Fabian Spiquel und Miguel Ledesma: Geschmackszirkus

Kiffende Australier, unprätentiöse Sterneküche und eine beeindruckende Weinkarte: Das Restaurant Maison Manesse überzeugt ohne Fine-Dine-Zirkus.
Juni 30, 2016 | Text: Kathrin Löffel | Fotos: Claudio Martinuzzi

Die zwei Köpfe hinter dem Restaurant Maison Manesse.

Geschichten erzählen

Jeder einzelne Gang transportiert einen ausbalancierten Geschmack und eine Geschichte. Wobei die Geschichte des Küchenchefs vermutlich die spannendste ist: Kurz bevor das Projekt Maison Manesse startete, war der gebürtige Australier Fabian Spiquel noch in der Wildnis von Peru unterwegs, um sich selbst und den inneren Frieden zu finden: „Schamanische Rituale und das Auf-sich-gestellt-Sein haben mich zu einem gelasseneren Menschen gemacht. Ich brauchte privat und beruflich Abstand.“

Ob es ihn verändert hat? „Ja, sehr. Besonders im beruflichen Kontext bin ich ruhiger geworden. In Australien, wo ich meine Ausbildung machte, ist die Atmosphäre in der Küche sehr laut, gemein, herablassend. Du wirst lebendig gefressen. Als ich in die Schweiz kam, brachte ich als Sous Chef genau diese Einstellung mit. Mein Chef sagte nur: ,Wir sind in der Schweiz. Hier sind wir freundlicher und schreien uns nicht an.‘ Geändert habe ich meine laute Art aber erst nach dem Dschungel-Trip.“

Geschichten erzählen

Jeder einzelne Gang transportiert einen ausbalancierten Geschmack und eine Geschichte. Wobei die Geschichte des Küchenchefs vermutlich die spannendste ist: Kurz bevor das Projekt Maison Manesse startete, war der gebürtige Australier Fabian Spiquel noch in der Wildnis von Peru unterwegs, um sich selbst und den inneren Frieden zu finden: „Schamanische Rituale und das Auf-sich-gestellt-Sein haben mich zu einem gelasseneren Menschen gemacht. Ich brauchte privat und beruflich Abstand.“

Ob es ihn verändert hat? „Ja, sehr. Besonders im beruflichen Kontext bin ich ruhiger geworden. In Australien, wo ich meine Ausbildung machte, ist die Atmosphäre in der Küche sehr laut, gemein, herablassend. Du wirst lebendig gefressen. Als ich in die Schweiz kam, brachte ich als Sous Chef genau diese Einstellung mit. Mein Chef sagte nur: ,Wir sind in der Schweiz. Hier sind wir freundlicher und schreien uns nicht an.‘ Geändert habe ich meine laute Art aber erst nach dem Dschungel-Trip.“

Rock ’n’ Roll, Geschichten und Fine Dine

Wie ein Trip in die Wildnis wirkt auch der vorletzte Gang des Menüs im Maison Manesse: Leise knistert das Feuer, der Rotwein schimmert im Glas und die selbst gemachten Marshmallows rösten am Stock in der offenen Flamme auf dem Tisch. Aufgrund der vielen Geschichten um die Gerichte, der lockeren Atmosphäre, der unzähligen Grüße aus der Küche und des Weins verschwimmt die Anzahl der Gänge, die vor den Marshmallows kamen. Glasklar ist aber: Jede einzelne Geschmackszelle wird beansprucht.

Manesse wird übrigens wie Man und Esse ausgesprochen. Ein Befehl, der die Message auf den Punkt bringt. Es geht ums Essen und nicht um ein hochgestochenes Ambiente. Das Ganze sieht auf dem Teller wie Fine Dine aus, aber die Stimmung ist viel lockerer, entspannter, fröhlicher. Das Erlebnis steht im Vordergrund.

Unser Food ist Fine Dine, aber der Service ist Rock ’n’ Roll – Fun Dine nennen wir es.
Fabian Spiquel über das Konzept

Die zwei Köpfe hinter dem Restaurant Maison Manesse.

