Ist Spitzengastronomie überhaupt noch finanzierbar?

Verzerrter Wettbewerb: Während einzeln geführte Restaurants hart um das Überleben kämpfen, rüsten Hotels im Match um den Gast mit nationalen und internationalen Starköchen auf. Ohne Rücksicht auf finanzielle Verluste.
November 13, 2015

Fotos: Werner Krug, Nobu, Marie Clerin, Robert Reck, Trump International Hotel & Tower, beigestellt

„Chance meines Lebens“

Simon Taxacher

Mit dem Restaurant allein konnte ich keinen wirklichen Gewinn machen. Nun investiere ich für sechs Millionen Euro in ein Hotel.

Simon Taxacher, Restaurant Rosengarten in Kirchberg bei Kitzbühel, 3 Hauben, www.taxacherhof.at

Nobu Matsuhisa

Ein Sternerestaurant braucht internationales Publikum. Ein Spitzenhotel ist also der logische Standort.

Nobu Matsuhisa, vielfacher Sternekoch mit Dependancen auf der ganzen Welt, www.noburestaurants.com

Heinz Winkler

3 Sterne zu erkochen und damit Geld zu verdienen, ist heute fast unmöglich. Außer ein großes Hotel oder ein Finanzier steckt dahinter.

Heinz Winkler, Residenz Heinz Winkler in Aschau, 2 Sterne, www.residenz-heinz-winkler.de

Harald Riedl

Für einen einzelnen Unternehmer ist ein Restaurant, das Anspruch auf mehrere Hauben stellt, kaum finanzierbar.

Harald Riedl, Radisson Blu Palais in Wien (zuletzt im Restaurant Vincent 2 Hauben, 1 Stern), www.radissonblu.com

Heinz Winkler war wieder einmal allen voraus. „Die Sternenküche ist käuflich geworden“, tönte der Starkoch bereits im Oktober 2008. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihn der „Guide Michelin“ soeben von drei auf zwei Sterne reduziert. „Das ist ja kein Geheimnis, dass beinahe alle großen Dreisterner ein Minus schreiben oder mit null aussteigen. Leisten können sich das nur mehr jene, bei denen finanzkräftige Hotels dahinter stehen.“
Die Krise im vergangenen Jahr hat die von Winkler skizzierte Situation noch einmal verschärft. Vor allem die österreichische Hauptstadt Wien stöhnt derzeit unter der Ausdünnung von eigentümergeführten Spitzenrestaurants, die sich sukzessive von ihren Starköchen trennen müssen, weil deren Streben nach Top-Bewertungen kaum finanzierbar ist. Freudig angeln…

Fotos: Werner Krug, Nobu, Marie Clerin, Robert Reck, Trump International Hotel & Tower, beigestellt

„Chance meines Lebens“
Simon Taxacher

Mit dem Restaurant allein konnte ich keinen wirklichen Gewinn machen. Nun investiere ich für sechs Millionen Euro in ein Hotel.

Simon Taxacher, Restaurant Rosengarten in Kirchberg bei Kitzbühel, 3 Hauben, www.taxacherhof.at

Nobu Matsuhisa

Ein Sternerestaurant braucht internationales Publikum. Ein Spitzenhotel ist also der logische Standort.

Nobu Matsuhisa, vielfacher Sternekoch mit Dependancen auf der ganzen Welt, www.noburestaurants.com

Heinz Winkler

3 Sterne zu erkochen und damit Geld zu verdienen, ist heute fast unmöglich. Außer ein großes Hotel oder ein Finanzier steckt dahinter.

Heinz Winkler, Residenz Heinz Winkler in Aschau, 2 Sterne, www.residenz-heinz-winkler.de

Harald Riedl

Für einen einzelnen Unternehmer ist ein Restaurant, das Anspruch auf mehrere Hauben stellt, kaum finanzierbar.

Harald Riedl, Radisson Blu Palais in Wien (zuletzt im Restaurant Vincent 2 Hauben, 1 Stern), www.radissonblu.com

