André Chiang: Der Küchenprophet
Es ist Dienstag, 11.15 Uhr. Ein groß gewachsener Asiate betritt die CHEFDAYS-Bühne, um Tag zwei des spannendsten Foodsymposiums Deutschlands zu eröffnen – der erste Speaker des Tages ist niemand Geringeres als Küchensuperstar André Chiang aus Taiwan.
„Ich bin sehr stolz, hier sein zu dürfen und als einziger Asiate die andere Seite des Planeten zu repräsentieren“, beginnt der 42-Jährige seine Cooking Demonstration. „Wir wollen heute etwas ganz Besonderes machen“, kündigt er weiter an. Und damit hat er dem Auditorium nicht zu viel versprochen.
Akribisch durchdacht
„Den meisten war das Restaurant André ein Begriff, doch erst wenige kennen mein neues Restaurant Raw“, beginnt Chiang seinen Vortrag. Nach vielen Jahren in Frankreich ist der gebürtige Taiwanese nach Asien zurückgekehrt, um dort die Kultur seiner Heimat zu studieren. „Für mich war es sehr wichtig, dorthin zurückzukehren, wo ich geboren wurde, und meine eigene Kultur zu verstehen“, resümiert er rückblickend. „Köche suchen ständig nach neuen Produzenten und Techniken und vergessen dabei oft, woher sie kommen“, sagt Chiang.
Doch zuvor spricht der 42-Jährige über sein neuestes Restaurantprojekt, das Raw in Taipeh. 2014 eröffnet, darf es sich mittlerweile mit einem Stern im Guide Michelin rühmen, ist seit drei Jahren durchgehend in der Asia’s-50-Best-Restaurants-Liste vertreten und wurde zwei Mal als bestes Restaurant Taiwans ausgezeichnet.
Seine Küchenphilosophie dort ist simpel: Alle Produkte sind zu 100 Prozent biologisch, regional und biodynamisch. Chef Chiang teilt das Jahr in 24 Mikrosaisonen ein, aus denen jeweils 21 saisonale Zutaten für das Menü ausgewählt werden. Jeder der sieben Gänge wird dann mit drei dieser 21 Zutaten zubereitet. „Wir kreieren so unsere Menüs, um zu zeigen, welche Produkte genau jetzt, genau zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Wir verwenden die 21 Produkte, die zu der Zeit am besten sind“, erklärt er. „Alle Zutaten, die wir verwenden, sind regional, sie sind ehrlich und einfach. Wir versuchen herauszufinden, was wirklich zu Taiwan gehört.“
Jedes Menü wird immer zur Gänze ausgetauscht, seit dem ersten Tag gab es keinen Gang ein zweites Mal auf der Karte. „Mittlerweile haben wir bestimmt über 100 verschiedene Gerichte kreiert“, meint Chiang.
Es ist Dienstag, 11.15 Uhr. Ein groß gewachsener Asiate betritt die CHEFDAYS-Bühne, um Tag zwei des spannendsten Foodsymposiums Deutschlands zu eröffnen – der erste Speaker des Tages ist niemand Geringeres als Küchensuperstar André Chiang aus Taiwan.
„Ich bin sehr stolz, hier sein zu dürfen und als einziger Asiate die andere Seite des Planeten zu repräsentieren“, beginnt der 42-Jährige seine Cooking Demonstration. „Wir wollen heute etwas ganz Besonderes machen“, kündigt er weiter an. Und damit hat er dem Auditorium nicht zu viel versprochen.
Akribisch durchdacht
„Den meisten war das Restaurant André ein Begriff, doch erst wenige kennen mein neues Restaurant Raw“, beginnt Chiang seinen Vortrag. Nach vielen Jahren in Frankreich ist der gebürtige Taiwanese nach Asien zurückgekehrt, um dort die Kultur seiner Heimat zu studieren. „Für mich war es sehr wichtig, dorthin zurückzukehren, wo ich geboren wurde, und meine eigene Kultur zu verstehen“, resümiert er rückblickend. „Köche suchen ständig nach neuen Produzenten und Techniken und vergessen dabei oft, woher sie kommen“, sagt Chiang.