Nicht verwunderlich, dass das Menü mit einem Rätsel beginnt: In einer kleinen Porzellanschale mit fünf Vertiefungen befinden sich fünf Flüssigkeiten, die mit einer Porzellanpipette zum Mund geführt werden können. Die Aufgabe: Ordne die fünf Geschmacksrichtungen den Flüssigkeiten zu. Für Profis: Errate die Zutaten der Flüssigkeiten. Das Rätsel stimmt auf das Menü ein, das mit jedem Gang zum Denken anregt und mit den besagten Marshmallows enden wird.

Küchenchef Fabian Spiquel und Restaurantleiter Miguel Ledesma stupsen ihre Gäste auf eine kulinarische Entdeckungsreise, ohne sie – oder das Essen – mit Etikette zu belasten.
„Es ist nicht nötig, sich fein zu machen, um Fine Dine zu erleben. Du kannst bei uns auch in Flipflops essen – komm einfach so, wie du bist. Unser Food ist Fine Dine, aber der Service ist Rock ’n’ Roll – Fun Dine nennen wir es“, erklärt der Küchenchef Fabian Spiquel das Konzept hinter dem Restaurant, das am Manesseplatz etwas außerhalb der Innenstadt liegt – wobei Zürich nicht wirklich groß ist und so auch das Restaurant gut zu erreichen ist.

Das Konzept: Sterneküche ohne Etikett

Miguel Ledesma übernimmt die Leitung des Restaurants und war wie Spiquel schon bei der Planung involviert: „Das Konzept wurde zunächst von den Kritikern belächelt und auch wir wussten, wenn die Umsetzung nicht gut ist, wird niemand den Weg auf sich nehmen, um zu einem eher entlegenen Platz zu fahren.“

Das Leben eines Huhns auf einem Teller verewigt.

Ledesma ist ein Marketing-Genie, in der Gastronomie-Branche aufgewachsen und verkörpert die Idee des Fun Dine in seinen bunten Hosen perfekt.
Vor drei Jahren öffnete das Restaurant seine Pforten und offenbarte den U-förmigen hellen Raum mit großer Theke mit grüner Wellblechverkleidung. Den Kritikern zum Trotz funktioniert das System. Der Laden boomt. Seither gibt es einen Mittagstisch und abends ein Menü, bei dem die Gäste lediglich die Anzahl der Gänge bestimmen können.

À la carte gibt’s nicht. Zumindest nicht beim Essen: Die Weinkarte mit über 1000 Positionen sorgt selbst bei Weinprofis für ein strahlendes Lächeln. Jede Flasche wird aufgemacht, dafür sind sie ja da. Wenn sich jemand nicht durch die Exceltabelle mit den stetig wechselnden Weinen wühlen möchte, übernimmt das Serviceteam die Entscheidung für den richtigen Rock ’n’ Roll im Glas.

Dass das Konzept funktioniert, sehen Ledesma und Spiquel nicht nur an den unzähligen Reservierungen: Das Restaurant wurde im zweiten Jahr mit einem Stern ausgezeichnet. Spiquel: „Mein Ziel war es, meinen ersten Stern mit unter 35 Jahren zu erreichen. Das habe ich geschafft. Aber ich denke, dass das Konzept auch ohne Sterne funktionieren würde. Es ist allerdings eine tolle Motivation und Wertschätzung für das Team.“

