Peter Zinter: Big Easy in der Gräzelschank
Die tiefenentspannte Rückkehr eines Großen an den Herd
Eine New-Age-Spirit-Weisheit lautet: Du musst dein Ändern leben. So hat es Peter Zinter immer gehalten. Bloß nicht stehen bleiben, sich festfahren oder bequem werden. „Unbequemer als noch vor einem Jahr hab ich’s jetzt eindeutig!“, sagt Zinter und klingt dabei zufriedener denn je. Weil er wieder da ist, wo er hingehört, sagt er. In der Küche nämlich.
Die tiefenentspannte Rückkehr eines Großen an den Herd
Eine New-Age-Spirit-Weisheit lautet: Du musst dein Ändern leben. So hat es Peter Zinter immer gehalten. Bloß nicht stehen bleiben, sich festfahren oder bequem werden. „Unbequemer als noch vor einem Jahr hab ich’s jetzt eindeutig!“, sagt Zinter und klingt dabei zufriedener denn je. Weil er wieder da ist, wo er hingehört, sagt er. In der Küche nämlich.
Es ist viel Wasser die Donau runtergeflossen seit Zinter in seinem Restaurant Vincent drei Gault-Millau-Hauben und einen Michelin-Stern erkochte. Es folgte ein Gastspiel auf dem Massenspeisungsparkett im Motto am Fluss, bis Zinter im irischen Pop-up- und Street-Food-Profi Brian Patton einen Bruder im Geiste fand. Das geschäftliche Zusammenwirken der beiden Food-Entrepreneure galt als eindeutig vorzeigbar. Nach zwei Jahren als Executive Head Chef des Charlie P’s Pub & Dining Room, des Brickmaker’s und der Gastro-Projekte am Wiener Donaukanal stieg Zinter im Oktober 2016 aus.
Was nach Paukenschlag aussah, war de facto nur die letzte Konsequenz aus Zinters zuletzt immer lauter ausgesprochenem Wunsch, sich wieder aufs Kochen und nicht aufs Delegieren zu konzentrieren. Diesem neuen, alten Weg hätten Patton und Zinter in einem neuen, über eine Million Euro teuren Mega-Hybrid aus Weinbar und Restaurant, an dem seit Frühjahr 2016 bereits intensiv gearbeitet wurde, eigentlich Rechnung tragen wollen. „Dann sprang ein großer Investor ab und hat das gesamte Projekt damit zum Scheitern gebracht. Da war für mich einfach eine Grenze erreicht, an der ich wusste, so will ich nicht weitermachen, der Job als Executive erfüllt mich einfach nicht.“ Als Robert Brandhofer, Besitzer der vielleicht spannendsten Vinothek Wiens, des Pubs Klemo, seinen alten Freund Zinter anrief und ihm von seiner gemeinsam mit Restaurantleiter und Sommelier Markus Gould geborenen Idee einer neuen Weinbar mit Restaurant erzählte, sagte Zinters Bauch sofort: Ja, ich will.
Big Hits, niederschwellig
Seit April 2017 ergänzt das in einem ehemaligen Feinkostgeschäft auf der Landstraßer Hauptstraße untergebrachte Heunisch & Erben nun die stetig wachsende Weinbar-Szene Wiens und setzt dabei auf die perfekte Mischung aus Grätzel-Schick, unprätenziösem Service und Understatement. Weinkisten schweben an der Decke, Betonlampen über den Tischen, eine mächtige, geschwungene Bar nimmt den Raum ein. Ins Glas bringen Gould und Brandhofer Unkonventionelles, Individuelles, Natürliches und Elegantes, aus der Küche schicken Zinter und sein Kompagnon Michael Gubik, der zuvor fünf Jahre im Wiener Steirereck am Herd stand, feine Happen mit Wumms.
Anders als die über 30 Seiten starke Weinkarte ist die Speisekarte allerdings mit acht bis maximal neun Gerichten ziemlich überschaubar. Die stehen dafür mehr denn je für alles, was die Küche des Fein- und Freigeists Zinter schon immer ausgemacht hat: kompositorische Grandezza, Mut zur Dekonstruktion, das gewiefte Spiel mit Tradition und Moderne, Klarheit und Fokus.
Ich halte nichts vom Regionalitätsdogma. Ich will Spitzengeflügel Dann kauf ich das aus Frankreich.
Peter Zinters Bekenntnis zu Qualität vor Regionalität
Das Küchenduo grätscht elegant zwischen Seelenbalsam-Futter wie Szegediner Krautfleisch oder Milchreis mit Erdbeeren, Sake und weißer Schokolade (Tageskarte) und Chichi-befreiten Cross-over-Gerichten abends, etwa Kalbstatar mit Essigmarillen und Estragon, gebratenem Hecht mit wildem Brokkoli, Ziegenfrischkäse und weißer Karotte oder pochiertem Ei mit cremigem Kohlrabi, Nussbutter und Belper-Knolle. Die Eier fürs Heunisch kamen bis vor Kurzem übrigens noch von Paolo Parisi, dem italienischen Eier-Exzentriker, dessen Flattervieh nur mit Körnern und Ziegenmilch gefüttert wird. Aktuell arbeitet Zinter jedoch mit einem österreichischen Eierlieferanten zusammen. „Weil die Eier wirklich saugut sind“, betont der Küchenchef. „Und nur deshalb! Lass mich bloß in Ruhe mit diesem ganzen Regionalitätsblabla! Wenn du mir einen Österreicher zeigst, der bessere Tauben züchten kann als ein Franzose – gekauft! Bis der geboren wird, kauf ich die Taube in Frankreich. Basta.“
Erst mal das Sorglospaket
Die sauguten französischen Tauben, das von Neo-Jagdscheinbesitzer Zinter selbst geschossene Reh, das Bio-Kleeschwein – die fokussierte Auseinandersetzung mit derlei Spitzenprodukten, die Freude am Spiel mit ihnen, sagt Zinter, habe er in den letzten Jahren am meisten vermisst. „Finanziell gesehen hab ich ja wirklich nichts zu meckern gehabt in meinem alten Job“, sagt er. „Aber im Heunisch kann ich mich endlich wieder in der Küche austoben, ohne Gedanken an Organisatorisches oder Geschäftliches.“
Die Heunisch-Besitzer Brandhofer und Gould hatten Zinter zwar eine Beteiligung am Unternehmen angeboten, der hat aber freundlich abgewinkt und sich lieber anstellen lassen. Beste Voraussetzungen, findet Zinter, um wieder einmal eine erstklassige Ausgabe seiner selbst zu sein. Ob der Gault Millau die aktuelle Performance Zinters in der feinen Schenke entsprechend bewerten wird, darüber macht sich der Küchenchef keine allzu großen Gedanken. „Mir geht’s jetzt im ersten Schritt nicht um Gault-Millau-Hauben, ich will einfach nur richtig, richtig gutes Essen kochen“, sagt er. Wer mit Herrn Zinters Ehrgeiz schon einmal Bekanntschaft gemacht hat, der weiß: Lange wird er nicht warten müssen auf hohes Lob.
www.heunisch.at