Heinz Winkler war wieder einmal allen voraus. „Die Sternenküche ist käuflich geworden“, tönte der Starkoch bereits im Oktober 2008. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihn der „Guide Michelin“ soeben von drei auf zwei Sterne reduziert. „Das ist ja kein Geheimnis, dass beinahe alle großen Dreisterner ein Minus schreiben oder mit null aussteigen. Leisten können sich das nur mehr jene, bei denen finanzkräftige Hotels dahinter stehen.“
Die Krise im vergangenen Jahr hat die von Winkler skizzierte Situation noch einmal verschärft. Vor allem die österreichische Hauptstadt Wien stöhnt derzeit unter der Ausdünnung von eigentümergeführten Spitzenrestaurants, die sich sukzessive von ihren Starköchen trennen müssen, weil deren Streben nach Top-Bewertungen kaum finanzierbar ist. Freudig angeln Hotelketten nun nach den großen Namen der Branche: Joachim Gradwohl (3 Hauben, 1 Stern) verließ das „Meinl am Graben“ und wird ab 2011 in Wiens neuem Luxushaus der asiatischen Hotelkette „Shangri-La“ aufkochen, der 5-Sterne-Palast „Radisson Blu Palais“ holte sich eben erst Harald Riedl („Restaurant Vincent“, 2 Hauben, 1 Stern), das „Palais Coburg“ verhandelte mit Silvio Nickol (derzeit „Hotel Schloss Velden“, 3 Hauben) und weiteren Größen der Branche. Passend dazu der Vorstoß der französischen „Sofitel“-Gruppe, die noch im November dieses Jahres ihr neues Haus in Wien eröffnen soll und sich dafür Frankreichs 3-Sterne-Mann Antoine Westermann holt.

Sofitel Wien

>> Wiens erster 3-Sterner?

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Westermann im „Sofitel“.

Antoine Westermann

Soll Gäste nach Wien locken: Antoine Westermann erkochte in seinem Restaurant „Buerehiesel“ bereits drei Sterne.

Französische Eleganz mit Weltklasse zu verbinden, ist das Ziel von „Sofitel“, das zur internationalen Hotelgruppe „Accor“ zählt. Mit dem „Sofitel Vienna“ soll im November dieses Jahres auch Wien ein „französisches Luxushotel“ bekommen. Ganz frankophil auch die Kulinarik: Dafür holt man sich einen der besten französischen Sterneköche ins Haus. Der ehemals mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Antoine Westermann wird für das Küchenkonzept des Restaurants „Le Loft“ verantwortlich sein.

Westermann stellte sein Talent und seine Liebe zum Kochen mit Zutaten von höchster Qualität unter anderem in seinen zwei Sandwich-Bars in Straßburg, in seinem vegetarischen Restaurant „Mon Vieil Ami“ in Paris sowie im „Fortaleza do Guincho“ in Lissabon unter Beweis.

Die Küche des im Elsass aufgewachsenen Franzosen ist durch seine Herkunft inspiriert, in Wien will er jedoch mit einem Augenzwinkern an die österreichische Küche agieren.

www.sofitel.com

www.drouant.com

Restaurants mit Spitzenbewertungen als Marketingtool für die Zimmerbelegung des Hotels – ein Instrument, das international längst funktioniert: Starköche werden um großes Geld eingekauft, Food-Kosten spielen kaum eine Rolle. Das Einzige, was zählt, sind Top-Bewertungen. Die bringen Presse und rücken somit auch das Hotel in den Blickpunkt. Am Ende der Gleichung steht eine Steigerung der Auslastung.
Wie weit dieses Spiel bereits vorangeschritten ist, zeigen Beispiele aus den Metropolen dieser Welt, wo man in etlichen der besten Restaurants nur noch als Hotelgast die Chance auf einen schnellen Platz im Restaurant hat. Das wird in Londons „Metropolitan Hotel“ so zelebriert, wo man sich eine Dependance des Sushi-Papstes Nobu Matsuhisa ins Haus holte. Und das funktioniert ebenso mit Jean-Georges Vongerichten im „Trump Hotel“ in New York.

Der Umbruch war logisch. Auch in Asien findet man Gourmetrestaurants nur in Hotels.

