Eyal Shani – Mister Food Porn
Der große Verführer
Wäre Eyal Shani kein so erfolgreicher Koch, wäre er in seinem nächsten Leben vielleicht Philosoph. Der 58-Jährige hat in den letzten 20 Jahren mit dazu beigetragen, der israelischen Küche so etwas wie eine Seele einzuhauchen. Das Wiener Miznon, das Shani 2015 anstelle des Dombeisls eröffnet hat, ist nach drei Dependancen dieser Pita-Kette in Tel Aviv und einer in Paris sein fünftes. Daneben hat der israelische Gastronom und Masterchef-Juror noch weitere Lokale, insgesamt sind es nun neun. Für ein Treffen mit dem charismatischen Gesamtkunstwerk muss man viel Zeit mitbringen, dafür zieht einen der außergewöhnliche Künstler unmittelbar in seine aufregend verrückte Welt.
Das Miznon ist ein unglaublich energetischer Ort. Spiegelt das auch Ihre eigene Persönlichkeit wider?
Eyal Shani: Auf eine gewisse Art und Weise ist alles, was man erschaffen kann, man selbst. Man weiß doch über so vieles fast nichts, aber sich selbst sollte man doch kennen. Letztendlich geht es darum, etwas weiterzugeben und anderen Menschen Freude zu bereiten. Dazu zählen für mich aber nicht nur die Gäste, sondern vor allem auch die Crew. Wenn mein Team happy ist, bin es auch ich.
Der große Verführer
Wäre Eyal Shani kein so erfolgreicher Koch, wäre er in seinem nächsten Leben vielleicht Philosoph. Der 58-Jährige hat in den letzten 20 Jahren mit dazu beigetragen, der israelischen Küche so etwas wie eine Seele einzuhauchen. Das Wiener Miznon, das Shani 2015 anstelle des Dombeisls eröffnet hat, ist nach drei Dependancen dieser Pita-Kette in Tel Aviv und einer in Paris sein fünftes. Daneben hat der israelische Gastronom und Masterchef-Juror noch weitere Lokale, insgesamt sind es nun neun. Für ein Treffen mit dem charismatischen Gesamtkunstwerk muss man viel Zeit mitbringen, dafür zieht einen der außergewöhnliche Künstler unmittelbar in seine aufregend verrückte Welt.
Das Miznon ist ein unglaublich energetischer Ort. Spiegelt das auch Ihre eigene Persönlichkeit wider?
Eyal Shani: Auf eine gewisse Art und Weise ist alles, was man erschaffen kann, man selbst. Man weiß doch über so vieles fast nichts, aber sich selbst sollte man doch kennen. Letztendlich geht es darum, etwas weiterzugeben und anderen Menschen Freude zu bereiten. Dazu zählen für mich aber nicht nur die Gäste, sondern vor allem auch die Crew. Wenn mein Team happy ist, bin es auch ich.
Aber wie macht man jemanden glücklich, vor allem im Gastgewerbe?
Shani: Ja, das ist eine der großen Fragen. Das funktioniert primär natürlich einmal sehr gut über Gehalt. Aber da kommt man als Arbeitgeber natürlich bald einmal an ein Limit, das dem jeweiligen Markt unterliegt, an dem man sich orientieren muss. Es gibt doch ein Thema, das uns alle auf eine gewisse Art verbindet: Man will verstanden werden, bemerkt werden und für seine eigene Art geschätzt werden. Das ist es, was wir unseren Angestellten vermitteln wollen. Eine Welt, in der sie sich wahrgenommen fühlen und respektiert werden. Und für uns stellt jeder im Team eine eigene Welt für sich dar, die es zu bewahren gilt. Mit allen Nuancen, die dazugehören, jede Facette eines Individuums ist kostbar. Wir wollen keine Soldaten in der Küche, die auf Befehl losmarschieren. In regulären Küchen gibt es den Executive Chef, dann den Küchenchef, Sous Chef und so weiter und so fort. Wie eine Armee. Wenn ein Soldat also in so einer Hierarchie Essen zubereitet, ist es doch auch nichts anderes als Essen für Soldaten. Auch wenn da teilweise bestimmt gute Ideen dahinterstecken oder großes Know-how. Wenn man also diese Fine-Dining-Gerichte der heutigen Zeit zubereitet, muss da jeder Teller in der exakt gleichen Art und Weise tagtäglich über den Pass wandern. Da ist dann doch kein menschlicher, individueller Touch mehr hinter diesem Gericht.