Doch zuvor spricht der 42-Jährige über sein neuestes Restaurantprojekt, das Raw in Taipeh. 2014 eröffnet, darf es sich mittlerweile mit einem Stern im Guide Michelin rühmen, ist seit drei Jahren durchgehend in der Asia’s-50-Best-Restaurants-Liste vertreten und wurde zwei Mal als bestes Restaurant Taiwans ausgezeichnet.
Seine Küchenphilosophie dort ist simpel: Alle Produkte sind zu 100 Prozent biologisch, regional und biodynamisch. Chef Chiang teilt das Jahr in 24 Mikrosaisonen ein, aus denen jeweils 21 saisonale Zutaten für das Menü ausgewählt werden. Jeder der sieben Gänge wird dann mit drei dieser 21 Zutaten zubereitet. „Wir kreieren so unsere Menüs, um zu zeigen, welche Produkte genau jetzt, genau zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Wir verwenden die 21 Produkte, die zu der Zeit am besten sind“, erklärt er. „Alle Zutaten, die wir verwenden, sind regional, sie sind ehrlich und einfach. Wir versuchen herauszufinden, was wirklich zu Taiwan gehört.“
Jedes Menü wird immer zur Gänze ausgetauscht, seit dem ersten Tag gab es keinen Gang ein zweites Mal auf der Karte. „Mittlerweile haben wir bestimmt über 100 verschiedene Gerichte kreiert“, meint Chiang.
Diese Philosophie mit Fokus auf geballter Regionalität beschränkt sich aber nicht nur auf den Küchenstil, auch die Möbel im Restaurant sind aus Materialien, allen voran aus Kiefernholz, aus der näheren Umgebung hergestellt und sogar die Mitarbeiter stammen ausschließlich aus Taiwan.
Black and white
Die Cooking Demonstration André Chiangs ist einem der wohl elementarsten Gegensätze gewidmet: hell und dunkel bzw. schwarz und weiß. Der erste Teil befasst sich mit dem Weiß: Head Chef des Raw, Alain Huang, zeigt vor, wie er Tofu selbst herstellt. „Das Prinzip ähnelt der Käseherstellung“, erklärt Chiang inzwischen. Die Sojabohnen werden für etwa acht Stunden eingeweicht, daraus wird Sojamilch hergestellt, die dann bei einer Temperatur von 67 bis 68 Grad aufgekocht wird. Das Besondere an dem Tofu sei, dass noch Trüffel hinzugegeben werde, bevor er für 40 bis 50 Minuten raste und eine topfenartige Konsistenz erhalte, erklärt er.
Dieses Gemisch werde dann in einen Holzrahmen gefüllt, in dem er für etwa eine halbe Stunde gepresst werde, führt er weiter aus. Vom fertigen Trüffel-Tofu werden dann drei Scheiben abgeschnitten, die zusammen mit einer Suppe aus Sojamilch und Maitake-Pilzen serviert werden. Die Pilze werden zuvor in einen Ring gesetzt, mit Ölen und Gewürzen verfeinert und im Ofen bei 120 Grad geröstet, bis sie oben knusprig sind, aber innen dennoch weich und saftig bleiben. Getoppt wird dieses Pilz-Kunstwerk schließlich mit einem grünen Puder hergestellt aus Lauch und Kresse.
Weniger als fünf Prozent des Bedarfs wird in Taiwan produziert. Das ist doch lächerlich.
Chiang über den Massenimport von Sojabohnen nach Taiwan
„Wir wollten ein Gericht kreieren, das die lokalen Soja-Produzenten unterstützt, und den Menschen gleichzeitig damit bewusst machen, dass der biologische Anbau im eigenen Land mehr Support verdient“, sagt der Spitzenkoch. Die Sojabohne werde in Asien tagtäglich gegessen, als Sojamilch, Tofu oder Sojasauce, sagt Chiang. Sie habe in seiner Heimat etwa die Bedeutung, die Kartoffeln oder Getreide in Deutschland haben. Aber dennoch werden weniger als fünf Prozent des Bedarfs in Taiwan produziert, das heißt, über 95 Prozent der Sojabohnen werden importiert. „Das ist doch lächerlich“, meint der 42-Jährige.
Mit diesem Gang wird klar: Chiang kreiert nicht nur Gerichte, die wohldurchdacht sind und vor Kreativität nur so strotzen, er kreiert sie auch mit der Absicht, die Welt ein bisschen besser zu machen.
