Schlicht. ergreifend. gut.
Fotos: Shutterstock, Helge Kirchberger Photography / Red Bull Hangar-7,
Wilhelm Westergren / Red Bull Hangar-7, Wolfgang Hummer www.wohu.at
Manche mögen den Versuch und scheuen dabei den Irrtum nicht. Zu diesen manchen zählt Gert De Mangeleer nicht. Es gibt wohl kaum ein anderes gastronomisches Wizkid in Europa, das Kreativität in dermaßen geordneten Bahnen laufen lässt wie der belgische 3-Sterne-Koch. Vorstellen kann man sich das dann so wie Excel auf Ecstasy. Alle Abläufe sind strukturiert, jedes Rezept zu 100 Prozent durchrezeptiert, bevor es an die Jungs in der Küche weitergegeben wird. An zwei Abenden die Woche ist De-Mangeleer-Single-Brainstorming-Termin, nämlich nach dem Service beim einsamen Laufen durch die Weiten des flämischen Landes. De Mangeleer ist das kulinarische Oberhaupt des Restaurants Hertog Jan, seine Mannschaft darf gerne Ideen zu Komponenten beisteuern, aber ein ganzes Gericht – „das probieren meine Jungs erst gar nicht. Das würde nicht klappen. Ich verkaufe mit den Gerichten meine Emotionen – und die fühle eben nur ich.“ Deswegen die genauen Rezepturen und Anweisungen, schließlich…
Fotos: Shutterstock, Helge Kirchberger Photography / Red Bull Hangar-7,
Wilhelm Westergren / Red Bull Hangar-7, Wolfgang Hummer www.wohu.at
Manche mögen den Versuch und scheuen dabei den Irrtum nicht. Zu diesen manchen zählt Gert De Mangeleer nicht. Es gibt wohl kaum ein anderes gastronomisches Wizkid in Europa, das Kreativität in dermaßen geordneten Bahnen laufen lässt wie der belgische 3-Sterne-Koch. Vorstellen kann man sich das dann so wie Excel auf Ecstasy. Alle Abläufe sind strukturiert, jedes Rezept zu 100 Prozent durchrezeptiert, bevor es an die Jungs in der Küche weitergegeben wird. An zwei Abenden die Woche ist De-Mangeleer-Single-Brainstorming-Termin, nämlich nach dem Service beim einsamen Laufen durch die Weiten des flämischen Landes. De Mangeleer ist das kulinarische Oberhaupt des Restaurants Hertog Jan, seine Mannschaft darf gerne Ideen zu Komponenten beisteuern, aber ein ganzes Gericht – „das probieren meine Jungs erst gar nicht. Das würde nicht klappen. Ich verkaufe mit den Gerichten meine Emotionen – und die fühle eben nur ich.“ Deswegen die genauen Rezepturen und Anweisungen, schließlich müssen die Emotionen auf intelligente Weise transparent gemacht werden, damit sie auch in der richtigen Intensität beim Empfänger ankommen. Wenn die To-do-Liste des März-Gastkoches des Hangar-7 steht, dann steht sie. Es kommen genau 20 Gramm des belgischen und verdammt sämigen Imperialkaviars in die winzigen Kohlrabi-Stanitzel. Dann sind es auch 20 Gramm. Nicht 19 oder 21. Genau 20. Damit stimmt nämlich auch die Balance mit der Säure, wie in dem Fall von „Belgischem Imperialkaviar/Mozzarella/Wassermelone“. Letztere sind kleine Kügelchen, alle exakt gleich groß – wie der Mozzarella – und mit Dashi-Fond imprägniert. Simpel, effektiv und einfach gut.
Noch einfacher mutet nur ein zweites Gericht aus dem Restaurant-Ikarus-Menü an: „Avocado/Tomate“. Mehr ist nicht. Allerdings nicht aus Mangel an Kreativität, sondern weil die beiden Komponenten durch so viel Weit- und Scharfsicht eine Verbindung eingehen, dass es an nichts Weiterem bedarf.
