Corona-Virus: Hamburgs Gastronomen fordern Sofortmaßnahmen

Der Corona-Virus hat Gesundheits- und Wirtschaftssystem fest im Griff. Dass in Deutschland noch weitgehend Unklarheit über Soforthilfe für die Branche herrscht, wollen Hamburger Gastronomen nicht länger hinnehmen. Sie schreiben einen offenen Brief an die Stadt Hamburg und fordern: Kommunikation und finanzielle Sofortmaßnahmen.
März 18, 2020 | Fotos: Gastronomie & Hotellerie Deutschland, Raphael Gabauer

Während in Österreich die Fronten weitgehend geklärt sind, herrscht in Deutschland Chaos. Bleiben die Betriebe geöffnet? Wer kommt für die Kosten auf, für den Fall, dass sie doch schließen müssen? Was passiert mit den Mitarbeitern, wenn die Umsätze zurückgehen? Das zu klären, ist in Deutschland eine Sache der Länder – nicht des Bundes. Heißt: In Bayern wurde der Ausnahmezustand verhängt, in Berlin füllen sich die Biergärten. Trotzdem sinkt der Umsatz rapide. Wie soll es nun weitergehen?

Diese Frage richten Hamburger Gastronomen nun direkt an die Verantwortlichen. Sie wollen und können die Situation und die Ungewissheit nicht länger hinnehmen und fordern Sofortmaßnahmen. Am Dienstag sendeten sie als Initiative Gastronomie und Hotellerie Deutschland einen offenen Brief an die Stadt Hamburg. Der Betreff: Der Corona-Virus, COVID-19. Die Botschaft:

Helft uns, eine Basis für unser Fortbestehen zu schaffen. Sonst sind wir weg.
Hamburgs Gastronomen senden einen dringenden Appell an die Landesregierung

Gastronomen senden eindringliche Botschaft

Es gibt nichts mehr schönzureden, das weiß die Branche. Die Kassen bleiben leer; und womit sie zukünftig gefüllt werden sollen, das bleibt unklar. «Die Situation ist absolut uneinschätzbar und dramatisch», sagt Burhan Schawich. Der Mitinhaber des Hamburger Lokals Underdocks weiß, wie viele andere, nicht, was auf ihn zukommen wird. In Hamburg haben nach wie vor alle Läden geöffnet, auch das Underdocks. «Zwischen den Tischen gibt es aktuell einen Abstand von 1,5 Metern», erklärt Schawich. Das bedeutet zwar 50 Prozent weniger Kapazität. Aber für die Gäste, die zurzeit kommen, reicht das allemal: 70 Prozent Umsatzeinbußen sind derzeit zu verzeichnen. «Die Löhne für den laufenden Monat können wir nicht mehr zahlen», sagt der Unternehmer.

Warum er noch geöffnet hat? «Man versucht, sich privat abzusichern», erzählt Schawich. Es geht mittlerweile darum, ob das Geld am Monatsende für den Einkauf der Lebensmittelvorräte reichen wird.

Dass die Zeit für eine Lösung langsam knapp wird, kann man auch aus dem offenen Brief lesen: «Während die Tage verstreichen, sind wir dabei, unterzugehen», heißt es in dem Schreiben. «Wir haben keine Mittel mehr zur Verfügung, um unsere Existenz aufrecht zu erhalten und fühlen uns im Stich gelassen. Gleichzeitig können wir unseren Verbindlichkeiten Mitarbeiter*innen und Lieferant*innen gegenüber nicht mehr nachkommen. Wenn ihr jetzt nicht für Klarheit und echte finanzielle Soforthilfe sorgt, war es das für die nächsten Jahre mit Hamburgs bunter Gastroszene und den vielen schönen Hotels – das sagen wir euch in aller Deutlichkeit!»

Hamburger Gastronomen für Notfall gerüstet: «Wir sind bereit»

Was die Hamburger Gastronomen derzeit am dringendsten brauchen, ist Kommunikation. «Teilweise bekommen wir Dinge über Tweets von Politikern mit», sagt Schawich. In Deutschland sieht man derzeit wenig von der sonstigen Effizienz. Was nun kommt, weiß niemand. Ideen für die schwierige Zeit gäbe es seitens der Gastronomen zu Genüge, wie aus dem schreiben hervorgeht: «Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen», heißt es dort. Und weiter:

  • Sind wir systemrelevant für die Stadt? Sollen wir den Betrieb aufrechterhalten, um eine Grundversorgung sicherzustellen? Wir sind bereit.
  • Sollen wir einen Lieferdienst für Risikogruppen hochziehen? Wir sind bereit.
  • Sollen wir einfache To-Go-Mahlzeiten für die Menschen in unseren Vierteln zur Verfügung stellen? Wir sind bereit.

