So ein Käse!
Fotos: Reinhard Golebiowski
Die Arbeit ist für Robert Paget der reine Höhepunkt. Ein Messer, Milch, der Topf – und seine Hände. Das ist alles, was er braucht. Er steht dann da und rührt und fühlt und rührt. 90 Minuten lang, mindestens. Jeden zweiten Tag, mindestens. Dieser Akt, in dem er in den Räumen seiner Hofkäserei kulinarische Kunstwerke herstellt, trägt meditative Züge. „Es geht eineinhalb Stunden nur um das zentrale Thema: Käse“, sagt Paget. Die Qualität der Lebensmittel, davon ist der Landwirt aus dem niederösterreichischen Diendorf am Kamp überzeugt, hängt entscheidend von der aufrichtigen Hingabe ab, mit der sie produziert werden. Auf seinem Spezialgebiet, den handgemachten Käse aus Rohmilch von Büffeln und Ziegen, ist Paget einzigartig. Sein Camembert und der Mozzarella werden in der 70 Kilometer entfernten Hauptstadt wie Edelkost gehandelt. „Alles, was Paget angreift, wird gut“, so adelt ihn etwa Herbert Schmid, der legendäre Käsesommelier. Die feine Ware wird Woche für Woche vom Produzenten höchstpersönlich nach Wien gebracht. Er beliefert Spitzenrestaurants wie das Steirereck und das Loisium sowie ausgewählte Wirtshäuser in der Region. Es entspreche seinem Charakter, die wichtigsten Arbeiten selbst zu machen, sagt Paget. Auf dem Bauernhof hat er nur einen Helfer beschäftigt, der…
Fotos: Reinhard Golebiowski
Die Arbeit ist für Robert Paget der reine Höhepunkt. Ein Messer, Milch, der Topf – und seine Hände. Das ist alles, was er braucht. Er steht dann da und rührt und fühlt und rührt. 90 Minuten lang, mindestens. Jeden zweiten Tag, mindestens. Dieser Akt, in dem er in den Räumen seiner Hofkäserei kulinarische Kunstwerke herstellt, trägt meditative Züge. „Es geht eineinhalb Stunden nur um das zentrale Thema: Käse“, sagt Paget. Die Qualität der Lebensmittel, davon ist der Landwirt aus dem niederösterreichischen Diendorf am Kamp überzeugt, hängt entscheidend von der aufrichtigen Hingabe ab, mit der sie produziert werden. Auf seinem Spezialgebiet, den handgemachten Käse aus Rohmilch von Büffeln und Ziegen, ist Paget einzigartig. Sein Camembert und der Mozzarella werden in der 70 Kilometer entfernten Hauptstadt wie Edelkost gehandelt. Alles, was Paget angreift, wird gut“, so adelt ihn etwa Herbert Schmid, der legendäre Käsesommelier. Die feine Ware wird Woche für Woche vom Produzenten höchstpersönlich nach Wien gebracht. Er beliefert Spitzenrestaurants wie das Steirereck und das Loisium sowie ausgewählte Wirtshäuser in der Region. Es entspreche seinem Charakter, die wichtigsten Arbeiten selbst zu machen, sagt Paget. Auf dem Bauernhof hat er nur einen Helfer beschäftigt, der ihn beim Melken und beim Reinigen der Schüsseln und Töpfe hilft. An guten Tagen geben die Tiere bis zu 150 Liter Milch. Paget braucht sechs Liter für ein Kilo Ziegenfrischkäse. Der Camembert kriegt die doppelte Menge Milch. Vom Büffel benötigt der Käser nur halb so viel, um die gleiche Menge Käse zu produzieren. Alles eine Frage des Fettgehalts. Das Kilo Büffelmozzarella kostet bei ihm 35 Euro.
Mit feinen Händen
Die Idee, den Käse auf ursprüngliche Weise und mit der Milch aus eher unpopulären Eutern herzustellen, ist dem Zufall entsprungen. Eine Kuh empfindet Paget, der aus einfachen Verhältnissen stammt, 1979 nach Abschluss des Biologiestudiums als zu teuer. Schafe hat jeder. Also entscheidet er sich für eine Ziege. „Ich hatte damals schon die Unterstützung meiner Frau“, sagt Paget, und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Sie meinte, Ziegenkäse ist etwas, was man brauchen und verkaufen kann.“ Bei Besuchen in Indien kommt er mit Wasserbüffeln in Kontakt. In Italien schmeckt er, dass der Mozzarella besondere Geschmacksnoten entfalten kann, wenn er mit feinen Händen und der richtigen Milch hergestellt wird.
