Exklusiv: Karl und Martina Hohenlohe über den Gault Millau 2020

Im Exklusivinterview verraten die Masterminds des Gault Millau Österreich, warum nach 40 Jahren das österreichische 4-Hauben-System Geschichte ist, welche Rolle die neuen russischen Investoren dabei spielen – und welche ihre persönlichen Highlights der 2020er-Ausgabe sind.
November 20, 2019 | Text: Lucas Palm | Fotos: Kurier, Philipp Lipiarski

Die Haubenmacher

Nach 41 Jahren sind die vier Hauben als Bestbewertung im österreichischen Gault-Millau passé. Von nun zählt man also auch in der Alpenrepublik mit fünf Hauben zur kulinarischen Crème de la Crème. Im Exklusivinterview anlässlich des Erscheinens des österreichischen Gault Millau 2020 sprechen Karl und Martina Hohenlohe über die Gründe für ihre historische Entscheidung, erklären, was genau sich dadurch ändert – und warum sie sich als konstruktives Medium und nicht als kulinarische Richter der Nation verstehen.  

Karl und Martina Hohenlohe Gault Millau

Die Gault-Millau-Österreich-Masterminds Martina (li.) und Karl Hohenlohe. 

Herr und Frau Hohenlohe, woher kam diese Entscheidung, nun doch das französische 5-Hauben-System auch für die Österreich-Ausgabe des Gault Millau einzuführen? 
Karl Hohenlohe: Zuerst einmal, um die österreichischen Bewertungen international kompatibel zu machen. Damit überall, wo man in der Welt herumfährt und essen geht, das gleiche Level herrscht, was den Gault Millau anbelangt. Wenn ich einen 3-Hauber in der Türkei oder Spanien habe, dann ist das überall gleich. Und nachdem es bei den Franzosen und in anderen wichtigen Ländern nun einmal fünf Hauben gibt, haben auch wir jetzt umgestellt. Wir haben uns lange überlegt, ob wir es machen sollen – auch, weil wir in Österreich die vier Hauben so gewohnt sind. Aber nachdem wir eine internationale Marke sind und darauf auch großer Wert gelegt wird, haben wir uns letzten Endes für die fünf Hauben entschlossen.
Martina Hohenlohe: Abgesehen davon gibt es uns die Möglichkeit, nach all den Jahren finezutunen. Für eine Haube habe ich nun vier Bewertungsmöglichkeiten und nicht mehr zwei wie in der Vergangenheit. 

Ich glaube, für die Köche war das in der Vergangenheit auch immer ein bisschen enttäuschend, wenn man im Ausland, beispielsweise in Frankreich oder in Deutschland, fünf Hauben erreichen, in Österreich diese Wertung aber gar nicht bekommen kann.

Gault-Millau-Chefredakteurin Martina Hohenlohe über die einen der Gründe für das 5-Hauben-System

Inwiefern hängt diese Entscheidung mit den neuen russischen Investoren bzw. Eigentümer des Gault Millau zusammen? 
KH: In keiner Weise! Weil es diese fünf Hauben ja international gesehen auch schon vor der Übernahme der neuen Investoren gegeben hat.
MH: Man muss auch sagen: Wir haben einen russischen Investor, das ist richtig. Aber dieser Investor verhält sich extrem ruhig. Wir selbst haben immer nur zu tun mit unserem französischen CEO, der sehr innovativ und kooperativ ist. Und der auch uns als langdienendes Team sehr schätzt und immer wieder betont, dass wir die erfolgreichste Ausgabe im gesamten Gault-Millau-Universum sind in unserem kleinen Land Österreich – und das nicht in Relation auf die Gesamtbevölkerung gesehen, sondern in absoluten Zahlen! 

Für wen ändert sich etwas durch das neue 5-Hauben-System?
MH: Für den Leser wird es schon eine ziemlich Umstellung werden, aber auch für die Köche. Ich glaube, für die Köche war das in der Vergangenheit auch immer ein bisschen enttäuschend, wenn man im Ausland, beispielsweise in Frankreich oder in Deutschland, fünf Hauben erreichen, in Österreich diese Wertung aber gar nicht bekommen kann. Das war natürlich nicht optimal. Wenn ich jetzt einen gastronomischen Touristen aus, sagen wir, Dänemark habe, weiß der natürlich nicht, mit welchen Währungen wir hier arbeiten. Deswegen macht es wirklich Sinn, das zu ändern. Wir sind jetzt mutig gewesen und haben nach 40 Jahren umgestellt. Wir haben ein bisschen gebraucht und uns auch extra mehr Zeit gelassen für diese Ausgabe, weil die Produktion eben aufwendig war. Auf das Feedback sind wir natürlich sehr gespannt. 

