Nordischer Inselhüpfer
Fotos: Shutterstock, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7, James Holm / Red Bull Hangar-7, Rutger Pauw / Red Bull Hangar-7
Die New Nordic Cuisine war schon Teenager, als sie als das neue Ultimo gefeiert wurde. Denn auch wenn es sich nicht bis in den Süden heruntergesprochen hat, wurde das New Nordic Manifesto bereits zehn Jahre vor dem kon-genialen Marketingstreich von Claus Mayer und René Redzepi auf einer winzigkleinen Schäreninsel in Schweden gelebt und von einem Koch ausgiebig gefeiert. Nämlich von Magnus Ek, dem Juni-Gastkoch im Hangar-7 und Inhaber und Chefkoch des Oaxen Krog. Vergleiche mit dem vorher erwähnten Posterchild der skandinavischen Küche findet Ek manchmal amüsant, oft schmeichelhaft und selten…
Fotos: Shutterstock, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7, James Holm / Red Bull Hangar-7, Rutger Pauw / Red Bull Hangar-7
Die New Nordic Cuisine war schon Teenager, als sie als das neue Ultimo gefeiert wurde. Denn auch wenn es sich nicht bis in den Süden heruntergesprochen hat, wurde das New Nordic Manifesto bereits zehn Jahre vor dem kon-genialen Marketingstreich von Claus Mayer und René Redzepi auf einer winzigkleinen Schäreninsel in Schweden gelebt und von einem Koch ausgiebig gefeiert. Nämlich von Magnus Ek, dem Juni-Gastkoch im Hangar-7 und Inhaber und Chefkoch des Oaxen Krog. Vergleiche mit dem vorher erwähnten Posterchild der skandinavischen Küche findet Ek manchmal amüsant, oft schmeichelhaft und selten überstrapaziert. Weil irgendwie versuchen beide, die gleiche Philosophie auf die Teller zu bekommen, der Däne mit PR-Konzept und der Schwede nach eigenem Gutdünken. Also all das, was in mehr oder minder lockerer Gehdistanz liegt, wächst, wurzelt und blökt, in einer Form zu verarbeiten, sodass es gut schmeckt und möglichst naturbelassen bleibt. Am besten mit Methoden, die ihre Großmütter von deren Müttern gelernt haben, und mit dem modernen Wissen um physikalische und chemische Grundprozesse der Molekularstruktur der verwendeten Produkte. Oder man schiebt einfach eine Holzkiste mit vakuumverpackten Knoblauchzehen in den Komposthaufen eines befreundeten Bauern und wartet.
So macht es Magnus Ek. Denn in so einem Komposthaufen hat es konstant um die 64 Grad Celsius, die nach wenigen Monaten aus den weißen frischen Zehen schwarze, saftig-cremige und herrlich aromatische machen. Die kombiniert er in seinem Oaxen Krog sowie im Hangar-7 mit Kabeljau und einem Püree aus Roter Bete.
Versuch und Irrtum. Das ist der Ansatz mit dem Magnus Ek sich beschäftigt. Hochgestochen ausgedrückt: anthroposophisches Ganzheitlichkeitsdenken, in dem Regionalität und Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle spielen. Oder: Was die Natur Schwedens so hergibt, das quetscht Ek aus ihr heraus. Bis vor wenigen Jahren noch quasi aus Notwendigkeit, heute, weil es das Prinzip seiner Küche geworden ist. Denn Ek war so was wie der kulinarische Robinson Crusoe der Schären. Auf der Insel Oaxen, nach der sein Restaurant benannt ist, war er gezwungen, ein wenig auf Selbstversorgung umzusteigen. Der Einkauf war maximal einmal pro Woche möglich. Heute hat er sein Oaxen Krog nach Djurgården, einer Insel und einem Stadtteil von Stockholm mit 279 Hektar, verlegt. Nicht, weil er da in der Reichweite des Guide Michelin liegt – der ihm allerdings stante pede einen Stern verlieh –, wie viele meinen, sondern weil es wesentlich rentabler ist, ein Restaurant zu führen, das nicht nur in den Sommermonaten bewirtschaftet und deswegen besucht werden kann.