Um den Bogen zum Dunklen zu spannen, hat der Sternekoch ein Rätsel mitgebracht: „Welches Tier hat fünf Finger, schwarze Haut und Knochen, einen blauen Mund und haarige Beine?“ Fragende Gesichter im Publikum. Des Rätsels Lösung hat Chiang den weiten Weg aus Taiwan mitgebracht: ein kohlrabenschwarzes Huhn.
„Diese Art existiert seit mehr als 2000 Jahren. Ich bin das erste Mal in China darauf gestoßen, normalerweise wird es nur für die Zubereitung von Suppe verwendet. Anders wird es nicht genutzt, weil das schwarze Fleisch einfach nicht appetitlich aussieht“, erklärt er. Doch Chiang hat damit ein Gericht kreiert und ihm den Namen Dirty Chicken gegeben. „Damit wollen wir zeigen, dass es nicht nur für Suppe hergenommen werden kann, und die Menschen dazu bewegen, dieses Tier wieder zu schätzen.“ Für das Gericht werden Teile von Brust und Keule des Huhns gegrillt.
Seit dem ersten Tag gab es keinen Gang ein zweites mal auf der Karte.
André Chiang liebt die Herausforderung
Neben dem schwarzen Fleisch ist Umami das große Thema dieses Ganges. Umami ist die fünfte grundlegende Sinnesqualität der gustatorischen Wahrnehmung, neben süß, salzig, sauer und bitter. Dieser Geschmack kann aus verschiedenen Quellen, aus verschiedenen Zutaten gewonnen werden.
Chiang stellt aus getrockneten Shiitake-Pilzen, schwarzen Bohnen, getrockneten Sardellen, geräuchertem Speck, Champignons und Tomaten Umami-Ketchup her. Dafür werden die einzelnen Zutaten verschieden zubereitet – fermentiert, gekocht, gegrillt, eingeweicht, sautiert – und schlussendlich vermengt und zu Ketchup vermixt. Die Sauce des Gerichts ist ebenfalls geprägt vom Umami-Geschmack und auch eine Umami-Mayonnaise ist Teil des Ganges. Mit den Worten „tasty plus tasty plus tasty“ beschreibt Chiang seine Kreation.
Mit gegrilltem Winterrettich, Sellerie, Wasserkresse, Shiso, Chorizo-Öl und Gemüseasche wird das Dirty Chicken abgerundet. Letztere stellt der Taiwanese aus Zwiebeln, Sellerie, Karotte und Lauch her. Das Gemüse wird in gleich große Stückchen geschnitten und im Ofen getrocknet, bis es so knusprig ist, dass es zu Staub zerrieben werden kann. Das füge dem Gericht den Geschmack des Gemüses hinzu, gebe ihm aber keine Bitternoten, erklärt der Chef.
Auf einer Mission
Am Ende seines Vortrags fasst der 42-Jährige nochmals seinen Gedanken hinter seiner Kochkunst zusammen: „Meine Mission ist, meine eigene Kultur zu erhalten und die typischen Geschmäcke meiner Heimat vor dem Aussterben zu bewahren“, sagt Chiang.
Dem fügt er noch hinzu: „Ich möchte noch eine wichtige Message mit euch teilen: Immer mehr Menschen essen auswärts, anstatt am Markt einzukaufen und sich ihr Essen selbst zuzubereiten. Wir Köche entscheiden demnach, was die Menschen essen. Wir haben die Verantwortung, die richtigen Produkte auszuwählen, nicht nur solche, die gerade im Trend sind oder gut aussehen. Eine schlechte Wahl kann negative Auswirkungen auf die Nahrungskette haben, eine gute Wahl der Zutaten aber kann eine neue Dining-Kultur kreieren.“ André Chiang hat nicht nur die Absicht, die Welt zu verbessern – wenn es einer schaffen kann, dann ist es wohl dieser Mann.
Tosender Applaus würdigt seine Cooking Demonstration, nachdem er sich mit typisch asiatischer Höflichkeit für die Aufmerksamkeit des Publikums bedankt hat. „Dieser Mann ist einer der inspirierendsten, kreativsten und leidenschaftlichsten Köche der Welt“, fasst ROLLING PIN-Chefredakteur und CHEFDAYS-Moderator Bernhard Leitner zum Abschluss seines Auftritts auf der Bühne zusammen. Und dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
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