Andoni Luis Aduriz: Emotional kochen
Von seinem Kopf in den Mund der anderen
Wie sollte es auch anders sein: Der Philosoph der High-End-Gastronomie beginnt seinen Vortrag mit Fragen. In einer Einfachheit und Klarheit, sodass man sich überlegen muss, warum man nicht selbst schon einmal über dieses oder jenes auf diese Art und Weise nachgedacht hat und so zu Gerichten gekommen ist.
„So, jetzt wollen wir Spaß haben“, klatscht Aduriz in die Hände und beginnt damit, die Gehirnwindungen der Zuhörer zu stimulieren. Mit Fragen, Ansichten und der Verkörperung von Gedanken in Gerichten. Denn: „Womit kreieren wir Gerichte?“, fragt Aduriz in die Menge. Mit unserem Kopf. „Und wie instrumentalisieren wir sie im ersten Schritt?“ Mit Worten.
Von seinem Kopf in den Mund der anderen
Wie sollte es auch anders sein: Der Philosoph der High-End-Gastronomie beginnt seinen Vortrag mit Fragen. In einer Einfachheit und Klarheit, sodass man sich überlegen muss, warum man nicht selbst schon einmal über dieses oder jenes auf diese Art und Weise nachgedacht hat und so zu Gerichten gekommen ist.
„So, jetzt wollen wir Spaß haben“, klatscht Aduriz in die Hände und beginnt damit, die Gehirnwindungen der Zuhörer zu stimulieren. Mit Fragen, Ansichten und der Verkörperung von Gedanken in Gerichten. Denn: „Womit kreieren wir Gerichte?“, fragt Aduriz in die Menge. Mit unserem Kopf. „Und wie instrumentalisieren wir sie im ersten Schritt?“ Mit Worten.
„Ich denke ja immer auf Deutsch, aber spreche eben leider auf Spanisch“, scherzt der Baske, bevor es an die Grenzen der eigenen Vorstellungskraft, der kulinarischen Machbarkeit geht. „Für uns sind Grenzen etwas besonders Wichtiges“, so Aduriz. „Ich weiß nicht, ob ihr wisst, dass Mugaritz für Baum an der Grenze aus dem Baskischen übersetzt steht.“
Die erste Grenze, die Aduriz und sein Gehilfe Llorenç auf der Bühne der CHEFDAYS 2016 austesten, ist die der Moderne und der Tradition. Des Ursprünglichsten. Ein Knochen aus Manitol, den die Gäste im Mugaritz in Errenteria auslutschen, wie schon die Jäger in grauer Vorzeit. Auch die Kakaobohnen zum Manitol-Knochen zermahlt der Gast selbst, bevor er sich mit diesem Gericht belohnen kann. Essen im Restaurant Mugaritz, der Nummer sechs der S.Pellegrino-Liste der World’s 50 Best Restaurants (Stand 2015), ist Arbeit. Gehirn, Gedanken- und Geschmacksknospenarbeit, die zum Lachen und Weinen animiert. Emotional eben.
Wo die Küche nicht hingelangt, gelangt die Vorstellungskraft hin.
Andoni Luis Aduriz über Grenzen als Inspiration
Weiter geht es zur nächsten Grenze in Mugaritz-Gerichte gegossen: und zwar zu der menschlichen Wahrnehmung und zur Fuet, einer typisch katalanischen Wurst. Im Mugaritz komplett ohne Fleisch – stattdessen aus Tomate, Paprika und einem Mikroorganismus namens Tempeh hergestellt, der der vegetarischen Wurst ihre fleischauthentische Optik verleiht. „Vor allem die Schweine sind sehr glücklich über das Gericht“, lacht Aduriz, bevor es behenden Schrittes – gedanklich und auch von der Hand des Gehilfen Llorenç her – weiter zum nächsten Gericht geht.
Aduriz: „Diese Kreation repräsentiert für mich sehr gut, was wir im Mugaritz suchen. Was Küche in meinem Verständnis haben muss.“ Das seien Unvorhersehbarkeit, Schönheit, Poesie und es muss Spaß machen. Der Pilz Penicillium candidum, von Andoni und seinem Team in gewollte Bahnen gelenkt, verkörpert all das. „Bittere Ideen von Samt“ nennt das kreative Team des Mugaritz dieses Gericht. Weil: Die samtigen Bahnen des Pilzes an unsere Hirnwindungen erinnern und Erinnerungen doch immer auch einen bitteren Beigeschmack haben. Bittersweet Symphony. Die Tropfen Apfelessenz auf dem leicht erwärmten samtigen Milchschimmelpilz sorgen für die saure Komponente im essbaren Teil dieser bitteren Ideen.