Klaubt
alles zusammen, was ihm vor seine Füße kommt. Was überraschend gut schmeckt.
Kaut
gerne auf einem Tabakbeutelchen herum.
Glaubt
deswegen, dass er nur mehr so die Gerichte abschmecken kann.
Gastkochsouvenir: Eingelegter Norröna Hering
Vorkommen: Fast weltweit in allen Ozeanen zwischen 70° nördlicher Breite und 60° südlicher Breite, allerdings sind einige der 180 Arten auch im Süßwasser zu finden.
Charakteristik: Mit einem relativ hohen Fettgehalt zwischen 15 und 17,8 Prozent zählt dieser Seefisch zu den Fettfischen. Der Anteil beim Filet schwankt zwischen 40 und 55 Prozent.
Matjesheringe: Im Frühjahr baut der Fisch neue Fettreserven auf, in denen sich die Geschmacksstoffe anreichern. In diesem Stadium weist er den höchsten Fettgehalt seines Lebens und die beste Qualität zum Verzehr auf.
Vollheringe: In dieser Entwicklungsphase haben sich Milch und Rogen bereits gebildet, was allerdings dazu führt, dass der Fettansatz zurückgeht. Traditionell werden Heringe in dieser Stufe geräuchert.
Hohlheringe: Nach dem Ablaichen ist das Heringfleisch mager und trocken.
Fermentierter Hering: Als Surströmming bekannt, werden ausgewachsene Ostseeheringe in Salzlake eingelegt und gegoren. Bis sich die Konservendose biegt. Immer nur im Freien öffnen.
Das Gericht zum Produkt
exklusiv aus dem Hangar-7-Gastkochmenü im Juni
Norröna Hering mit Brauner Buttercreme, gepickelter Zwiebel und geräuchertem Eigelb
Weinempfehlung: 2013 Solaris, Weingut Kullahalvöns, Skåne, Schweden
Tipp von: Matthias Berger, Service Chef Hangar-7
HIER gehts zum Rezept!
Aber zurück zum Experimentieren. Versuch und Irrtum – auch wenn Ek dafür manchmal die strengen Vorschriften der Lebensmittelgesetze ein wenig austricksen muss. Zum Beispiel, wenn er hinter der Küchentüre seinen geliebten Sauerrahm fermentieren lässt. Aber er kostet immer vorher. Oder ein Mitarbeiter von ihm. Aus der Original-Oaxen-Phase stammt auch der in Birkenrinde eingewickelte und darin gegarte Lammrücken, der im Restaurant Ikarus gemeinsam mit Ochsenmark und Sellerie in einer unfassbaren Zartheit serviert wird. Die Innovation, die Ek bei seinen Gerichten zeigt, ist mehr als die bloße Assemblage schwedischer Regionalität. Er gart Seespinne in Blasentang, verwendet mit Vorliebe Flechten, grillt Zwiebel auf Holzkohle und kombiniert diese mit in Blaubeersaft fermentierten Rosenkohlblättern und einem Wacholderflan mit gebundenem Ochsenblut. Mutig. War ein Versuch. Und der Irrtum ist dabei ausgeblieben.
Dass in Skandinavien Magnus Ek mit seiner raffinierten und überraschend wenig puristischen Küche seit Langem zu der Elite gezählt wird, ist ebenfalls kein Irrtum. Warum, weiß man, wenn man seine Gerichte im Hangar-7 im Juni probiert hat.
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Großer Mann mit Hang zur Finesse: Sat Bains aus Nottingham wollte anfangs nur Frauen beeindrucken. Das macht er heute noch immer. Allerdings auch den Guide Michelin, der ihn mit zwei Sternen auszeichnete.