Wir sind nicht die kulinarischen Richter der Nation, die dastehen mit erhobenem Zeigefinger und sagen: „Huhu, das hast du aber schlecht gemacht!“

Die Hohenlohes verstehen ihre Gourmet-Bibel in erster Linie als konstruktives Medium

Abgesehen vom neuen Hauben-System – haben sich andere Kriterien auch entwickelt? Gibt es solche, die sie für 2020 zum ersten Mal oder verstärkt angewandt haben? 
KH: Nein, da sind wir eigentlich unserer Vorgangsweise treu geblieben: Wir schauen aufs Essen, aufs Essen, aufs Essen. Natürlich ist es so, dass es in einem hässlichen Lokal mit unfreundlichem Service nicht ganz so gut schmeckt, aber wir versuchen das so gut wie möglich auszublenden. Manchmal schwingt das natürlich mit, aber wir probieren es wirklich so gut wie möglich auszublenden. 

Bei einigen neuen Haubenlokalen wie dem Bruder in Wien oder dem One of One – 101 fällt auf, dass sich der Gault Millau auch dem jungen, hippen Angebot öffnet – ein Umschwung? 
MH: Das ist eigentlich überhaupt kein Umschwung, das machen wir schon lange. Es ist einfach wichtig, junge Talente zu fördern, die eine bestimmte Qualität liefern, und wir sind ja da die Letzten, die sagen, wir schauen uns das erst in paar Jahren einmal an. Wenn einer gut kocht, egal wie alt oder jung er ist, dann bekommt er bei uns eine gute Bewertung. Uns ist das auch vor allem deswegen wichtig, damit sich die Gastronomie auch so weiterentwickelt, wie sie das in den letzten Jahren getan hat. Denn wir wissen alle: Einfach ist dieses Geschäft nicht. Es ist hart verdientes Geld und ich bewundere jeden, der das über so viele Jahre hinweg durchzieht. Und das muss man auch entsprechend fördern. Wir sehen uns ja auch tatsächlich als konstruktives Medium. Wir sind nicht die kulinarischen Richter der Nation, die dastehen mit erhobenem Zeigefinger und sagen: „Huhu, das hast du aber schlecht gemacht!“ Wir versuchen vielmehr mit ausführlichen Texten – und wir sind da die einzigen, die das mit einer solchen Akribie machen – ausführliche und transparente Bewertungen abzugeben. Die Gastronomen sehen ja, die waren wirklich bei mir, das habe ich auf der Karte.

Natürlich müssen wir uns da überlegen, wohin das in Zukunft führen wird, weil schon langsam wird es schwergewichtig.

Der bis dato umfangreichste österreichische Gault Millau wirft für Martina Hohenlohe auch die Frage auf, ob es so weitergehen kann und wird 

Was sind Ihre persönlichen Highlights aus der diesjährigen Ausgabe?
MH: Auf jeden Fall. Zuerst einmal ist es toll, dass sich unsere Spitze bestätigt hat. Wir haben fünf 5-Hauben-Lokale, das merkt sich jeder leicht. Die waren wirklich sehr souverän, weil auch wir haben gesagt, dass wir dieses Finetuning natürlich auch auf die Spitze anwenden und uns anschauen, ob da auch wirklich alle in die 5-Hauben-Kategorie fallen werden. Das ist passiert und das ist erfreulich. Wir haben aber auch viele neue Haubenlokale, wir waren also sehr fleißig. Übrigens haben wir den dicksten Gault Millau seit Erscheinen. Alleine 414 Seiten sind es im Weinguide. Natürlich müssen wir uns da überlegen, wohin das in Zukunft führen wird, weil schon langsam wird es schwergewichtig. Schön ist es, dass es doch auch einige Restaurants gegeben hat, die auf sehr hoher Ebene eingestiegen sind. Alleine in Tirol sind es drei, wir haben aber auch das Saziani G’wölb in Straden von Herrn Irka, das ist mit 16 Punkten und drei Hauben eingestiegen. Es gibt heuer also relativ viel hochkarätige Neueinsteiger. Ansonsten merkt man, es ist ein guter und positiver Spirit in der Gastronomie in Österreich – und das allen Widrigkeiten zum Trotz. 

Alle Infos zum neuen Gault Millau Österreich gibt es hier.

Das sind Österreichs neue Haubenlokale.

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