Ludwig „Lucki“ Maurer: Europas erster Bio-Wagyu-Züchter
In der englischsprachigen Welt gibt es den Begriff „chef’s chef“. Zu Deutsch so viel wie „ein Koch für Köche“, steht er für eine fixe Größe innerhalb der Gastronomie, deren Standing außerhalb der Branche (noch) weitgehend unbekannt ist. Das mag heute nicht mehr viel mit Ludwig „Lucky“ Maurer zu tun haben.
In der englischsprachigen Welt gibt es den Begriff „chef’s chef“. Zu Deutsch so viel wie „ein Koch für Köche“, steht er für eine fixe Größe innerhalb der Gastronomie, deren Standing außerhalb der Branche (noch) weitgehend unbekannt ist. Das mag heute nicht mehr viel mit Ludwig „Lucky“ Maurer zu tun haben.
Schließlich ist der 40-jährige Bayer heute weit über die Grenzen der Gastrobranche hinaus bekannt: als Europas erster Bio-Wagyu-Rinderzüchter, als Fleisch- und BBQ-Papst mit eigenen TV-Sendungen, jeder Menge Gastauftritten in Erfolgsformaten wie Kitchen Impossible oder The Taste, mehrfach ausgezeichneter Kochbuchautor – und spitz positionierter Gastronom, der in seinem Stoi im niederbayrischen Niemandsland einen Kulinarik-Hotspot geschaffen hat, der über sechs Monate im Voraus ausgebucht ist. Und doch: Bevor es so weit war, zog seine Strahlkraft zu Beginn vor allem Branchenkollegen in seinen Bann.
Nicht umsonst ist der langjährige Schüler Stefan Marquards bis heute so gut vernetzt, dass er in seinem Stoi ein Gastkochkonzept auf die Beine gestellt hat, das hochkarätiger nicht besetzt sein könnte: Da geben sich Kapazunder wie Tim Mälzer, Heiko Antoniewicz und Ex-Dreisterne-Titanen wie Harald Wohlfahrt oder Thomas Bühner die Klinke in die Hand. Und es war kein Geringerer als Roland Trettl, der auf der Mainstage der CHEFDAYS Germany 2019 von Maurer als seinen persönlichen „Idealgastronomen“ sprach und gestand: „Würde ich jemals wieder ein Restaurant eröffnen, ich würde es so machen wie Lucki Maurer.“ Wie hat der eingefleischte Niederbayer das geschafft?
Headbangen statt Schulbankdrücken
Der kleine Ludwig wächst als Wirtshauskind im Bayerischen Wald auf. „Das Erste, was ich in der Früh gesehen habe, und das Letzte vorm Schlafengehen war Gastronomie. Das prägt“, erinnert sich Maurer heute. „Wir haben kein Taschengeld bekommen, sondern für unser Geld mussten wir etwa den Himbeerkuchen für den Nachmittagskaffee belegen oder Schnittlauch hacken.“ Es ist eine geschäftige, aber schöne, wohlbehütete Kindheit, die Maurer im elterlichen Wirtshaus – sein Zimmer ist eines der Gästezimmer – verbringt.
Neben dem sechsten Sinn für Gastronomie entdeckt Maurer in seinen frühen Jugendjahren auch die Musik für sich und wird zum nahezu besessenen Heavy-Metal-Bass-gitarren-Spieler mit eigener Band. „Ich habe eigentlich immer versucht, in der Musik erfolgreich zu werden. Rockstarallüren könnte man das nennen. Ich wollte mit aller Kraft in Wacken spielen und einen geilen Plattenvertrag bekommen. Was ich da tagtäglich geübt und wie viele Mails ich geschrieben habe!“ Die Schulzeit verläuft holprig. Die Eltern verlangen von ihrem Buben, dem das Headbangen mehr liegt als das Drücken der Schulbank, dass er einen bodenständigen Beruf erlernt. Also beginnt Maurer mit 15 eine Ausbildung zum Koch.
Keine falsche Entscheidung, wie sich bald herausstellt: Das Zischen und Brutzeln hinter dem Herd ist eben irgendwie auch Musik, und dass Küchenbrigaden so manche Heavy-Metal-Bands wie brave Sternsinger aussehen lassen, ist hinlänglich bekannt. Der junge Ludwig jedenfalls hängt an seine Kochlehre auf der Hotelfachschule die Ausbildung zum Hotelfachmann, später den staatlich geprüften Küchenmeister an. Der Junge ist auf Schiene, könnte man sagen. Bis ein Schicksalsschlag ihn mächtig aus der Bahn wirft.
