Bomben Sicher
Er wurde beinahe von einer wild gewordenen Horde Wildschweine aufgespießt, landete im Knast und erlebte einen Militärputsch mit. Nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Leben von Michael Sicher. „Ich war in meinem Leben fast schon siebenmal tot.“ Wovon wir sprechen? Von einem Koch natürlich. Jedes Jahr im Jänner, wenn das Restaurant Sicher im kärntnerischen Tainach für drei Monate schließt, spürt Michael Sicher ein Kribbeln und er packt seinen Tramperrucksack zusammen. Jetzt sei er schon ruhiger, meint er. Nur mehr drei Wochen statt zwei bis drei Monate sei er dann unterwegs.
Mit einem Kescher taucht er in das Wasser eines Fischbeckens und fördert eine brodelnde Masse von Fischleibern zu Tage. Er greift einen Saibling heraus und wiegt ihn prüfend in der Hand. Im November ist es so weit – Erntezeit für den Saiblingskaviar, den viele deutsche
Er wurde beinahe von einer wild gewordenen Horde Wildschweine aufgespießt, landete im Knast und erlebte einen Militärputsch mit. Nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Leben von Michael Sicher. „Ich war in meinem Leben fast schon siebenmal tot.“ Wovon wir sprechen? Von einem Koch natürlich. Jedes Jahr im Jänner, wenn das Restaurant Sicher im kärntnerischen Tainach für drei Monate schließt, spürt Michael Sicher ein Kribbeln und er packt seinen Tramperrucksack zusammen. Jetzt sei er schon ruhiger, meint er. Nur mehr drei Wochen statt zwei bis drei Monate sei er dann unterwegs.
Mit einem Kescher taucht er in das Wasser eines Fischbeckens und fördert eine brodelnde Masse von Fischleibern zu Tage. Er greift einen Saibling heraus und wiegt ihn prüfend in der Hand. Im November ist es so weit – Erntezeit für den Saiblingskaviar, den viele deutsche Sterneköche wie Harald Wohlfahrt, Heinz Winkler und Hans Haas sowie Österreichs Spitzen Lisl Wagner-Bacher, Walter Eselböck oder Joachim Gradwohl regelmäßig bestellen.
Das orange Gold stand sogar einmal in den Schlagzeilen. „Bombenalarm um Kärntner Kaviar“ wurde getitelt. Ein guter Freund hatte auf seinem Weg zur Hochzeit von Michael Douglas ein Glas im Gepäck, am Flughafen hieß es dann „Stopp“. Die Experten dachten sofort an Sprengstoffgranulat und alarmierten die Experten.
Sicher steht derzeit von früh bis spät am Wasser. Eine anstrengende Angelegenheit und die Kälte bei der Arbeit mit den nassen Tieren kriecht in die Gelenke. Mit ein paar Tropfen Nelkenöl werden die Fische ätherisch sanft betäubt und der Kaviar durch Massage händisch abgestreift. Wie ein Goldstrahl fließen die orangen Perlen heraus, wenige Minuten später schwimmen die Saiblinge wieder quietschfidel im Wasser. Auf Pasteurisierung des Rogens wird völlig verzichtet, die goldenen Kügelchen kommen nur mit Karpatensalz in Berührung, das aus 400 Metern Tiefe geborgen wird.
Bis man die strahlend orangen Perlen auf dem Gaumen zerplatzen lassen kann, muss allerdings viel Wasser den unverbrauchten Bach hinunterfließen, der Grundlage für die Sicher-Fische ist. Bis zu zehnmal nimmt man jeden Fisch in die Hand, bevor man ernten kann. Nachher wird pingelig selektioniert wie bei edlem Weintraubenmaterial. Fünf Personen kontrollieren den abgestreiften Laich auf beschädigte Eier. Ein Business, bei dem auch die ganze Familie zusammenhelfen muss: Chefkoch Michael Sicher, sein Bruder und Restaurantleiter Wolfgang und die Eltern. Störeier könnte Michael Sicher ebenfalls ernten, aber die zwei Prachtviecherln im Teich haben nur mehr den Status von Haustieren. Und der Saiblingskaviar schlägt die Konkurrenz von Stör-, Lachs- und Forellenrogen um Längen.
200 seltene Kräuter
und Pflanzen In den 60er-Jahren hatten die Eltern damit begonnen, Saiblinge und Forellen zu züchten. Der Vater bedauerte schon damals, dass die Saiblingseier einfach nur den Bach hinunterschwammen. Michael krempelte die Ärmel hoch und verfeinerte nach vier, fünf Jahren des Experimentierens die Haltbarmachung des Kaviars. Neben Saibling werden auch Huchen, Bachsaibling, Seeforelle und Regenbogenforelle in 24 Becken gezüchtet, außerdem noch kanadische Signalkrebse. Meeresfische sind tabu – „weil wir sie nie in der Qualität und Frische wie unsere Fische bringen könnten“, sagt Michael Sicher. Auch im Programm: selbst gezüchtete Wachteln, Perlhühner, Legehühner und Araucanahühner aus dem Anden-Gebiet – genau, das sind die gefiederten Gesellen mit den grünen Eiern. „Wir sind praktisch autark, Fleisch und Käse kommen von regionalen Produzenten.“ Der Traumgarten könnte locker mit den Versuchsanlagen eines botanischen Instituts konkurrieren. Rund 200 exotische Kräuter und Pflanzen hat der Globetrotter aus der ganzen Welt in seinem Rucksack zusammengetragen. 10 verschiedene Basilikumsorten wie Limonen-, Thai-, Busch- oder Lesbosbasilikum, 10 bis 15 Sorten Salbei – so genau weiß er das selbst nicht – und sogar Wasabi wächst. Das fließende Wasser des Bachs ist ideal für die extrem sensible Pflanze.