Der Teller ist die Leinwand

Mit dem Team steht und fällt die Idee des Fun Dine: „Um eine gute Atmosphäre zu schaffen, machen wir viele Dinge gemeinsam. Wir unterhalten uns viel während der Arbeit, machen Späße, essen gemeinsam.“ Jeder Mitarbeiter bringt eine Leidenschaft mit, den Ehrgeiz, sich jeden Tag zu verbessern. „Das Team ist sehr klein, also muss jeder 100 Prozent geben und in die Gruppe passen. Wir haben keine Zeit für Diven oder Alleingänge“, erklärt Spiquel.
Natürlich spielen Fähigkeiten oder vorherige Stationen eine Rolle, aber sie sind nicht der entscheidende Punkt für ein stimmiges Team.  Australier beim Angeln Gastronomisches Gespür und Teamwork lernte Spiquel nicht erst bei seiner Ausbildung: Sein Vater ist Koch, wodurch er seine Kindheit zu großen Teilen im Restaurant verbrachte. Nach einigen Stationen in Australien übermannte ihn die Reiselust.
Auch wenn Spiquel das sonnige Wetter und die offene, herzliche Art der Australier vermisst, gibt es für ihn in der Schweiz mehr Möglichkeiten, sich zu entfalten: „In Australien ist das Leben fast genauso teuer wie in der Schweiz, aber das Gehalt ist geringer und die Optionen eingeschränkter.“
Als Spiquel 2008 in die Schweiz kam, fand er mit Mark Thommen einen seiner zwei Mentoren. Thommen brachte Spiquel in das Unternehmen GammaCatering und beide kochten im Swiss Pavilion bei der Expo 2010 in Shanghai. Dort traf Spiquel Mentor Nummer zwei: Arnold Josue. Den Teller als Leinwand für seine Kunst zu betrachten, lernte Spiquel von ihm. Ganz nach dem Motto „Es darf nicht zu ordentlich aussehen“ lebt sich Spiquel heute auf seiner Porzellan-Spielwiese aus.
Außerdem erzählt jeder Teller eine Geschichte – geprägt von seiner Zeit in Down Under, der Schweiz, im Dschungel und in Shanghai. Kartoffelpüree, Morcheln, Waldbeeren, Kombu, Mairübe – so stellt sich Spiquel den Geschmack zur Mysterie-Serie „Lost“ vor. Würmer, Gräser, Körner, Ei, Hühnerfleisch – die Zutaten des Gerichts mit dem philosophischen Titel „Was war zuerst?“ beschreiben das Leben eines Huhns – mit allem, was dazugehört. Bier, Hanf und Barramundi – ein perfekter Angeltag des typischen Australiers.

Mit Herz und Verstand

Besonders am Herzen liegt Spiquel die Nähe zu seinen Produzenten: „Wir nutzen Produkte aus der ganzen Welt, aber wir arbeiten immer mehr an der Verbundenheit der hiesigen Bauern und hauptsächlich mit regionalen Lebensmitteln. Hofblum ist ein Produzent, der rund 50 Pflanzen für uns anbaut und Herkunftsort der Zutaten für das Gericht ,Was war zuerst?‘.“
Spiquel: „Das verwendete Rindfleisch kommt vom Hof Zur chalte Hose, dessen Bauer sein Vieh auf der Weide mit einem gezielten Schuss erlegt, sodass es nicht erst noch kilometerweit transportiert werden muss, um geschlachtet zu werden. Gemüse, Käse und Wein bekommen wir auch aus der Region. Es muss keine Bio-Ware sein, aber die Bauern müssen gut mit ihren Produkten umgehen. Das passt zu unserer Philosophie: Gesunde Küche auch mit Superfood-Produkten von regionalen Farmern.“
Damit aber diese Philosophie ungezwungen beim Gast ankommt, muss das Team in der Küche und im Service zusammenpassen. Und so schließt sich der Kreis der einzelnen Zutaten für das Gesamtkonzept. Das Ziel ist es, eine gute Zeit zu erleben – ohne viel Fine-Dine-Zirkus, dafür mit umso mehr Spaß an der Sache.
www.maisonmanesse.ch

Der Teller ist die Leinwand

Mit dem Team steht und fällt die Idee des Fun Dine: „Um eine gute Atmosphäre zu schaffen, machen wir viele Dinge gemeinsam. Wir unterhalten uns viel während der Arbeit, machen Späße, essen gemeinsam.“ Jeder Mitarbeiter bringt eine Leidenschaft mit, den Ehrgeiz, sich jeden Tag zu verbessern. „Das Team ist sehr klein, also muss jeder 100 Prozent geben und in die Gruppe passen. Wir haben keine Zeit für Diven oder Alleingänge“, erklärt Spiquel.

