisen Ideen mit, die ich in meinen Gerichten verarbeite.“ In Mexiko hat es Jordi Cruz die Mole angetan. Eine traditionelle Sauce, die aus bis zu 75 verschiedenen Zutaten wie den verschiedensten Chili-Sorten, Zwiebeln, Knoblauch, Gewürznelken, Zimt sowie Nüssen und Schokolade zubereitet wird.
In Mexiko zu Huhn gegessen, macht Cruz daraus ein Dessert. „Wir sind gerade dabei, ein Gericht aus Schokoladenpapier und Texturen aus Schokolade zu entwickeln, in dem Mole eine bedeutende Rolle spielen wird.“
Den Gedankenfehler, seine Struktur und Akkuratesse mit fehlender Kreativität und Langeweile zu assoziieren, erstickt Jordi Cruz mit jedem Bissen seiner Gerichte. Zumal seine Kreationen wie „Zylinder aus gebratenem Schweinsfuß mit Seegurken und Vanille-Erbsen-Creme“ oder „Schwarzer Zackenbarsch mit Kristallhaut, Püree aus pikanten Wurzeln und Salzpflanzen“ nicht nur eine unverkennbare Handschrift tragen, sondern zudem auch noch absolut crack-o-licious schmecken.