Das sind ausgesprochen philosophische Gedanken zum harten Job in der Küche.
Shani: So bin ich. Ich mache mir sehr gerne Gedanken. Auch über den Tod. Wenn man ein Produkt vom Feld erntet, sind viele der Meinung, dass das auch eine Art von Tod ist. Der Meinung bin ich nicht. Ich denke viel mehr, dass man diesem Produkt eine Chance gibt, ein neues Leben in der Küche zu starten. Das funktioniert aber nur, wenn man Leute in der Küche hat, die sich engagieren. Köche hat, die für Produkte brennen. Das wiederum funktioniert nur, wenn man sie in eine Märchenwelt einlädt. Wie die unsere.
Sie sind dafür berühmt, spannende Geschichten zu erzählen und Ihre Speisekarten fast poetisch zu gestalten.
Shani: Die ganze Welt ist doch in einer Zutat drin. Wenn man einen Fisch isst, dann kann man sagen, man isst sein Fleisch. Aber das ist nicht wahr. Man isst den Sturm, das Dunkel des Wassers, die Tiefe des Ozeans. Und wer Weizen isst, der isst die Sonne, die kosmischen Strahlen. Als Koch hat man die Verantwortung dafür, dass der Gast all das schmeckt, man muss ihm diese Welt ganz einfach auf den Teller liefern.
Was sind eigentlich die Konzepte Ihrer Restaurants?
Shani: Eigentlich sind alle sehr ähnlich: Es sind Orte, wo junge Städter die Abende tanzend, essend und trinkend verbringen. Am liebsten ist es den Gästen bei uns, wenn sie alle drei Dinge an einem Ort tun können, darum ist die Musik meist laut, der Rotwein reichlich und das Essen zur Not auch im Stehen konsumierbar.
Und wie definieren Sie das Konzept von Miznon?
Shani: Miznon bedeutet nicht, Essen durch Pita zu verkaufen. Nein. Pita ist ein sehr altes Brot, das im mitteleuropäischen Raum stark verbreitet ist, um Hummus oder Shawarma damit zu essen. Wenn man also diese zwei Elemente zusammenbringt, entsteht ein ganz spezielles saftiges Erlebnis, das man als Koch niemals alleine zustande bringt. Man versucht also, bei vermeintlich einfachen Gerichten Außergewöhnliches zu schaffen. Das ist der Spirit, den wir in allen Locations umsetzen wollen.
Wie wählen Sie für diesen Spirit Ihre Mitarbeiter aus?
Shani: Da steckt ein sehr einfaches Prinzip dahinter: Man muss nur den einen richtigen finden. Der bringt dann seinen engsten Freund und so weiter und so fort. Man muss sich nach meinem Prinzip also nur um den ersten kümmern, der Rest folgt ohne Probleme. Aber nicht jeder kann für uns arbeiten. Eher technisch veranlagte Köche denken sich wahrscheinlich, dass wir hier alle Wahnsinnige sind. Aber wenn man Lust hat, sich auf unser Universum einzulassen, und etwas unter die Oberfläche blicken will, dann ist man hier richtig. Wer bei uns arbeitet, geht auf eine Reise. Das beginnt schon bei all unseren Produkten, die wir erforschen. Wir stellen sie auf ein Podest, bauen einen Altar um sie herum. Doch schon am nächsten Tag kann es sein, dass wir diesen auch wieder zertrümmern und einen neuen aufbauen. Nur die permanente Erneuerung sorgt für anhaltenden Erfolg. Man sollte stets dahinter sein, die Produkte, aber auch die Reaktion der Gäste darauf immer wieder von Neuem zu untersuchen.
Wie kreieren Sie Ihre Gerichte?
Shani: Nehmen wir das Beispiel unseres Gerichts „Dinosaurierrippchen“. Das servieren wir flambiert und sobald die heiße Pfanne an den Tisch gebracht wird, riecht man sofort den Duft der Bergwelt rund um Jerusalem. Denn von dort stamme ich. Und das war mein Ansatz. Ich wollte diese Erinnerungen an meine Gäste weitergeben. Dafür nehmen wir die Rippe einer Kuh und garen sie im Ganzen für gute neun Stunden. Das Fleisch wird durch das intramuskuläre Fett so zart, himmlisch!
