Ein Fall für Zwei
Fotos: Wolfgang Hummer
A lso, meine Damen und Herren, gemma’s an!“, hallt es freundlich, aber bestimmt durch die überschaubar dimensionierte Küche des Restaurants im Zentrum des 3000-Seelen-Dorfs Werfen in Salzburg. Es ist Punkt 12 Uhr, das Mittagsservice beginnt gleich und für die kommenden zwei Stunden wird dieser Ort – wieder einmal – zur kulinarisch elitärsten Kampfzone des Landes. „Wir sind ja nicht auf einem Kindergeburtstag, oder?“, sagt der hünenhafte Mann, der hier das Regiment führt, und dieses Lächeln hat etwas sehr Beruhigendes. Es stimmt also, sagt man sich dann zufrieden, dass Hunde, die bellen, nicht beißen. Doch Obacht – wenn es um das eine geht, bleibt für Gutmütigkeit erst mal kein Platz. „Junge Frau, in zwei Stunden reden wir weiter, ich muss jetzt nämlich arbeiten“, verkündet der Hüne und verschwindet in der Kühlkammer im Hinterhof des Lokals. Willkommen im – im besten Sinne des Wortes – ganz normalen Wahnsinn. Willkommen bei den Obauers.
Zwei Stunden, eine ebenso umfassende wie spannende Einführung in die Aromenvielfalt eines Fleckchens Wiese sowie ein Lammcurry, das kein Inder besser würzen und Alain Ducasse nicht grandioser hätte veredeln können später, erzählt Karl Obauer, der große Bruder des großen Bruders, vom aktuellen Presserummel. Seit den Brüdern von Gault Millau die Auszeichnung „Köche des Jahrzehnts“ verliehen wurde, schweigen die Telefone nicht mehr. „Das ist schon ein Wahnsinn…
Fotos: Wolfgang Hummer
A lso, meine Damen und Herren, gemma’s an!“, hallt es freundlich, aber bestimmt durch die überschaubar dimensionierte Küche des Restaurants im Zentrum des 3000-Seelen-Dorfs Werfen in Salzburg. Es ist Punkt 12 Uhr, das Mittagsservice beginnt gleich und für die kommenden zwei Stunden wird dieser Ort – wieder einmal – zur kulinarisch elitärsten Kampfzone des Landes. „Wir sind ja nicht auf einem Kindergeburtstag, oder?“, sagt der hünenhafte Mann, der hier das Regiment führt, und dieses Lächeln hat etwas sehr Beruhigendes. Es stimmt also, sagt man sich dann zufrieden, dass Hunde, die bellen, nicht beißen. Doch Obacht – wenn es um das eine geht, bleibt für Gutmütigkeit erst mal kein Platz. „Junge Frau, in zwei Stunden reden wir weiter, ich muss jetzt nämlich arbeiten“, verkündet der Hüne und verschwindet in der Kühlkammer im Hinterhof des Lokals. Willkommen im – im besten Sinne des Wortes – ganz normalen Wahnsinn. Willkommen bei den Obauers.
Zwei Stunden, eine ebenso umfassende wie spannende Einführung in die Aromenvielfalt eines Fleckchens Wiese sowie ein Lammcurry, das kein Inder besser würzen und Alain Ducasse nicht grandioser hätte veredeln können später, erzählt Karl Obauer, der große Bruder des großen Bruders, vom aktuellen Presserummel. Seit den Brüdern von Gault Millau die Auszeichnung „Köche des Jahrzehnts“ verliehen wurde, schweigen die Telefone nicht mehr. „Das ist schon ein Wahnsinn. Wir haben ja die eine oder andere Auszeichnung bekommen in unserem Leben, aber auf diese sind wir schon besonders stolz.“
Unpünktlichkeit und Faulheit. über alles andere
kann und soll man reden.»
Wahr ist, dass die Obauer-Brüder seit mittlerweile Jahrzehnten kulinarische Meriten sammeln wie der eine oder andere Obauer-Mitarbeiter Sommerkräuter für das nächste Menü. Freiwillig übrigens. Seit 1994 hagelt es für die Salzburger Metzgersöhne aus bescheidenen Verhältnissen Hauben, Gabeln, Krönchen, Punkte und alles andere, was in der westlichen Hemisphäre sonst noch so als kulinarisches Verdienst-Symbol anerkannt ist. Die Brüder waren auch die ersten Österreicher, denen der Guide Michelin 1996 zwei Sterne verlieh – dass sie einen davon 1997 wieder abgeben mussten, warf die heimische Gourmet-Journaille aber wesentlich nachhaltiger aus der Bahn als Rudi und Karl Obauer selbst. „Die Devise lautet: nicht überschnappen und immer schön am Boden bleiben. Und das gilt eben nicht nur, wenn man Erfolg hat, sondern auch, wenn es mal nicht so optimal läuft“, sagt Rudi Obauer über die einstige – seiner Meinung nach übrigens nicht ganz gerechtfertigte – Gastro-Guide-Verunglimpfung. „Aber heutzutage glaubt ja gleich jeder Koch, der sich nicht ganz daneben anstellt, dass er ein Superstar ist. So ein Blödsinn. Wir sind Köche und damit Handwerker. Punkt.“
Rebellion aus Tradition
Für solch ungeschminkte Wahrheiten sind die Obauers berühmt, doch wer Sätze wie diese lediglich als markige Sprüche sieht, der irrt gewaltig: Wo Obauer draufsteht, ist Obauer drin, wofür sich ein Obauer mal entschieden hat, das zieht er auch durch, und was ein Obauer sagt, das meint er auch genau so. Egal, ob es sich dabei um klare Ansagen an die Küchencrew und das Serviceteam handelt oder um den Austausch mit dem einen oder anderen Kollegen. Toni Mörwald etwa – der seither wohl eher zu den anderen Kollegen zählt – ließ Rudi Obauer nach den Querelen rund um die österreichische Bocuse-d’Or-Teilnahme wissen, dass er den Kinderschuhen bereits entstiegen und lieber weiterhin ein Profi sei als ein trotziges Rumpelstilzchen und BcD-Österreich-Präsident mit unerwünschtem Kurschatten. Und auch als Juror bei der Salzburger Vorausscheidung zu den JUNGEN WILDEN 2012 nahm der „Koch des Jahres“ 1989 bei der Beurteilung der Gerichte kein Blatt vor den Mund: Wo andere noch nach den richtigen Worten für die misslungene Performance auf dem Teller suchten, machte Obauer unmissverständlich klar, dass er den Auftritt des Kandidaten für reine Zeitverschwendung halte. Das klingt hart, ist aber lediglich Zeugnis dafür, dass sich hier einer nicht verbiegen lässt – nicht für die Presse, nicht für die Kritiker und auch nicht für kulinarische Modeerscheinungen.