Der grosse Kampf
Er ist 20 Jahre alt, „in Aufbruchstimmung“, macht gerade Zivildienst – und bekommt die Diagnose: Lymphdrüsenkrebs. „Stadium drei von vier. Nach sechs Chemotherapien hat es schon recht finster ausgesehen. Da hab ich mir geschworen, dass ich alles geben werde, um meine Träume zu verwirklichen“, erinnert sich Maurer. Alle He-Man-Figuren zu sammeln, mit Stefan Marquard zu kochen, mit seiner Band auf Tour zu gehen, den elterlichen Bauernhof zu übernehmen, zu reisen – all diese Dinge kamen auf eine kompromisslose To-Do-Liste, die zur entscheidenden Überlebenswaffe wurde und mit der der lebenshungrige Ludwig es schaffte, dem Schicksal in den Rachen zu greifen. Ein Jahr kämpfte er – und gewann. Nicht nur gegen den Krebs. Ludwig Maurer gewann auch ein neues Leben.
Ich habe damals als ganz normaler Koch 1100 Euro netto verdient. Dann haben wir das Haus gebaut, da hat sich dann der Tacho nach links gedreht.
Lucki Maurer über die herausfordernde Ausgangssituation nach der Hofübergabe
Zunächst erfüllte er sich den Traum, mit seinem Vorbild, dem berüchtigten „Küchen-Rock’n’Roller“ und TV-Star Stefan Marquard zu kochen. „Der hat mich maßgeblich geprägt und war im Endeffekt ja auch irgendwie wie eine Rockband: Du fährst wohin, baust auf, rockst das Ding und erntest den Ruhm, wenn es den Leuten schmeckt und sie begeistert von unserer Performance sind. Das ist auch der Hauptgrund, warum ich heute da bin, wo ich bin, da mir Stefan die Chance gegeben hat, in seiner verrückten Truppe dabei zu sein.“
Von Berlin und Hamburg über Kopenhagen, Athen bis nach Australien reist Maurer in den mehr als zehn Jahren, in denen er federführende Positionen in Marquards Cateringunternehmen übernimmt, und reift nicht nur zu einem der besten Köche des Landes heran. Sondern auch zu einem gewieften Unternehmer. „Bei Stefan habe ich viel darüber gelernt, was es heißt, solide zu kalkulieren. Machst du ein Catering, dann weißt du, dass du an diesem und jenem Tag an einem bestimmten Ort für so und so viel Leute kochst. 50 Prozent der Auftragssumme netto wird vier Wochen im vorhinein gezahlt, damit hast du so gut wie kein Risiko beim Einkauf.“ Dieses Konzept der ökonomischen Planbarkeit sollte Maurer einige Jahre später für sein Stoi übernehmen. Doch bevor es so weit war, ging es an die Erfüllung des zweiten Traums: Den Hof der Großeltern zu übernehmen.
Mit einer Million ganz von vorne
Schergengrub liegt rund eine Autostunde östlich von Regensburg. Hügelige Weiden, umgeben von dichtem Wald, eröffnen sich dem, der auf dem Weg hierhin die richtigen Abzweigungen im idyllischen Niemandsland des Bayerischen Walds gefunden hat. Bis Mitte der 1990er-Jahre hatten da Kühe gegrast, zum Zeitpunkt der Hofübergabe an den 26-jährigen Lucki und seiner Frau Stephanie waren die idyllischen Hänge das Zuhause von Bio-Lämmern und einer Weihnachtsbaumplantage. Was also tun mit den 36 Hektar?
Fest stand nur: irgendetwas Rentables, denn die beiden brauchten Geld. „Ich habe damals als ganz normaler Koch 1100 Euro netto verdient. Dann haben wir noch ein Haus gebaut und da hat sich der Tacho finanziell komplett nach links gedreht.“ Von einer Biogasanlage über einen Ponyhof, einen Swinger-Club, ein Puff, eine Tabakplantage, dem Anbau von Marihuana – und noch vielem mehr – ließen die Maurers ihren Gedanken freien Lauf. Bis er auf einer Messe, auf der horrende Preise für kleine Portiönchen Wagyu- Beef – also Fleisch des japanischen Edelrinds – bezahlt wurden, auf eine Idee kam. Warum nicht selbst, hier in Schergengrub, japanische Edelkühe züchten? „Wir haben fast eine Million investiert und komplett von vorne angefangen“, erinnert sich Maurer an die Anfangszeit. Das war 2006. Heute grasen auf den prachtvollen Weiden Schergengrubs sage und schreibe 100 der japanischen Edelrinder. Dass da einer im Bayerischen Wald Wagyus – noch dazu Bio – züchtet, sprach sich schnell herum.
