Du bist, wo du sitzt

Meetings sind wie Schaulaufen. Wie Sie sich präsentieren und welchen Sitzplatz Sie nehmen, sagt viel über Ihre Position. Wir verraten die Geheimnisse des Sitzcodes und wie Sie Ihren Status aufpolieren.
November 13, 2015

ein Drehstuhl am Kopf liegend Tatort Milano Milate. Ein Scheich aus Katar verzögert den Abflug um drei Stunden, weil er sich weigert, dass drei Damen aus seinem Gefolge neben unbekannten Männern Platz nehmen. Als selbst der Vermittlungsversuch eines Diplomaten scheitert, verweist der genervte Pilot die Herrscherfamilie schließlich aus dem Flugzeug. Schuld an dem gescheiterten interkulturellen Austausch war – die Sitzordnung. Die Machtfülle wurde schon im Altertum mit dem richtigen Sitz ausgedrückt. Auf dem Thron saß der Herrscher oder zumindest der Weise, in der Eselsbank oder auf dem sogenannten Katzentisch schmoren auch heute noch die Loser. Und das Gerangel um den richtigen Sessel hat sich bis in die Jetztzeit in die Sitzungssäle gerettet.
In Wahrheit läuft es doch so: Es wird jede Menge gelabert, kaum etwas erreicht und doch eine Menge gesagt. Der Sitzplatz am Konferenztisch markiert die Rolle, den Status und die Geisteshaltung, die jemand unterbewusst einnimmt. Die US-Psychologin Sharon Livingston hat die Geheimnisse der Konferenzpsychologie enträtselt. Über 40.000 Studienobjekte stehen am Ende ihrer Arbeit und sie stellte fest: Wer den Sitzcode richtig liest und bedient, kann das Verhalten seiner Kollegen besser lesen und seinen Status ordentlich aufpolieren.
„Wichtig ist die Selbsteinschätzung. Je aktiver man sich in die Diskussion einbringen will, umso wichtiger ist die Platzwahl“, sagt Organisationsberater und Coach Hellmut Santer (osb international).

Platz auf der rechten Seite

Für den systemischen Ansatz nimmt Santer Erfahrungswerte aus der Organisationsaufstellung als Basis. Sein Tipp: Der Eigentümer, Chef oder Manager sollte am Kopfende sitzen und auf der rechten Seite freien Raum beanspruchen, eine halbe Sesselbreite oder eine Reservierung durch Ausbreiten von Unterlagen genügt schon. Beobachtungen zeigen, dass der inhaltliche Führer so mehr Handlungsfreiheit behält, da es sich für den Chef vor allem auch nach mehr Handlungsfreiheit anfühlt. Links vom Chef sitzt der ­Assistent oder Moderator, dazwischen kann man eine Flipchart aufstellen, damit beide Seiten leichten Zugang haben. Ein externer Berater für das ganze System kann vorübergehend die erste Position einnehmen. Weit links aufrücken sollten auch Mitarbeiter, die in der Organisation stark involviert sind und sich einbringen wollen. Ein Spezialist, der mit seiner Fachmeinung punkten will, kommt am besten auf der rechten, hinteren Seite zur Geltung. Die Gruppendynamik unterscheidet zwischen Alpha- und Omega-Position. Der Chef (Alpha) sollte immer darauf achten, wen er ihm gegenüber platziert, meistens ist er mit dem Kritiker (Omega) konfrontiert. Der Boss kann also ganz bewusst den unbequemen Mitarbeiter wegsetzen und stattdessen einen konstruktiven Kritiker hinsetzen.

ein Blick in die Mitte des Konferenztisches, viel Papierkram, viele Hände die Notizen schreibenDie Nähe zur Macht

Wer dicht beim Chef sitzt, profitiert von kurzen Seitengesprächen, kann sich rückversichern, Unterlagen austauschen und über einen Insider-Gag lachen. Anderen Gruppenteilnehmern signalisiert man damit: „Ich gehöre zum Führungsteam.“ Der Nachteil: „Bei einem Führungswechsel wird man stark mit dem früheren Chef in Verbindung gebracht“, sagt Management- und Unternehmensberater Werner Zatorski (Hernstein Institut). Ein absolutes No go für den Chef ist ein Platz mit dem Rücken zur Tür. „Wer dort sitzt, muss sich jedes Mal umständlich umdrehen“, meint Werner Zatorski, „bei fehlenden Unterlangen wird er nicht selten zum Laufburschen degradiert.“ Ungünstig ist ein Platz gegenüber dem Fenster. Man muss andere Teilnehmer, die mit dem Rücken zum Fenster sitzen, im Gegenlicht anblinzeln – ziemlich unsouverän. Entscheidend ist auch die Sitzhaltung. Rolf Kauke, Leiter des Instituts Systhema in Hamburg, warnt allerdings davor, zu viel Energie in die Sitzordnung zu legen. „Man sollte vor allem darauf achten, ob man auf der Inhaltsebene diskutiert. Viele Meetings enden ergebnislos, weil nur auf der Beziehungsebene gesprochen wird.“

Sitzmanipulation

Mit bewusst atypischen Sitzpositionen kann man die Routine durchbrechen und ebenfalls manipulieren. Autoritäre Chefs, die vom Tischende in die Mitte wechseln, wirken volksnäher und betonen den Teamgeist. Der bedachte Analytiker rückt im Status auf, wenn er aus seiner stillen Ecke weiter zur linken Seite des Chefs rückt. So wird er unbewusst als mögliche Führungsperson wahrgenommen. Wenn der Kritiker sich nicht dem Chef gegenüber hinsetzt, kommt er aus dem Schussfeld. Auf der rechten Seite des Chefs dringt seine Kritik wahrscheinlich besser durch. Die rechte Seite wird als sympathischer wahrgenommen und bekommt mehr Gehör.

Die Konferenztypen

Die US-Psychologin Sharon Livingston hat nach der Analyse von 40.000 Personen 7 Konferenztypen entdeckt.
Der Chef: Stammplatz ist das Kopfende des Tisches. Der Chef braucht Überblick und will nach allen Seiten kommunizieren.
Rechte Hand: Rechts neben dem Chef sitzen die ihm Wohlgesonnenen und jene, die um seine Gunst buhlen.
Linke Hand: Man drückt Verbundenheit mit dem Leader aus, wenn man links sitzt, aber auch den eigenen Machtanspruch.
Mittelfeld: Hier platzieren sich gerne Kollegen, die zwischen beiden Tischenden vermitteln können.
Beisitzer: Sie steuern die Eckposition an, diese wird meist von Fachleuten eingenommen. Sie lehnen sich zurück, hören zu und beobachten. Ihre Beiträge sind knapp, aber besonders ausgewogen.
Kritiker: Meist gegenüber dem Chef platziert. Sie haben zu vielen Punkten eine andere Meinung und erheben einen deutlichen Führungsanspruch.
Außenseiter: Es macht ihnen nichts aus, wenn kein Platz mehr frei ist. Sie sitzen lieber hinter dem Tisch oder stehen daneben.

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