Die meisten Gerichte lassen Sie aber im Pita-Brot servieren. Und das gibt es genauso an jedem Standort?
Shani: Ja, aber wir füllen es eben anders. Nämlich mit unserer eigenen Message, mit unserer Seele. Wir verarbeiten nur die besten Materialien, experimentieren, passen uns an. In Paris füllen wir beispielsweise das beste Bœuf bourguignon der Stadt ins Fladenbrot. Hier in Wien Gulasch – oder auch Tafelspitz. Die Pita ist wie ein trojanisches Pferd: unschuldig aber schlagkräftig.
Sie sind aufgrund Ihrer Unternehmen viel auf Reisen. Empfinden Sie das als sehr stressig?
Shani: Das ist richtig. Ich muss viel reisen, aber ich versuche, es im Rahmen zu halten, denn alleine in Tel Aviv habe ich 500 Angestellte und um die muss ich mich natürlich kümmern. Das Reisen ist nun mal aktuell Bestandteil meines Lebens, aber am liebsten bin ich an der Seite meiner Leute. Auch wenn Tel Aviv eine der lebendigsten Städte der Welt ist. Unglaublich hektisch. Man wacht in der Früh auf und befindet sich inmitten einer sehr geschäftigen Maschinerie.
Und Sie planen, Miznon noch in vielen Städten zu etablieren?
Shani: Mein Traum wäre es, Miznons in allen europäischen Hauptstädten zu eröffnen und den Spirit der jeweiligen Städte in eigene Pitas einfließen zu lassen. Dabei geht es nicht nur um das Essen. Es geht um alle Einfüsse wie das Wetter, die Menschen, die Atmosphäre und die Produkte. Alle bisherigen Miznons sind verschieden. Als ich etwa zum ersten Mal nach Wien kam, habe ich natürlich rasch eines festgestellt: Hier gibt es Schnitzel! Also habe ich sofort gesagt: Ich will mein eigenes Schnitzel machen. Ich wollte dabei in keiner Weise in einen Wettstreit mit der Tradition dieses Gerichts treten, also habe ich mich gefragt: Was kann ich tun? Und wie es der Zufall so wollte, habe ich die Arbeiter beobachtet, wie sie mit Spachteln die Wände unseres Restaurants bearbeiteten. Da hatte ich die zündende Idee. Ich nahm Hühnerfleisch, mixte es zu einer Paste und strich es dünn mit einer Spachtel auf die Plancha. Binnen weniger Sekunden bekommt man ein riesiges schmackhaftes Steak, das man dann faltet und wie eine Serviette ins Pita gibt. Dadurch wird es auf eine gewisse Art und Weise auch zu einem Schnitzel. meinem eigenen Schnitzel.
Sie tauchen also immer in die jeweiligen Städte ein?
Shani: Richtig. Ich versinke regelrecht in ihnen. Treffe Menschen, versuche zu verstehen, was ihre Leidenschaft ist, wofür sie brennen. Dazu gibt es eine lustige Geschichte: Vor einem Jahr telefonierte ich mit meinem Geschäftspartner und er meinte: „Hier in Wien ist es viel zu elegant, es vibriert zu wenig! Komm zu uns nach Wien und such nach einer Location.“ Ich machte mich also auf den Weg und kam direkt zur Spargelzeit hierher. Das Erste, was mir dann dabei sofort wieder auffiel: Der schaut doch aus wie ein Penis. Und jedes Restaurant serviert immer mehrere Spargel. Dabei kann es doch nur einen geben, oder? Und man darf ihn auf keinen Fall hinlegen, sondern man muss ihn aufstellen. Senkrecht! Dazu machte ich eine weiße Sauce aus Meerrettich, dippte den oberen Teil des Spargels hinein und drückte ihn so den Menschen in die Hand. Die Männer wurden gleich verlegen und liefen rot im Gesicht an. Bei den Frauen war es ungleich interessanter. Sie konnten ganz einfach nicht vor anderen den Spargel so essen. Sie mussten sich beim Herunterbeißen immer wegdrehen. Man muss also immer wieder neue Wege finden, um Menschen zu unterhalten, sie zum Nachdenken zu bringen und vor allem: sie glücklich zu machen.