Früher war der Betrieb eine einfache Fischbraterei, von Jahr zu Jahr wurde aber verfeinert. Michael Sicher führte das Restaurant als Küchenchef schließlich auf Dreihaubenniveau. Fisch steht bei ihm im Zentrum, natürlich nur heimischer. Nach dem Motto: „Hummer: Nein, danke!“ So frisch wie unser Kärntner Sushi in Form von Saibling, Forelle & Co. wird er nie sein. „Der Saibling ist unser Branzino.“ Dem heimischen Fisch gibt er den Extrakick durch die Kombination mit exotischen Kräutern, die noch kein Gaumen in Österreich gekostet hat. Statt mit russischem Kaviar veredelt er seine Gerichte mit Saiblingskaviar, statt Gänseleber serviert er Forellen- oder Saiblingsleber als Praline, Pastete oder angeröstet. Klassiker wie Saiblings- und Flusskrebscarpaccio werden von den Stammgästen vehement eingefordert, genauso wie kleine frittierte Saiblinge mit Cassismajonäse. Aus der Kreativecke kommt Bioschweintartare mit einem pochierten Araucanahühnerei und Saiblingskaviar. Zwei Geschmacksexplosionen: das für heimische Gaumen ungewohnte Ei und dann die sanft zerplatzenden Kugeln des Saiblingskaviars in Kombination mit dem neutralen Bioschwein.
Bald wird Michael Sicher wieder den Rucksack packen und in den unwirtlichsten Gegenden der Welt neue Kräuter sammeln. Ob es wieder einen Zwischenfall gibt, weiß man nicht. Einmal, in einem Goldgräberdorf in Venezuela, musste er sich auf dem Dorfplatz splitternackt ausziehen, aber er hatte Glück. Sicher wurde nicht vergewaltigt, nur von den Polizisten niedergeschlagen und man nahm ihm bloß sein Geld ab. Jetzt begnügt er sich mit Wellenreiten, natürlich auch ein bisschen extremer. Fünf Stunden täglich im Wasser und abends noch zwei Stunden Videoanalyse. Fast schon langweilig.
>>Kontakt
Restaurant Sicher
Mühlenweg 2, A-9121 Tainach
Tel.: 00 43 (0)42 39/26 38
www.sicherrestaurant.at
Ruhetage: Sonntag, Montag
Duett von Lax’n (Seeforelle) und Saibling
mit Minzcouscous, Puffbohnen und Kalamatajus
Zutaten für 4 Personen:
- 4 Filets von der Seeforelle (ohne Haut)
- 2 Filet vom Saibling (mit Haut)
- Salz, Pfeffer, Zitrone
- Zahnstocher
Minzcouscous
- 4 EL Couscous
- 100 ml Gemüsefond
- 1 TL Butter
- 2 bis 3 Schmortomaten, gehackt
- 5 bis 6 Blatt Apfelminze, gehackt
- 1 EL Parmesan, gerieben
- Salz
Kalamatajus
- Ca. 20 Stück entkernte Kalamataoliven
- 1 Kl Tomatenmark
- Olivenöl
- Salz
- 1/16 l Wasser
Alle Zutaten aufkochen, mixen, passieren und abschmecken.
Tomatenfond
- 5 Stück Kirschtomaten
- 2 EL Olivenöl
- Salz, Pfeffer
Alle Zutaten mixen und passieren – kurz vor dem Anrichten erwärmen.
Puffbohnen
- 4 EL Puffbohnen
- 100 ml Bouillon, Salz, Zitrone
Bouillon mit 2 EL Puffbohnen aufkochen, mixen, abschmecken und 2 EL Puffbohnen dazugeben.
Couscous mit Gemüsefond und Butter langsam aufkochen, mit Salz, Pfeffer würzen. Zum Schluss Tomaten, Minze und Parmesan einrühren.
Seeforelle mit Salz, Pfeffer, Zitrone würzen und zu Röllchen formen, mit Zahnstochern fixieren und in beschichteter Pfanne mit etwas Öl ca. 4–5 Min. langsam braten.
Saiblingsfilet halbieren, ebenfalls würzen und auf der Hautseite in der Pfanne kross braten.
Couscous mit Hilfe eines Ringes in der Mitte des Tellers anrichten. Kalamatajus, Tomatenfond und Puffbohnen nacheinander um das Couscous verteilen.