Natürlich spielen Fähigkeiten oder vorherige Stationen eine Rolle, aber sie sind nicht der entscheidende Punkt für ein stimmiges Team.  Australier beim Angeln Gastronomisches Gespür und Teamwork lernte Spiquel nicht erst bei seiner Ausbildung: Sein Vater ist Koch, wodurch er seine Kindheit zu großen Teilen im Restaurant verbrachte. Nach einigen Stationen in Australien übermannte ihn die Reiselust.

In Australien ist das Leben fast genauso teuer wie in der Schweiz, aber das Gehalt ist geringer und die Optionen eingeschränkter.
Fabian Spiquel über die Unterschiede zwischen der Schweiz und Australien

Auch wenn Spiquel das sonnige Wetter und die offene, herzliche Art der Australier vermisst, gibt es für ihn in der Schweiz mehr Möglichkeiten, sich zu entfalten: „In Australien ist das Leben fast genauso teuer wie in der Schweiz, aber das Gehalt ist geringer und die Optionen eingeschränkter.“

Als Spiquel 2008 in die Schweiz kam, fand er mit Mark Thommen einen seiner zwei Mentoren. Thommen brachte Spiquel in das Unternehmen GammaCatering und beide kochten im Swiss Pavilion bei der Expo 2010 in Shanghai. Dort traf Spiquel Mentor Nummer zwei: Arnold Josue. Den Teller als Leinwand für seine Kunst zu betrachten, lernte Spiquel von ihm. Ganz nach dem Motto „Es darf nicht zu ordentlich aussehen“ lebt sich Spiquel heute auf seiner Porzellan-Spielwiese aus.

Spaßiges Foto-Shooting im Restaurant Maison Manesse.

Außerdem erzählt jeder Teller eine Geschichte – geprägt von seiner Zeit in Down Under, der Schweiz, im Dschungel und in Shanghai. Kartoffelpüree, Morcheln, Waldbeeren, Kombu, Mairübe – so stellt sich Spiquel den Geschmack zur Mysterie-Serie „Lost“ vor. Würmer, Gräser, Körner, Ei, Hühnerfleisch – die Zutaten des Gerichts mit dem philosophischen Titel „Was war zuerst?“ beschreiben das Leben eines Huhns – mit allem, was dazugehört. Bier, Hanf und Barramundi – ein perfekter Angeltag des typischen Australiers.

Mit Herz und Verstand

Besonders am Herzen liegt Spiquel die Nähe zu seinen Produzenten: „Wir nutzen Produkte aus der ganzen Welt, aber wir arbeiten immer mehr an der Verbundenheit der hiesigen Bauern und hauptsächlich mit regionalen Lebensmitteln. Hofblum ist ein Produzent, der rund 50 Pflanzen für uns anbaut und Herkunftsort der Zutaten für das Gericht ,Was war zuerst?‘.“

Es muss keine Bio-Ware sein, aber die Bauern müssen gut mit ihren Produkten umgehen.
Fabian Spiquel über die Philosophie der Küche im Maison Manesse

Spiquel: „Das verwendete Rindfleisch kommt vom Hof Zur chalte Hose, dessen Bauer sein Vieh auf der Weide mit einem gezielten Schuss erlegt, sodass es nicht erst noch kilometerweit transportiert werden muss, um geschlachtet zu werden. Gemüse, Käse und Wein bekommen wir auch aus der Region. Es muss keine Bio-Ware sein, aber die Bauern müssen gut mit ihren Produkten umgehen. Das passt zu unserer Philosophie: Gesunde Küche auch mit Superfood-Produkten von regionalen Farmern.“

Damit aber diese Philosophie ungezwungen beim Gast ankommt, muss das Team in der Küche und im Service zusammenpassen. Und so schließt sich der Kreis der einzelnen Zutaten für das Gesamtkonzept. Das Ziel ist es, eine gute Zeit zu erleben – ohne viel Fine-Dine-Zirkus, dafür mit umso mehr Spaß an der Sache.
www.maisonmanesse.ch

Rezepte

Ihr wollt auch einmal probieren, wie die das Leben eines Huhns für Fabian Spiquel schmeckt? Dann HIER lang.
Oder doch lieber mit den Australiern beim Angeln mit Bier, Hanf und Fisch am See chillen? Dann geht’s hier zum Rezept.

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