Aus der Liebhaberei wird vor gut 20 Jahren der nackte Ernst. Verschärfte Gesetze auf dem Gebiet der Europäischen Union treiben Paget wie viele andere Kleinbauern in die Enge. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: aufgeben oder wesentlich vergrößern. Er entscheidet sich für die dritte: die Nische mit dem gewissen Etwas – und holt die ersten Wasserbüffel nach Österreich. „Die Tiere haben sich schnell eingewöhnt“, sagt Paget. „Ich hatte da viel größere Schwierigkeiten.“ Es gibt in Österreich keine Routine im Umgang mit den Großtieren asiatischer Herkunft, keinen Berater, keinen Tierarzt. Paget muss Lehrgeld zahlen. Als die Ziegen zum ersten Mal das Terrain der Büffel betreten, sind einige Tiere nach wenigen Minuten tot. Paget lernt prompt. Neugeborene Büffel bringt er schnell in Kontakt mit den Ziegen, die Tiere lernen und behalten die neue Kultur. Heute leben 15 Büffel und rund 45 Ziegen einträchtig auf dem Bauernhof nebeneinander. Es ist die Höchstzahl an Tieren, die Paget auf der rund 13 Hektar großen Landwirtschaft – gemessen an den gängigen Standards der stabilen und gesunden Produktion nach Bio-Norm – auf natürliche Weise und ohne Fremdfutter versorgen kann. Die Büffel, die sich gern auf morastigem Boden bewegen, stehen links im Stall. Rechts die Ziegen, sie brauchen es trocken. Die Milch der mittelgroßen bis vollvoluminösen Tiere ist das Grund- element von Pagets Kaäserei. Er verarbeitet sie nur im rohen Zustand, weil es der einzige Weg sei, den wahren Charakter der Tiere zu erschmecken. „Es gibt sicher Käser, die auch mit pasteurisierter Milch sehr guten Käse machen“, sagt Paget. „Aber Rohmilch, das ist die große Disziplin.“
Der Mozzarella aus Büffelmilch ist eine schmackhafte und sehr gehaltvolle Angelegenheit. Sein Fettanteil von rund acht Prozent ist etwa doppelt so hoch wie bei den Produkten, die aus Kuhmilch hergestellt werden. In der Konsequenz ist auch der Eiweißgehalt bei der Büffelmilch entsprechend höher. „Fett und Eiweiß sind die Geschmacksträger schlechthin“, sagt Paget. „Alle anderen Inhaltsstoffe sind in dieser Hinsicht zu vernachlässigen.“ In vielen Experimenten hat der Käser seine Rezepte erarbeitet, besondere Kreationen produziert er ungeniert mit einem Mix aus Milch von Büffeln und Ziegen. „Früher wäre diese Technik als panschen oder unqualifiziert abgetan worden, heute ist es eine Spezialität“, sagt Paget. Wir kennen das aus dem Gebiet des Weins, da heißt es Cuvée. Bei mir heißt es: ein Drittel Ziegenmilch, zwei Drittel Büffelmilch – das gibt einen Käse, der den kräftigen Kick hat.“
Es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, wie wertvoll seine Produkte für den menschlichen Körper sind. „Seit zehn Jahren versuche ich, diese Diskussionen anzuregen und entsprechende Studien zu bekommen“, sagt Paget. „Doch irgendwie scheinen nur sehr wenige Forscher an diesem Thema interessiert zu sein.“ Viele Konsumenten, die allergisch auf Kuhmilch reagieren, würden die Büffel- und Ziegenprodukte gut vertragen. Dies sei ein Fakt, den er aus dem täglichen Geschäft bestätigen könne. Alles andere wären nur Spekulationen und Gerüchte.
Cuvée: Ein Drittel Ziegenmilch, zwei Drittel Büffelmilch – das gibt einen Käse, der den kräftigen Kick hat.
Den Trend zu mehr Transparenz, was die Herkunft der Produkte und deren Qualitätsmerkmale betrifft, hat Paget durchaus registriert. Er fühlt sich in seiner Arbeit auf bewusst natürlicher, nachhaltiger und entsprechend zeitintensiver Basis bestätigt. Er weiß jedoch zu unterscheiden zwischen Geschäftskunden, die diesen Anspruch aufrichtig dokumentieren, und schlichten wie oberflächlichen Abnehmern. Der Käser genießt es, sich im kleinen, feinen Rahmen verwirklichen zu können. Es ist aber kein Arbeiten in der Einöde mehr. Sein Bauernhof ist heute ein populäres Ausflugsziel. Die Gäste, jung wie alt, kommen, um sich die Tiere anzusehen. Zwei Tage die Woche steht Paget im Hofladen und verkauft seine Waren. Am Mittwoch herrscht in Diendorf Ruhe. Da liefert der Käser seine edlen Werke, Stück für Stück feinst säuberlich verpackt, an die ersten Adressen der Stadt.