Nicht nur, weil Maurer durch seine jahrelange Arbeit für Stefan Marquard Gott und die Welt kannte: „Ich hatte 2005 meine Cateringfirma gegründet, gab daneben auch Kochkurse. Dadurch hat sich automatisch eine Nachfrage ergeben, oft hat es nur damit angefangen, dass die Leute sich die Rinder anschauen wollten.“ Das einzigartige Fleisch findet auf Maurers Cateringevents seine ideale Bühne, die Nachfrage wächst und wächst. Also wagt Maurer den nächsten, im Nachhinein irgendwie logischen Schritt: Um das, was er auf all seinen Events zelebriert, auch bei sich in Schergengrub erlebbar zu machen, lässt er das über 300 Jahre alte Bauernhaus renovieren. Aus der in die Jahre gekommenen Bruchbude wird 2013 das Stoi – also Stall – und damit, wenn man so will, das Herzstück von Maurers Schergengruber Imperium.
Nach sechs Chemotherapie hat es schon recht finster ausgesehen. Da habe ich mir geschworen, dass ich Alles geben werde, um meine Träume zu Verwirklichen. Ein Jahr lang kämpfte Lucki Maurer
Keine Kartenzahlung, kein WLAN, keine vegetarischen Ausweichmenüs. Von veganen ganz zu schweigen. Im Stoi läuft alles genau so, wie Ludwig der Bayer es haben möchte. Genau das ist es, wofür ihn viele (hochkarätige) Kollegen gleichermaßen beneiden wie bewundern. Und das, obwohl – oder gerade weil? – das Stoi kein Restaurant im eigentlichen Sinne ist, sondern vielmehr eine Art kulinarische Eventstätte, in der mit maximal 60 Plätzen nur nach Anmeldung aufgekocht wird. Wie damals bei einem Marquard-Catering eben. Da rentiert sich plötzlich das Kochen auf Sterneniveau. „Wir haben über 100 ausverkaufte Veranstaltungen, die wir wegen der Pandemie vor uns herschieben“, sagt Maurer. „Davon allein 50 Kochkurse.“ Seine persönliche Antwort auf die Coronakrise: eine hauseigene Boutique in der alten Stoi-Garage. „Wenn die Gäste nicht herkommen können, kommt das Stoi eben zu ihnen.“ Neben dem hauseigenen Wagyu-Bio-Fleisch gibt’s da alles, was das BBQ-affine Herz höherschlagen lässt, Wein inklusive, wobei Maurers Vorliebe für üppigen Rotwein unverkennbar ist.
WLAN für die Gäste gibt’s zwar weiterhin nicht und auch in der Boutique ist nur Barzahlung möglich. Aber einen Webshop hat das Stoi-Team dennoch auf die Beine gestellt, so viel Coronakampf muss schon sein. Apropos Kampf: Dass Lucki Maurer all die Träume, die ihn über seine schwere Krankheit gerettet haben, verwirklicht hat, bedeutet noch lange nicht, dass er jetzt alles mal gut sein lässt. Gerade erschien sein neues Buch „Fleisch Codex“, das nächste ist schon in Arbeit. Überhaupt ist er jedes Mal, wenn man ihn an den Hörer bekommt, wieder unterwegs. Nach Hamburg, nach Berlin, nach weiß der Teufel wohin. Mit einer Sache ist der in mancher Hinsicht Kind gebliebene Meister aber durch: den He-Man-Figuren. „Ich hab sie alle“, sagt Maurer. „Wirklich alle.“
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LUDWIG „LUCKI“ MAURER ist ein Gesamtkunstwerk: Bauer, Koch, Buchautor, Caterer sowie Rocker durch und durch. Mit 15 Jahren beginnt der Spross einer alteingesessenen Gastronomenfamilie im Bayerischen Wald eine Lehre zum Koch. Nach überstandener Lymphdrüsenkrebserkrankung, gegen die Maurer ein ganzes Jahr kämpfte, arbeitete er ab 2003 fast zehn Jahre für seinen kulinarischen Ziehvater Stefan Marquard, mit dem ihn bis heute eine tiefe Freundschaft verbindet. 2007 startet Ludwig Maurer mit seiner Frau Stephanie als Erster in Europa mit der Zucht von Wagyu-Rindern auf ökologischer Basis. 2016 eröffnet er auf dem ehemaligen Hof seiner Großeltern das Pop-up-Restaurant Stoi. Maurer gilt als Fleischpapst Deutschlands und wurde durch Auftritte in diversen Quotenbringern im TV auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.