Der Volksnahe
Fotos: Helge O. Sommer
Um 23.30 Uhr ist es in der Schlossbar des Schlosshotels Velden ziemlich ruhig. Der Wörthersee, Bühne des alten und neuen Geldadels, ist müde um diese Uhrzeit. Christian Silmbroth und Dalibor Skvorc – Ersterer seit März 2014 Executive Chef des legendären Luxushotels, Zweiterer F&B-verantwortlicher Resident Manager ebenda – haben ihre körperliche und geistige Hochblüte an diesem Tag ebenfalls bereits hinter sich. Was nichts an der Tatsache ändert, dass sie sich um diese Uhrzeit zum Arbeitsgespräch treffen. „Herr Skvorc und ich, wir sind das Food&Beverage-SWAT-Team“, schmunzelt Silmbroth. In den letzten Monaten haben die beiden wahrscheinlich mehr Zeit miteinander verbracht, als Roy Black und Uschi Glas jemals gemeinsam vor der Kamera des Schlosses am Wörthersee standen. Was sie in der kurzen Zeit seit ihrem Dienstantritt im Schloss auf die Beine gestellt haben, daran…
Fotos: Helge O. Sommer
Um 23.30 Uhr ist es in der Schlossbar des Schlosshotels Velden ziemlich ruhig. Der Wörthersee, Bühne des alten und neuen Geldadels, ist müde um diese Uhrzeit. Christian Silmbroth und Dalibor Skvorc – Ersterer seit März 2014 Executive Chef des legendären Luxushotels, Zweiterer F&B-verantwortlicher Resident Manager ebenda – haben ihre körperliche und geistige Hochblüte an diesem Tag ebenfalls bereits hinter sich. Was nichts an der Tatsache ändert, dass sie sich um diese Uhrzeit zum Arbeitsgespräch treffen. „Herr Skvorc und ich, wir sind das Food&Beverage-SWAT-Team“, schmunzelt Silmbroth. In den letzten Monaten haben die beiden wahrscheinlich mehr Zeit miteinander verbracht, als Roy Black und Uschi Glas jemals gemeinsam vor der Kamera des Schlosses am Wörthersee standen. Was sie in der kurzen Zeit seit ihrem Dienstantritt im Schloss auf die Beine gestellt haben, daran sind vor ihnen viele gescheitert: eine ernst zu nehmende, funktionierende Lifestyle- und Foodiedestination zu werden. Nicht nur für russische Oligarchen. „Ich glaube, langsam kommen wir an den Punkt, an dem die Menschen sich nicht mehr zu Tode fürchten, wenn sie die Lobby des Schlosses nur sehen“, sagt Silmbroth. „Der eine oder andere weiß mittlerweile sogar, dass es hier neben dem Gourmetrestaurant Schlossstern auch noch ein gehoben-bürgerliches Restaurant gibt, das Bartholomäus.“ Das Restaurant Seespitz direkt am Ufer des Sees bildet die dritte kulinarische Säule des Schlosshotels, hier blieb seit Frühjahr 2014 kein Stein auf dem anderen. Neuer Beachclub, Bootshaus-Feeling und Casual-Dining-Konzept in der Küche. „Drei Tage vor dem Opening mit 200 geladenen Gästen war das eine einzige Riesenbaustelle“, sagt Silmbroth. „Aber gut, die Küche war zumindest schon da.“ Sarkasmus sucht man übrigens vergeblich in diesem Satz.
Mehr als nur Futter für den Geldadel
Der 35-Jährige hat Erfahrung im Ruhe-bewahren und Ziele-durchsetzen – nebst seinen Qualitäten als Spitzenkoch, Food-Hunter und Top-Logistiker wohl einer der wesentlichsten Gründe, warum man gerade ihn aus dem Murtal nach Kärnten und in das in jüngerer Vergangenheit wenig ruhmreiche Schlosshotel holte. Dietrich Mateschitz’ Projekt Spielberg hatte Silmbroth zuletzt in Bestzeit zu kulinarischem Glanz verholfen, als Executive Chef und Mitglied der Hospitality Operation im Projekt Spielberg war der Oberösterreicher für acht Betriebe verantwortlich. Der Gault Millau würdigte seine Küchenleistung im Hotel Steirerschlössl mit zwei Hauben und 15 Punkten. „Natürlich wollen wir die bestehenden drei Hauben von Vorgänger Paul Schrott im Schlossstern halten“, sagt Silmbroth, „aber das Gourmetrestaurant darf nicht mehr nur der einzige Fokus sein. Das gesamte F&B-Konzept muss schlüssig und attraktiv sein.“
36 Köche bespielen aktuell die drei Restaurants und arbeiten nebenbei den gut gefüllten Eventcatering-Kalender ab. Sein Team hat Silmbroth innerhalb von nur drei Monaten komplett neu zusammengestellt, seine interne Deadline, um das Rad zum Laufen zu bringen, setzte er bei zweieinhalb Monaten an. „Ein funktionierendes Team war die Voraussetzung, um 2014 zu überleben“, sagt er.
