Mr. Big Apple
Fotos: Werner Krug, beigestellt
Greenwich Village, 1999: Leicht bekleidete Damen und stark betrunkene Künstler säumen den Straßenrand des New Yorker Bohème-Viertels. Von hier startete einst die Beat Generation, der Velvet Underground und die sexuelle Revolution. Und nun ist da Kurt Gutenbrunner und der setzt im kreativen Zentrum der Millionenmetropole den Grundstein für seinen Aufstieg in die Top-Liga der amerikanischen Gastroszene.
Es ist November und an dem denkmalgeschützten Haus Ecke 344 West und 11th Avenue beginnen die Renovierungsarbeiten für das Wallsé, der Name eine Hommage an die Geburtsstadt Gutenbrunners, das niederösterreichische Wallsee. Umgerechnet eine Million Euro wird in die kulinarische Version des österreichischen Koches, der bereits bei Heinz Winkler im Tantris und US-Star David Bouley in der Küche stand, investiert. Gutenbrunners Idee: eine Art Best-of Austria mitten in Amerika…
Fotos: Werner Krug, beigestellt
Greenwich Village, 1999: Leicht bekleidete Damen und stark betrunkene Künstler säumen den Straßenrand des New Yorker Bohème-Viertels. Von hier startete einst die Beat Generation, der Velvet Underground und die sexuelle Revolution. Und nun ist da Kurt Gutenbrunner und der setzt im kreativen Zentrum der Millionenmetropole den Grundstein für seinen Aufstieg in die Top-Liga der amerikanischen Gastroszene.
Es ist November und an dem denkmalgeschützten Haus Ecke 344 West und 11th Avenue beginnen die Renovierungsarbeiten für das Wallsé, der Name eine Hommage an die Geburtsstadt Gutenbrunners, das niederösterreichische Wallsee. Umgerechnet eine Million Euro wird in die kulinarische Version des österreichischen Koches, der bereits bei Heinz Winkler im Tantris und US-Star David Bouley in der Küche stand, investiert. Gutenbrunners Idee: eine Art Best-of Austria mitten in Amerika. Weiße Backsteinwände, schwarze Adolf-Loos-Stühle, an den Wänden Kunst von Julian Schnabel, Dennis Hopper und Albert Oehlen – auf den Tellern eine erschlankte und moderne Version der klassischen Wiener Küche.
Und das ist etwas, das sogar das New York der Jahrtausendwende bis dato noch nicht gesehen hat. Am 14. Juli 2000 eröffnet das Wallsé als elegantes Beisel mit stark österreichlastiger Weinkarte mit rund 300 Etiketten. "Es gibt 17.000 Restaurants in Manhatten. Hier zu bestehen ist immer schwierig, aber wir haben den Amerikanern etwas gegeben, das neu ist. Deswegen funktioniert das Konzept."
Und zwar so gut, dass sich elf Jahre später Beyoncé, Elton John, Sean Penn und Gisele Bündchen die Klinke in die Hand geben. Zu Kurt zum Essen oder auf einen Grooner – die amerikanische Aussprache für Grünen Veltliner – gehört unter der Prominenz zum guten Ton. Und weit müssen die auch nicht gehen, denn aus dem einstigen Freistaat für brotlose Kunst ist das West Village zum Trendbezirk der platinifizierten MTV-Generation geworden.
"Früher war die Gegend ein wenig schmutzig, heute gilt sie als elitär. Würde ich heute hier aufsperren wollen, wäre die Miete empfindlich höher." Ein Stammgast am Tresen des mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Wallsé ist Lou Reed. Der soll Gerüchten zufolge für den Grooner aus Österreich das Heroin an den Nagel gehängt haben, ist heute ein guter Freund von Gutenbrunner und muss auch mal für einen Vergleich herhalten: "Mein Menü im Wallsé ist eine Mischung aus Mozart und Lou Reed." So Gutenbrunner gefragt nach seinem Kochstil.
Die Klassiker sind Wiener Schnitzel, Zwiebelrostbraten und Tafelspitz, der Reed’sche Anteil an der Karte die beinah schon legendäre Vorspeise "Spätzle mit geschmortem Hasen, Waldpilzen und Mais" oder "Gedämpfter Heilbutt mit Gurke, Dill und Pfifferlingen". Geerdete Küche, schlicht, aber in der Umsetzung akribisch genau und handwerklich perfekt. Jedes Gericht für sich ein kleines Stück Kunst, bei Gutenbrunner kein Wunder, ist er doch selbst kunstaffin. "Selbst die goldene Panier eines Wiener Schnitzels kann für mich durchaus ein Kunstwerk sein", so Gutenbrunner, der für Stühle und antike Spiegel aber auch für Hüte eine große Leidenschaft pflegt.
Doch das Wallsé mit seinen 70 Plätzen ist nur Gutenbrunners erster Streich, der zweite folgt nicht sogleich, sondern bereits währenddesssen: Die Neue Galerie New York, die Kunst von Gustav Klimt, Egon Schiele oder auch Paul Klee zeigt, ist in Planung und Investor Ronald Lauder Lauder der Meinung, dass der Österreicher hier unbedingt ein Wiener Kaffeehaus installieren sollte. Das Restultat: das Café Sarbasky, dessen Eröffnung allerdings die Ereignisse von 9/11 überschatten.