O. k. Ein wenig Olivenöl kommt auch noch dran. Das wird für De Mangeleers Restaurant Hertog Jan in eigener Abfüllung in Spanien gekeltert. Eben jenes fruchtig-kantige Öl wird über die Avocado-Scheiben, die in einem hochkonzentrierten Pulver aus diversen Sorten von selbst gezogenen, überreif eingelegten Tomaten gewälzt wurden, geträufelt. Ein paar Flakes fleur de sel de Guérande – und. Nichts und. Fertig. Hier zeigt sich auf plakative Weise, was die Philosophie des Belgiers verspricht: „Driven by simplicity – angetrieben durch Einfachheit“. Aber auf keinen Fall zu verwechseln ist diese Einfachheit mit einfach. Optisch vielleicht nicht allzu spektakulär, aber in ihrer geschmacklichen Komplexität und in dem Spiel mit Texturen unglaublich stark. Auch klug sein Einsatz von Säure bei „Aalravioli/Gänseleber/Yuzu“: Yuzu-Gel, aus der ganzen Frucht gekocht und mit frischem Yuzusaft abgeschmeckt, kombiniert mit einem Stück Gänseleberterrine, schwarzem Rettich und einer sehr klaren, japanisch inspirierten Aal-Consommé. Haut rein, knirscht am Gaumen, ist cremig in der Kombi und vermutlich hat De Mangeleer viele Glücksgefühle in sich getragen, als er dieses Gericht während seiner Laufrunde zusammenkomponiert hat. Das zumindest kommt so beim Gast an.
Glücklich schätzt sich der 38-Jährige sowieso. Denn gemeinsam mit seinem Kumpel und Geschäftspartner Joachim Boudens hat er erst im letzten Sommer die Location gewechselt (und dabei seine drei Michelin-Sterne mitgenommen). In ein altes Bauernhaus am Land, umgeben von mehreren Hektar Acker, von dem das Hertog Jan tagtäglich frisch seine Kräuter, Gemüsesorten und im Sommer essbare Blüten bezieht. Jetzt am Winterende auch gerne Rettiche jeder Couleur, die dann für maximal drei Sekunden blanchiert werden und als Ravioliteig für gezupftes Aalfilet, verrührt mit Crème fraîche und gehacktem Schnittlauch, verwendet werden.
Klingt so einfach. Ist es aber nicht. Eine Lehrstunde in Sachen effiziente Simplizität und wie man aus der Bakterien-Kultur für Sake ein fulminates Eis kreieren kann, das geht schon eher. Nämlich im März im Hangar-7. Ohne lautes Gedöns und Rock ’n’ Roll, dafür mit provokant viel Witz und Intelligenz.
Gastkoch-Souvenir
Herkunft: Der Schwarze Rettich, auch als Ackerrettich oder Winterrettich bekannt, gehört botanisch zur Familie der Kreuzblütengewächse. Während die krautige Pflanze ein Höhenwachstum von etwa einem Meter erreicht, entwickelt sich unterirdisch eine flachrunde Rübe, deren weißes festes Fleisch von einem dunkelbraunen bis schwarzen „Schorf“ überzogen ist. Im Schnitt erreicht die Rübe eine Dicke von acht bis zehn Zentimetern und eine Länge von sieben bis acht Zentimetern.
Vorkommen: Vermutlich stammt der Schwarze Rettich aus dem östlichen Mittelmeergebiet und war schon 2500 v. Chr. in Ägypten bekannt. Nach seiner Blütezeit bis Mitte des 20. Jahrhunderts war er bis vor wenigen Jahren kaum mehr auf Speisekarten vertreten. Durch die Wiederentdeckung alter Sorten erlebt er gerade eine neue Beliebtheit.
Medizinische Verwendung: Als Heilmittel wird der Schwarze Rettich gegen Gallenleiden, rheumatische Beschwerden und Erkältungskrankheiten eingesetzt. Dieses Einsatzgebiet verdankt der Schwarze Rettich seinen Hauptwirkstoffen, den schwefelhältigen Senfölen Raphanol, Glukoraphain und Senfölglykosid. Diese wirken gegen Bakterien und Pilze.
Geschmack: Schwarzer Rettich hat einen scharfen Geschmack, der viel intensiver ist als jener des Weißen Rettichs. Der Grund dafür liegt an dem schwefelhaltigen Hauptinhaltsstoff des Schwarzen Rettichs, dem Allylsenföl.
Weinempfehlung:
2002 Weißburgunder, Jörg Bretz
Carnuntum, Österreich
Tipp von: Matthias Berger, Service Chef Hangar-7