Überlebensstratege
Überleben also. Da drängt sich schon eine Frage auf: Warum nimmt einer, der in Spielberg auf einer sicheren professionellen Bank gesessen hat, freiwillig Platz auf einem dreieinhalbbeinigen Sessel, der zwar formschön, aber auch verdammt wackelig ist? „Ich mag die Herausforderung“, antwortet Silmbroth trocken.
Dass die Übernahme der Verpflegungshoheit im Schloss kein Spaziergang werden würde, war Silmbroth klar. Bis zum 50 Millionen Euro teuren Befreiungsschlag durch Milliardär Karl Wlaschek 2011 und die als Betreiber agierende Falkensteiner-Gruppe war das Jetset-Schloss am See mit einer Auslastung von 30 Prozent dem Tod näher als dem Leben. „Angst hatte ich keine, nur gesunden Respekt“, sagt Silmbroth heute. „Und manchmal ist es gar nicht so schlecht, im Vornhinein nicht zu wissen, was alles schiefgehen könnte. Das lenkt nur ab.“
Die größte Schwierigkeit, sagt Silmbroth, sei nicht die Hardware des Hauses gewesen, sondern die Software. Nicht, dass seine Vorgänger, darunter Sterne-koch Silvio Nickol, Stefan Lastin und zuletzt Paul Schrott, nicht ihr Bestes gegeben hätten – die Konzepte waren einfach zu unterschiedlich. Was Silmbroth meint: zu elitär. „Wir müssen den Gästen die Schwellenangst nehmen“, sagt Silmbroth. Ein Vorhaben, das weniger mit Finanzkraft als mit Know-how, Personalführung, Gespür für die Region zu tun habe. „Der Bestand war ja gut. Meine wichtigste Aufgabe war es, die Mitarbeiter zu motivieren, die den Glauben an ein funktionierendes System hier ja schon verloren hatten.“
Und wie macht man das? „Indem man ihnen Wertschätzung entgegenbringt“, sagt Silmbroth.
Das klingt gar ein wenig einfach. „Wertschätzung bedeutet nicht unreflektierte Huldigung“, sagt Silmbroth. Es geht darum: den Mitarbeitern nichts vormachen, neutral, offen, ohne Schnörkel den Weg vorgeben. Transparent bleiben. Und Kompetenz nicht als einzigen Maßstab für Leistung ansetzen. „Ich achte nicht nur darauf, was die Leute draufhaben, sondern auch darauf, ob sie ins Team passen.“
Abgesehen von neuen Personalführungsstrategien hat Silmbroth drei eigenständige Kulinarikkonzepte etabliert – ohne strikte Trennung von Fine Dine und Casual, weiter Welt und See. „Das verbindende Element ist die Region und das, was sie zu bieten hat“, sagt Silmbroth. „Wir bauen unser Produzentennetzwerk hier gerade auf.“ Das sei schwieriger als in Spielberg, „aber ich frage eben in der Bevölkerung herum, welche Adressen interessant sind. Fahr dorthin oder lade sie ein, wir stimmen uns ab und ich picke mir dann raus, was momentan interessant ist oder in Zukunft interessant sein könnte.“ Silmbroth, das menschgewordene Trüffelschweinchen: rumwuseln und suchen als Lebensaufgabe.
Topfen, Butter, Käse, Kärntner Nudelspezialitäten, Gemüse, Milchlämmer und Saibling aus den Schlossteichen hat er schon gefunden. Und sie finden sich auch auf der Karte des zuletzt mit drei Hauben und 17 Gault-Millau-Punkten gekrönten Schlossstern. Silmbroth setzt zwar weiterhin auf „Blauflossenthunfisch – Curry – Couscous“ oder „Ochsenschwanz – Gänseleber – Kaviar“. Aber eben auch auf Drautaler Flusskrebse und Milchlamm. Er weiß, dass man einen russischen Gast, der sich um die halbe Welt gegessen hat, mit Fischrogen glücklich machen kann. Er weiß aber auch: Überraschen kann man ihn mit Käse von der Kleinstbäuerin, die nur ein paar Kilometer entfernt „Sachen macht, die ein Bernard Antony auch nicht besser machen könnte“.
Das Ende der High-Price-Ära
Das SWAT-Duo Silmbroth/Skvorc ordert die letzte Runde und Christian Silmbroth versucht sich an einem Resùmee. „Wir sind am richtigen Weg, die Auslastung ist gestiegen, und wir werden in den nächsten Wochen noch einmal die Hotelbar umbauen, die Terrasse offener gestalten“, sagt er. Damit die Leute sich auch mal hinsetzen, nicht nur die Fassade anstarren.
In fünf Jahren, sagt Silmbroth noch, möchte er in Pension gehen. Ernsthaft? „Nein, eh nicht“, rudert er zurück. Aber er studiert nebenbei noch Wirtschaft in Salzburg, das eröffnet neue Möglichkeiten. Wann der Mann für seine Prüfungen lernt, fragt man sich. „Na, eine Stunde geht jetzt schon noch“, antwortet er. Um halb ein Uhr morgens.