„Sargnagel für Gastronomen“
Die Pläne der deutschen Bundesregierung, den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Speisen in der Gastronomie mit 1. Jänner 2024 wieder auf 19 Prozent zu erhöhen, sorgt für Aufregung. Und für Widerstand. So wurde jüngst von der JRE (Jeunes Restaurateurs) Deutschland eine Petition für den Erhalt des reduzierten Steuersatzes ins Leben gerufen, die von prominenten Stimmen wie beispielsweise jener von Tim Raue (mit)getragen wird.
Die Pläne der deutschen Bundesregierung, den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Speisen in der Gastronomie mit 1. Jänner 2024 wieder auf 19 Prozent zu erhöhen, sorgt für Aufregung. Und für Widerstand. So wurde jüngst von der JRE (Jeunes Restaurateurs) Deutschland eine Petition für den Erhalt des reduzierten Steuersatzes ins Leben gerufen, die von prominenten Stimmen wie beispielsweise jener von Tim Raue (mit)getragen wird.
Breite Unterstützung
Auch Gastronomin Kerstin Rapp-Schwan (Vorstand Leaders Club und Frauennetzwerk Foodservice) und Martin Behle, Chief HoReCa (Hotel/Restaurant/Catering) Officer der METRO AG, unterstützen die Forderung vehement. „Wenn ich Speisen in einem Restaurant nach Hause mitnehme, gelten sieben Prozent Mehrwertsteuer. Möchte ich mich aber im Lokal hinsetzen, sollen es 19 Prozent sein. Das ist doch absurd“, so Behle, der sich vor allem an der Behauptung stößt, die reduzierte Steuer sei eine „Subvention“: „Dann wäre das auch bei Lebensmitteln der Fall, oder?“
Kerstin Rapp-Schwan schließt hier an: „Auch, wenn die Mehrwertsteuer in der Pandemie reduziert wurde, die Forderung danach gibt es bereits seit über 20 Jahren. Sie ist viel älter als Corona, viel älter als die aktuell so hohe Inflation. Diese hat die Forderung nur noch relevanter gemacht.“ Nachsatz: „Wir fordern doch hier keine Almosen, sondern einfach die Gleichstellung mit vielen anderen Bereichen.“
„Profitabilität nicht mehr sichergestellt“
Es sei schon jetzt fast unmöglich, in der Gastronomie Geld zu verdienen, so die Restaurant-Betreiberin. „Wir mussten bereits viele Speisen von der Karte nehmen, weil wir diese zu einem Preis anbieten müssten, der nicht mehr realistisch ist. Mit zusätzlichen zwölf Prozent Mehrwertsteuer wird sich die gastronomische Landschaft in Deutschland massiv verändern.“
Martin Behle bestätigt das. Es sei „eine Fehleinschätzung“, dass es der Gastronomie in Deutschland generell gut gehe. „Die Inflation hat die Nahrungsmittel- und Personalkosten massiv nach oben gedrückt, durch Corona hat man Mitarbeiter verloren, die Betriebszeiten mussten angepasst werden. Die Grund-Profitabilität ist gerade in der mittleren Gastronomie nicht mehr sichergestellt.“ Würden nun Speisen mit weiteren zwölf Prozent besteuert, würde man die Erhöhung an die Gäste weitergeben müssen. „Beim kleinen Italiener ums Eck bedeutet das für eine vierköpfige Familie rund zehn Euro mehr. Nur fürs Essen. Das können sich in Zeiten der Teuerung nur wenige leisten.“ Restaurantbesuche würden weniger werden, zehn Prozent der Gastronomie müsste nach Branchenschätzungen schließen, so der HoReCa Officer.
„Verunsicherung ist Gift“
Dem Hinweis der Ökonomie, die Rückkehr zur früheren Mehrwertsteuer von 19 Prozent brächte zusätzliche 3,5 Milliarden an Steuereinnahmen, kann er nichts abgewinnen, so Behle: „Wenn zehn Prozent der Unternehmen schließen, dann bleiben schon mal zehn Prozent Steuereinnahmen aus. Wenn wir dann auf die gesamte Wertschöpfungskette, von den Bauern bis zum Restaurant, und auf die dadurch steigenden Arbeitslosenzahlen schauen, sind die volkswirtschaftlichen Kosten enorm. Diese werden aber in der ganzen Debatte nie erwähnt.“ Schon jetzt habe sich das Investitionsverhalten in der Gastronomie „dramatisch“ verändert: „Viele investieren weitgehend nicht mehr. Man weiß das aus jeder anderen Branche: Verunsicherung ist Gift.“
„Ich kenne sehr viele in unserer Branche, die einfach keine Lust mehr haben, sich das anzutun“, ergänzt Kerstin Rapp-Schwan. „Und das betrifft die ganze Branche, nicht nur die kleine Kneipe. Das betrifft das Sterne-Restaurant genauso. Und damit sogar Bereiche wie Kita- und Schul-Catering. Fallen hier Gastronomen als wichtige Kunden weg, weil sie schließen mussten, dann schaffen die Caterer es auch nicht mehr und müssen ebenfalls aufhören.“ Ihr Fazit: „Die Steuererhöhung zieht wirklich weite Kreise. Sie trifft Bereiche, die wohl niemand in Deutschland sterben lassen will.“
„Wir müssen kämpfen“
„Die Politik in Berlin sieht nicht die Realität. Ebenso wenig die Ökonomen, die in ihrer statistischen Bubble leben“, so Martin Behle. „Man fokussiert sich in der Debatte immer auf die Stereotype der gutgehenden Lokale. In Stadtzentren, wo die Kaufkraft hoch ist. Der klassische Landgasthof, die kleine Dorfschenke aber stirbt. Das wird durch die Steuererhöhung zum Flächenbrand. Sie wird jetzt der Nagel an ihrem Sarg.“
Noch aber könne die Politik gegensteuern, dafür „müssen wir alle in der Branche kämpfen“, zeigt sich Behle optimistisch. Und er schließt mit einem flammenden Appell an die Gastronomie: „Sprecht mit euren Vertretern in der Lokal-, der Landes- und Bundespolitik. Erklärt ihnen, was eine Steuererhöhung bedeuten würde. Noch ist etwas Zeit – aber nicht mehr viel!“