Auch für den Worst Case sieht sich die Branche gerüstet: «Falls das nicht der Fall sein sollte: Schafft rechtliche Klarheit und ordnet die komplette Schließung aller gastronomischen und Hotel-Betriebe an.» Denn der endgültige Schluss fehlt in den meisten Bundesländern tatsächlich noch. Dass es früher oder später so kommen wird, das weiß auch Schawich. «Nicht weil es angekündigt wurde, aber weil der Wortlaut es erahnen lässt», sagt er. «Wir rechnen damit, dass es nächste Woche so weit ist.» Rettungsschirme sollen zwar gespannt werden, aber eine konkrete Umsetzung gibt es aktuell nicht. Viele Behörden haben geschlossen und «die Hotlines sind überlastet».

Was fordern die Gastronomen in der Corona-Krise?

Die Hamburger Gastronomen jedenfalls haben klare Forderungen an die Stadt. Was sie brauchen, um weitermachen zu können? Laut Brief Folgendes:

  • Sofortige und 100-prozentige Kostenübernahme aller Bruttogehälter (Vollzeit und Teilzeit) – denn ohne Trinkgeld reichen 60 Prozent Kurzarbeitergeld nicht aus
  • Fortzahlungen für ausgefallene Arbeitsstunden für unsere Minijobber*innen und studentischen Aushilfen
  • Steuernachlässe anstelle von Stundungen und Aufschiebungen
  • Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 01.03.2021
  • Rechtlicher Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund von Dauerschuldverhältnissen (Miet-, Leasing- und Kreditverträge)

Aber selbst wenn das alles umgesetzt wird: Burhan Schawich bleibt skeptisch. «Ich glaube nicht, dass das Geld vor nächstem Jahr bei uns ankommt», sagt er. Die Bürokratie stünde im Weg. Von seinem Bankberater weiß er, dass der an nur einem Tag nun so viel Kreditanträge bekommt wie ansonsten in einem vollen Kalenderjahr.

Underdocks, Hamburg
Mit dem Underdocks haben die Neo-Gastronomen Samet Kaplan und Burhan Schawich die Hamburger im Nichts erobert. Wie es nun angesichts der Corona-Krise weitergehen soll, weiß niemand.

Was droht der Hamburger Gastronomie?

Dass die Lage ernst ist, muss man hier wohl niemandem mehr erklären. Auch der Appell der Hamburger Gastronomen ist eindringlich:

«Bitte bedenkt: In der Gastronomie und in der Hotellerie gibt es keinen Nachholeffekt. Ein Essen, das wir heute nicht verkaufen, wird in zwei Monaten auch nicht verkauft. Wenn unsere Räumlichkeiten heute leer stehen, können in zwei Monaten nicht doppelt so viele Menschen kommen. Die Kosten aber türmen sich auf. Diese Rechnung geht nicht auf!»

Mittlerweile hat die Initiative Gastronomie & Hotellerie Deutschland eine bundesweite Petition gestartet. Die Anzahl der Unterschriften steigt derzeit im Sekundentakt. Deutschlands Gastronomen fordern Sofortmaßnahmen.

Österreich: Sofortmaßnahmen greifen bereits

Gerade in dem Land, dem so gerne ein wenig Laissez-Faire-Haltung vorgeworfen wird, geht es dagegen derzeit Schlag auf Schlag. Ein Maßnahmenpaket nach dem anderen verlässt mit allen erforderlichen Unterschriften die österreichischen Behörden. Erst am heutigen Nachmittag hat die Regierung ein neues Hilfspaket auf den Weg gebracht. 38 Milliarden Euro schwer soll es sein. Die Botschaft der Regierung ist dabei klar. Wir müssen die Wirtschaft retten, «koste es, was es wolle», sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz. Wie es nun aber in Hamburg weitergehen wird, bleibt nach wie vor ungewiss. Bis zum Mittwochnachmittag scheint es jedenfalls kein Antwortschreiben gegeben zu haben.

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