„Jeder, dem davon vorher nicht erzählt wurde und der dieses Gericht bei uns im Restaurant bekommt, flippt aus“, so Aduriz glücklich. Das ist es, was er und sein Team in ihren Gerichten und in ihrem mit zwei Sternen ausgezeichneten Mugaritz suchen und wollen. Leute inspirieren, mit Poesie beschenken. In Gerichten zum Ausdruck gebracht.
Leben und Tod
Und weiter geht es zu den nächsten essbaren Gedanken: dem lebendigen Cannellon. Die Worte, die diesem Gericht zuerst in Aduriz’ Kopf zugrunde lagen: Leben und Tod. „Manchmal vergessen wir, dass wir Leben essen“, so der Philosoph. Und daher dreht Llorenç für dieses Gericht aus lebendigen, weil gerade keimenden, Chia-Samen ein Cannellon. Gefüllt mit Hummer-Ceviche.
Was also einmal tot war, ist lebendig, und was lebendig war, tot. Im Mugaritz scheut man sich nicht davor, alle Grenzen, die uns das Leben oder auch der Tod stellen, herauszufordern. Immer mit einem feinen Hint an Humor und Selbstironie. So wie im nächsten Fleischgericht, das auch im Restaurant oft für Diskussionen und Kontroversen sorgt.
Denn wer serviert schon eine Demi-Glace als Hauptgericht? Andoni Luis Aduriz natürlich. Und zwar in Form eines Kuhkopfes, der auf einem Stück Speck ruht. Das Publikum applaudiert. Aduriz kichert: „Der erste Applaus, den wir bekommen, ist für so etwas Klassisches wie eine Demi-Glace. Dann wird euch das nächste Gericht auch gefallen“, so der Baske, der nicht einmal eine Mamia, gestockte Milch und gleichzeitig eines der traditionellsten Desserts des Baskenlandes, essen kann, ohne daraus ein Gericht zu entwickeln.
In diesem Fall: stabile Blasen aus Zitrone mit Krebsfleisch. „Am Rand der gestockten Milch bilden sich Blasen. Wir wollten es schaffen, solche Blasen als stabiles Konstrukt zu bilden“, so Aduriz, der damit darauf hinweist, dass sie dieses Gericht, die Pompas, auch an die Grenzen der technischen Machbarkeit geführt hat.
Aber gut – wer sich über den Küchenpass schreibt: „Das Mögliche unterscheidet sich vom Unmöglichen durch den Willen eines jeden Einzelnen“, kann auch vor dieser Herausforderung nicht stoppen. Und daher hat man im ersten Stock des Restaurants, in der Denkküche, auch monatelang geforscht, um dann zu entdecken: So etwas Simples wie Inulin, ein Pulver aus Leinsamen gewonnen, verleiht Blasen eine Stabilität, wie sie nun als festes Konstrukt in diesem Gericht auf Krebsfleisch ruht, bis der Gast Blasen und Krebs ausgelöffelt hat.
„Wo die Küche nicht hingelangt, gelangt die Vorstellungskraft hinein“, so Aduriz, während er das Publikum auf das nächste Gericht einstimmt: ein Taschentuch, samtiger und weicher als menschliche Haut. Um sich darin zu verlieren, es zu berühren, zu spüren. Und dann zu essen. Die kulinarischen Facts dahinter: Mochi mit Blumen und Marillengel. Auch dieses erfüllt die Ansprüche des kopf- und herzlastigen Kochs und seines Teams: Schönheit, Unvorhersehbarkeit, Poesie und Spaß.
Ebenso wie das letzte Gericht der inspirierenden Demo von Andoni, Llorenç und Julieta, die aus dem Baskenland nach Graz gekommen sind, um ihre Küche zu zeigen, aber auch um Gedanken anzuregen.
Die Frage, die dem letzten Gericht zugrunde liegt: Wenn Blut Eiweiß wie das Ei selbst enthält, dann müsste man es doch eben genauso aufschlagen können? Gefragt, getan. Und schon liegt das mit Kakaopulver überzogene Blutmarshmallow mit Pinienkernen und Zitrone am Teller. In der Zusammenstellung eine Auswahl an typischen Zutaten aus Kantabrien.
nd auch wenn Andoni Aduriz seine Demo mit einer Menge an Fragen begonnen hat, so beendet er sie doch mit einer Bitte. „Bitte füllt euren Kopf, euer Leben mit schönen Worten.“ Denn wie uns Aduriz und sein Team vorleben, entstehen daraus wunderschöne und anregende Realitäten. Im Fall vom Mugaritz Gerichte, wobei das ja auch nur eine von vielen Arten ist, sich auszudrücken.
Wie man im Restaurant Mugaritz im Baskenland mit einem Pilz zu samtig wachsenden Gehirnwindungen kommt, lest ihr hier im Rezept.
www.mugaritz.com