«Wie Möbelpolitur» – New York Times-Kritik vernichtet Daniel Humms veganes Menü

Überraschender Verriss: Warum Daniel Humms Eleven Madison Park nach der Umstellung auf ein veganes Menü in der New York Times-Kritik nicht so gut abschneidet.
Oktober 5, 2021 | Fotos: Sebastian Nevols

Dass Daniel Humm im Mai dieses Jahres ankündigte, das 335-Dollar-Tasting-Menü in New Yorks berühmtesten Drei-Sterne-Restaurant Eleven Madison Park auf rein vegan umzustellen, war nichts weniger als ein Paukenschlag in der Welt der gehobenen Küche. Als zukunftsweisend konnte man den radikalen Schritt gewiss bezeichnen. Aber würde es dem gebürtigen Schweizer Herdmagier auch gelingen, seine Signature-Dishes –  wie Honig-glasierte Ente oder in Butter pochierten Hummer – auf überzeugende Weise mit Gemüsekreationen zu ersetzen, und den gleichbleibenden Preis zu gerechtfertigen?

Der renommierte Restaurantkritiker Pete Wells, der dem EMP zuvor vier Sterne verliehen hatte (die höchste Auszeichnung im Rating-System der New York Times), zeigt sich in seiner neuesten Kritik nicht so ganz überzeugt.

Daniel Humm
Mit einem rein veganen Menü wollte Spitzenkoch Daniel Humm das Eleven Madison Park neu erfinden, konnte den akribischen Gaumen des NYT-Kritikers aber nicht überzeugen

Dass Daniel Humm im Mai dieses Jahres ankündigte, das 335-Dollar-Tasting-Menü in New Yorks berühmtesten Drei-Sterne-Restaurant Eleven Madison Park auf rein vegan umzustellen, war nichts weniger als ein Paukenschlag in der Welt der gehobenen Küche. Als zukunftsweisend konnte man den radikalen Schritt gewiss bezeichnen. Aber würde es dem gebürtigen Schweizer Herdmagier auch gelingen, seine Signature-Dishes –  wie Honig-glasierte Ente oder in Butter pochierten Hummer – auf überzeugende Weise mit Gemüsekreationen zu ersetzen, und den gleichbleibenden Preis zu gerechtfertigen?

Der renommierte Restaurantkritiker Pete Wells, der dem EMP zuvor vier Sterne verliehen hatte (die höchste Auszeichnung im Rating-System der New York Times), zeigt sich in seiner neuesten Kritik nicht so ganz überzeugt.

Daniel Humm
Mit einem rein veganen Menü wollte Spitzenkoch Daniel Humm das Eleven Madison Park neu erfinden, konnte den akribischen Gaumen des NYT-Kritikers aber nicht überzeugen

«Fast Mitleid mit den Zutaten»

Den ersten Seitenhieb liefert Wells schon in der Überschrift seiner Kritik ab: «Eleven Madison Park Explores the Plant Kingdom’s Uncanny Valley» (EMP erkundet das ‹Uncanny Valley› des Pflanzenreichs). Der Begriff bezeichnet einen Effekt, der beispielsweise auftritt, wenn computeranimierte Figuren zu realistisch erscheinen und auf Zuschauer eher unheimlich als sympatisch wirken. In ähnlicher Weise sei Humms versuch, Fleisch- und Fischgerichte mit Gemüse zu substituieren, ein Misserfolg, meint zumindest Wells.

«Fast keine der Hauptzutaten schmecken ganz wie sie selbst», führt er zu Beginn des Artikels aus. «Manche sind so offensichtlich ein Ersatz für Fleisch oder Fisch, dass man fast Mitleid mit ihnen bekommt.»

Mr. Humm erzielte mit Gemüse reinere, tiefere Ergebnisse, bevor sein Restaurant vegan wurde.
Fast möchte man glauben, der Restaurantkritiker Pete Wells wünsche sich das alte Eleven Madison Park zurück

In der Beschreibung der im Menü dargebrachten Geschmacksnoten nimmt sich Wells kein Blatt vor den Mund. Eines der Gerichte, eine in einem Tontopf servierte geröstete und dehydrierte Rübe, schmecke wie «Lemon Pledge», einer Möbelpolitur, und rieche wie ein brennender Joint.

«Marinierte Tomatenstücke haben einen aufgepumpten, verzerrten Geschmack, als würden sie durch ein Wah-Wah-Pedal laufen», lautet eine weitere pointierte Beschreibung eines Gerichts. «Die Zutaten sehen normal aus, bis man einen Bissen nimmt und feststellt, dass man das Uncanny Valley des Pflanzenreichs betreten hat. Mr. Humm erzielte mit Gemüse reinere, tiefere Ergebnisse, bevor sein Restaurant vegan wurde.»

Nicht alle Hoffnung für Eleven Madison Park verloren

Bei all der scharfen Kritik hat Wells aber auch positive Worte über das EMP zu verlieren. Einige Gerichte, wie das Tonburi oder eine pflanzenbasierte Version des hausgemachten Brotes, seien ein voller Erfolg. Nur Lobesworte findet er auch über die Patissière Laura Cronin, die scheinbar mühelos ohne Butter und Milch auskomme, oder die Bar des Restaurants, die seit der Neuerfindung vermehrt Pflanzen in den Cocktail-Kreationen verwendet.

Was am Ende der Kritik durchscheint, ist Hoffnung für die Zukunft: «Jedes Mal, als das Restaurant sich neu erfunden hat, (…) ging es zuerst zu weit, und pendelte sich dann in einem weniger extremen Ort ein.» Auch diesmal, so Wells› These, könnte Humm mit etwas Zeit aufhören, den Verzicht auf Tierprodukte zu überkompensieren.

NYT-Sterne hat das Restaurant übrigens mit dieser, wenn auch teils vernichtenden Review, nicht verloren. Das liegt einfach daran, dass die Zeitung auf die Vergabe von Sternen verzichtet, solange Restaurants noch unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden. Ob Humm bis zur nächsten Kritik lernt, mit seinen veganen Rezepten zu überzeugen, oder das Restaurant in der Zwischenzeit erneut auf komplett neue Wege lenkt, bleibt abzuwarten.

elevenmadisonpark.com

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