Der Erfolg gibt den Obauers jedenfalls recht. Für das ungleiche und sich in vielerlei Hinsicht doch so ähnliche Brüderpaar ist Kochen eben weit mehr als die Produktion von Essen. „Es ist eine Berufung, die enorm viel Disziplin, Ehrgeiz und aufrichtige Hingabe verlangt“, sagt Karl Obauer. „Wir haben unsere Prinzipien und denen bleiben wir auch treu.“
Von Trends haben sie sich immer schon freigesprochen. Legendär ist ihr Forellenstrudel, den sie in einer Zeit, in der Wolfsbarsch & Co. als unverzichtbarer Teil einer elitären Speisekarte galten, zum Must-eat für weit gereiste Gourmets machten. „Es ist schon interessant zu sehen, welchen Stellenwert diese Zurück-zur-Natur-Philosophie momentan genießt“, kommentiert Rudi Obauer den aktuellen Trend zurück zur Naturküche. „Grundsätzlich ist das eine begrüßenswerte Entwicklung. Aber wenn es in ein paar Jahren out und Avantgarde wieder in ist, werden wir hier trotzdem keine Sphären auf den Teller bringen.“
Neu seit 20 Jahren
Dass eine Küche mit stark ausgeprägter regionaler Basis alles andere als banal oder gar austauschbar ist, stellen die Obauer-Brüder mit beinahe schon erschreckender Regelmäßigkeit unter Beweis. Seit 1994 halten die beiden Salzburger durchgehend vier Gault-Millau-Hauben. Und das ist unbestritten der perfekten Kombination aus Leidenschaft für das Handwerk, Spitzenprodukt-Fanatismus und einem ausgeprägten Gespür für unverkrampfte, harmonische Aromenspiele zu verdanken. Denn auch wenn die Obauers einen Gutteil der Basiszutaten ihres Erfolges vor der eigenen Haustüre finden: Der viel zitierte Blick über den Tellerrand ist ihnen nie abhandengekommen. Und genau deshalb wandern in Werfen auch Gerichte über den Pass, denen stets die richtige Dosis Internationalität in klassisch französischer Perfektion anhaftet.
Das Mittagsservice ist mittlerweile vorbei, die Tische leeren sich langsam und Rudi und Karl Obauers Adrenalinpegel sinkt spürbar. Der Tag wird für beide trotzdem erst gegen 23 Uhr enden. „In diesem Job muss man hart zu sich selbst sein, und manchmal auch hart zu anderen“, sagt Rudi Obauer. „Das heißt aber nicht, dass man keine Fehler machen darf. Die macht jeder. Viel wichtiger ist, sich selbst treu zu bleiben, die Leidenschaft für den Beruf nicht zu verlieren und niemals aufzuhören, hart an sich zu arbeiten.“ Dass das Salzburger Gourmet-Duo von seinen Mitarbeitern vollen Einsatz verlangt, ist bekannt – ebenso allerdings, dass so gut wie alle ehemaligen Aspiranten auf den Küchengott-Status, die hier mal hinter dem Herd standen, diesen auch erreichten. Die Absolventenliste der Werfener Elite-Schmiede ist lang, kaum ein österreichischer Spitzenkoch, der sie nicht durchlief. Die Obauers sind stolz auf ihre Schützlinge und darauf, ihr Wissen weiterzugeben. „Der da zum Beispiel“, schmunzelt Rudi Obauer und zeigt auf einen jungen Mann im hinteren Teil der Küche, „das ist der Sohn des Salzburger Sternekochs Franz Fuiko. Der Franz ist ein grandioser Koch, aber der Bub kocht bald besser als sein Vater!“
Ob der eigene Nachwuchs irgendwann einmal diesen eigentlich schon legendären Betrieb in Werfen übernehmen wird, steht noch in den Sternen. „Aber Karl und ich haben es eh nicht eilig, das Feld zu räumen. Dafür macht uns das alles hier einfach zu viel Spaß.“ Es scheint nicht unangemessen, sich zu wünschen, dass dieser Spaß noch weitere 20 Jahre währen möge.