"Ich habe gerade mein gesamtes Geld in das Wallsé gesteckt, stand einen Monat vor der Eröffnung und Amerika plötzlich in einer nationalen Krise. Das war die härteste Zeit meines Lebens." Gutenbrunner entschließt sich, zu bleiben und zu kämpfen. Das Wallsé schließt er auch nicht nur für einen Tag und eröffnet zudem das Café Sarbarsky termingerecht.
Betritt man das Café an der 5th Avenue, findet man sich in Wien um die Jahrhundertwende wieder. Originalgetreuer ist nicht möglich, nur den ansonsten leicht arroganten Ober hat Gutenbrunner in seinem Konzept durch charmantes Personal ersetzt. Im Kaffeehaus im Fin-de-Siècle-Stil gibt es Tradition pur wie Einspänner und Sachertorte. Aber auch den amerikanischen Twist in Form von Gurkenlimonade oder Mango-Ingwer-Eistee. Weniger Messing, dafür wesentlich mehr Bling-Bling hat da das Café Kristall im Swarovski-Building in der Mercer Street. Der wohl modernste Ableger der KG-NY Group hat auch den geringsten Österreich-Touch – das Gutenbrunner’sche Schnitzel findet sich aber ebenso auf der Karte.
The Upholstery Store ist seit 2009 Teil der KG-NY Group. Je nach Saison wird hier österreichisch getrunken: im Frühling und Sommer elegante Rosés und Weißweine, im Winter Deftigeres wie Glühwein und dazu ein Gulasch. Seinen Ruf als der Vertreter der österreichischen und deutschen Küche in New York sichert sich Gutenbrunner aber mit der Blauen Gans, einem Wirtshaus mit 75 Plätzen im Herzen von TriBeCa, das er eigentlich nur gekauft hat, weil er sich in die Location verliebt hat.
Wallsé
344 West 11th Street
New York City 10013
Tel.: +1 (0) 212/352 23 00
www.kg-ny.com/wallse
Blaue Gans
139 Duane Street
New York City 10013
Tel.: +1 (0) 212/571 88 80
www.kg-ny.com/blaue-gans
Cafe Sabarsky
1048 5th Avenue
New York City 10028
Tel.: +1 (0) 212/288 06 65
www.kg-ny.com/cafe-sabarsky
Cafe Kristall
70 Mercer Street
New York City 10012
Tel.: +1 (0) 212/274 15 00
www.kg-ny.com/cafe-kristall
Upholstery Store
713 Washington Street
New York City 10014
Tel.: +1 (0) 212/240 95 57-10
www.kg-ny.com/the-upholstery-store
Österreichisch-deutsche Klischee-Küche wird dort in bester Qualität angeboten: Jede Menge verschiedener Würste sowie Apfelstrudel, Salzburger Nockerl und acht verschiedene Biersorten vom Fass. Ein unternehmerisch guter Schachzug, auch wenn Gutenbrunner das zunehmende Schubladen-Denken in Bezug auf seinen Ruf nicht ganz so gerne hört: "Eigentlich bin ich gegen die Nationalisierung und das Branding auf rein ‹österreichisch›. Dafür habe ich zu lange in Küchen rund um den gesamten Globus gearbeitet." Doch genau dieses USP macht die KG-NY Group so erfolgreich.
Im Schnitt lässt der Gast im Wallsé 80 Euro, in der Blauen Gans 45 Euro und in den anderen Lokalen etwa 25 Euro pro Besuch. Und die Marke KG bringt dem 49-Jährigen Folgeaufträge: Das Consulting für die In-Location der New Yorker Party-People, der The Standard Beer Garden im gleichnamigen Hotel im Meetpacking District, stammt von Gutenbrunner und gerade hat er das Konzept in der Dependance in Los Angeles gelauncht.
Ihn selbst zieht es aber nicht in die Ferne. Das liegt einerseits daran, dass seine drei Töchter aus zweiter Ehe hier zur Schule gehen, und andererseits daran, dass der langfristige Erfolg für Gutenbrunner nur mit gleichbleibender Qualität zu halten ist.
"Die Zukunft wird zeigen, dass man besser aufgehoben ist, wenn man seine Produkte pflegt und nicht permanent Neuem hinterherjagt." Dass das aber nicht bedeutet, stehen zu bleiben, ist für Gutenbrunner wichtig. Gemeinsam mit Daniel Kill, dem Chefkoch im Wallsé und ebenfalls einem Tantris-Veteranen, entwickelt er immer neue Gerichte für seine fünf Dependancen. "Ich bin Koch geworden, weil dieser Beruf mit sehr wenig Einschränkungen erlaubt, kreativ zu sein."
Und wo, wenn nicht im Künstlerviertel New Yorks, lässt sich das besser machen?