Sigi Pucher, F & B-Direktor „Grand Hotel“ und „The Ring“

Zahlen zu nennen – vor allem, wenn es sich um Verluste handelt –, gilt als eines der großen Tabuthemen der Branche. Und trotzdem machte der Tiroler Simon Taxacher („Restaurant Rosengarten“, 3 Hauben) erst jüngst eine Ausnahme, als er ROLLING PIN gegenüber verriet: Einen tatsächlichen Gewinn zu machen, funktioniere mit dem Restaurant allein nicht. Taxacher hat nun die Konsequenzen gezogen: Er investiert sechs Millionen Euro und baut sich ein Luxushotel an das Restaurant. Auch Deutschlands Juan Amador gab erst kürzlich zu, dass der wesentliche Gewinn seines mit 3 Michelin-Sternen bewerteten „Amador“ in Langen die Steigerung der eigenen Marke ist. Daraus wiederum sei Geld zu machen.
Das wesentliche Problem jedoch: Der Wettbewerb im Kampf um Hauben und Sterne droht vollkommen zu verzerren. „Das Niveau, ab dem die wesentlichen Führer ihre Top-Bewertungen abgeben, kann deshalb nicht ohne finanzielle Einbußen erreicht werden, weil der Gast es nicht mehr finanzieren will“, sagt Riedl.
Nicht nur er sieht die Branche vor einem großen Umbruch. „In einer Gesellschaft, in der Geiz geil ist, ist es schwierig, für Qualität Geld zu verlangen“, erklärt Winkler. Es ist ein Teufelskreis, aus dem sich kaum ein Spitzenkoch auszubrechen traut: Das Streben nach den besten Bewertungen ist zu verlockend – obwohl sie unfinanzierbar scheinen.

Den umgekehrten Weg geht die traditionelle Kette „Ritz-Carlton“. Dort trennte man sich zuletzt von Spitzenrestaurants: In Berlin schloss das „Vitrum“ (Hendrik Otto, 1 Stern) im Juli 2009 und in Moskau das „Jeroboam“ (Küchenchef Leonard Cernko) im Dezember 2009. Derzeit sind für beide Häuser neue gastronomische Konzepte in Arbeit, über die man bei „Ritz- Carlton“ noch schweigt.
„Das ist mittlerweile ja kein Geheimnis mehr, dass mit einem Gourmetrestaurant kein Geld zu verdienen ist“, sagt Sigi Pucher, F & B-Direktor der beiden Wiener Top-Adressen „Grand Hotel“ („Le Ciel“, 2 Hauben) und „The Ring“, für dessen Restaurant „at eight“ er nach dem Abgang des 2-Hauben-Kochs Thomas Seifried (wechselte in die „Zur Tenne“ nach Kitzbühel) derzeit selbst auf der Suche nach Ersatz ist.
Pucher verwehrt sich allerdings dagegen, dass ein Hotel-Restaurant zwangsläufig ein Minus schreiben muss. „Dass die österreichischen Hotels jetzt mit Top-Köchen aufrüsten, ist eine Entwicklung, die in Asien längst Standard ist. Dort findet man die besten Restaurants nur in Hotels. Ich sehe es als große Aufwertung für die Hotellerie im Allgemeinen.“

Velden am Wörthersee

>> zur person
Toni Mörwald


Toni Mörwald

Der Niederösterreicher hat sich in den vergangenen Jahren international einen Namen gemacht. Seine vier Restaurants tragen insgesamt sechs Hauben. Derzeit ist er als Consulter hauptsächlich in Paris tätig.
www.moerwald.at

Wer das Niveau hebt, schadet sich selbst
Mörwald: „Die Gäste wissen Qualität nicht mehr zu schätzen.“

Befürchtung
Wie kaum ein anderer tritt
Österreichs Vorzeige-Unternehmer und BÖG-Präsident für die Spitzengastronomie ein. Seine Befürchtung: „Die Mentoren in dieser Branche gehen verloren.“

ROLLING PIN: Womit kämpft die Spitzenküche derzeit?
Toni Mörwald: Ganz klar mit dem Ansehen. Die Kampagnen zur Steigerung der Wertschätzung der Wirtshausküche, der Beiseln und Ab-Hof-Verkäufer waren enorm wichtig. Man hat nur komplett auf die Spitzengastronomie vergessen. Jeder Branche braucht aber die Spitzen, zu denen sie aufschauen kann. In Österreich hat man einen Reitbauer, die Eselböcks und Obauers, eine Johanna Maier oder einen Hanner oder eine Lisl Wagner-Bacher. Dann ist Endstation. Diese Dichte an Topköchen hat Paris in einem Bezirk.
RP: Schlussendlich entscheidet der Gast. Sollten sich die Gastronomen nicht an die Nachfrage anpassen?
Toni Mörwald: Man findet heute genug Qualität in der Mitte. Aber nur das Streben nach Höherem bringt Entwicklung. Nicht zuletzt stärkt das auch die Mitte. In Österreich sind wir gehandicapt. Wer bei uns das Niveau hebt, schadet sich selbst, weil die Gäste dann ausbleiben.
RP: Ist das nur in Österreich so?
Toni Mörwald: Auch den großen deutschen Restaurants sterben die Gäste weg. Was wir brauchen, ist eine breit angelegte Imagekorrektur. Qualität muss etwas kosten dürfen.

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