Vom Speisenträger zum Zeremonienmeister
Aufhorchen ließ der Salvador Dalì der Küche, Ferran Adriá, bei seinem Vortrag anlässlich der Madrid Fusion: „Gäste wollen nicht mehr nur essen, sondern auch etwas erleben“. Seiner Meinung nach wird in Top-Restaurants viel zu viel über die Qualität der Grundprodukte gesprochen. „Das versteht sich doch von selbst, wenn ich für ein Menü 150 Euro oder noch mehr verlange“, und scheut auch nicht den Vergleich mit der Autoindustrie: „Ein Hersteller von Luxuslimousinen erzählt ja auch nicht, was für ein tolles Material er verwendet. Er redet übers Design oder das Engineering.“ Gäste wollen eine intellektuelle uns spirituelle Erfahrung machen, zu der das Essen zwar beiträgt, aber eben nur ein Teil des Gesamtkunstwerkes ist. Schließlich sei die monotone Wiederholung von weltweit gleichartigen Luxusprodukten wie Kaviar, Trüffel oder Gänseleber weder für die Köche noch für die Gäste eine reizvolle Herausforderung. Dadurch kommt dem Servicepersonal eine neue Rolle zu, die nichts mit dem Begriff „Erlebnisgastronomie“ wie wir sie heute kennen zu tun hat, aber ein Restaurant unverwechselbar und einzigartig macht.
Da die Chefs leider viel zuwenig bei den Gästen präsent sind, muss der Kellner die Rolle des Gastgebers übernehmen. Er soll die Gäste unterhalten, den Küchenstil, die Philosophie, die Herkunft und Verarbeitung der Produkte charmant und hingebungsvoll kommunizieren, auf die jeweiligen Angebote hinweisen und aktiv verkaufen. Mit nur Bitte und Danke zu sagen, kommt man heutzutage nicht mehr sehr weit.
Aktivitäten setzen
Der erste Eindruck vom Restaurant entsteht bereits am Telefon. In den meisten Fällen wird der Anruf von einem Mitarbeiter des Servicebereichs entgegengenommen, der in diesem Fall den gesamten Betrieb repräsentiert. Er kann schon jetzt das Vertrauen zum Gast aufbauen und auf gewisse Dinge wie Brunch, Überraschungsmenüs etc. aufmerksam machen. Wenn der Gast über die Angebote und Gepflogenheiten Bescheid weiss, stellt er sich schon mit Vorfreude darauf ein und erlebt vor Ort keine negativen Überraschungen. Der freundliche Empfang, die Hilfsbereitschaft und das fachliche Können, die in diesen Gesprächen zum Ausdruck kommen, sind für die Gästegewinnung und Gästebindung bestimmend. Schlechte Gewohnheiten am Telefon, wie unverständliche Meldung, fehlende Begrüßung, unfreundliche Verabschiedung oder Orientierungslosigkeit zerstören das Gesamtbild.
Um die Gäste zu unterhalten gehört auch mehr „Action“ an den Tisch. Im El Bulli werden beispielsweise zwischen den Gerichten verschiedene Düfte zum Riechen angeboten, um den Geschmack wieder zu neutralisieren, sowie seine Geschmacksnerven zu sensibilisieren und auf den nächsten Gang einzustimmen. Auch die Kunst des Tranchierens wirkt unterhaltend auf den Gast. Sie ist uralt und schon die alten Römer ließen sich die Speisen nach dem Takt des Flötenspielers tranchieren und vorlegen. In Großbritannien ist das kunstgerechte Zerlegen von Fleisch, Geflügel und Wild seit jeher eine Fähigkeit, die jeder Gentleman unbedingt beherrschen muss und auch in echt englischen Restaurants erhält man noch „a cut from the joint“, also eine Scheibe vom Stück. Vor allem das Weinservice bietet dem Personal die Gelegenheit, seine Kompetenz und sein Können aufzuzeigen. Von der Beratung, über das Dekantieren bis hin zur richtigen Degustations-Erklärung ist hier alles möglich. Das Vinieren oder Avinieren wird beispielsweise nur sehr selten angewandt und könnte den „Mehrwert“ des Service – nicht nur im Gourmet-Tempel – erheblich steigern. Beim Avinieren wird das Glas oder die Karaffee unmittelbar vor der Verwendung sorgsam mit dem Wein ausgespüllt, um so störende Aromen wie Geschirrspülmittelreste zu beseitigen.
Diese Zelebration kostet nichts, wirkt jedoch, wenn mann den Gast in das Geschehen einbindet. Essen gehen ist nicht nur mehr Nahrungsaufnahme sondern eine Art „Wellness“ geworden. Gute „Gastgeber“ binden den Gast in das Geschehen ein. Lassen Sie Ihren Gast Teil und Star der Inszenierung werden. Der Gast wird es Ihnen nicht nur mit regelmässigen Besuchen, sondern weil er sich wohlfühlt mit mehr an Konsumation, begeisterten Empfehlungen sowie seiner Art „Danke zu sagen“, in Form von höherem Trinkgeld, danken. Aber auch die Zigarrenempfehlung und der richtige Umgang mit dieser sind Aktionen, die Gäste unterhalten und den Restaurantbesuch zu einem ganzheitlichen und unverwechselbaren Erlebnis machen. Einen besonderen Service bietet auch Simon Taxacher im Restaurant „Rosengarten“ in Kirchberg/Tirol. Für Gäste die ihre Brillen vergessen haben, steht ein Sortiment von Lesebrillen in den verschiedenen Stärken zur Verfügung.
Oder wünscht sich der Gast einen speziellen Wein, der nicht im Keller ist, wird noch, wenn möglich, am selben Tag in die Vinothek gefahren und der Wein besorgt. Spätestens am nächsten Tag aber, steht dieser Wein für den Gast zur Verfügung. Genauso verhält es sich im Rosengarten mit speziellen Speisewünschen. Das wichtigste Fundament für den Servicemitarbeiter sind aber Freundlichkeit, Professionalität und ein gewisser, an die Situation angepasster, lockerer Umgang mit den Gast.
Service-Offensive
Das Ansehen der Restaurantfachleute in der Öffentlichkeit ist nicht vergleichbar mit dem der Köche. Diese sind durch Bewertungen von Gault Millau, Michelin & Co und unter Mithilfe der Medien zu Stars geworden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Eine breite Palette von unterschiedlichen Betriebsarten und Betriebsgrößen erlaubt keine einheitliche Profilierung, das unternehmerische Denken konzentriert sich stärker auf die Küche als auf ein zeitgemäßes Konzept für Restaurant und Service und in der Aus- und Weiterbildung wird immer noch mehr Wert auf die fachtechnische Spezialisierung gelegt als auf die Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit und der Persönlichkeit. Überspitzt gesagt ist das Servierpersonal in der betrieblichen Praxis oft ein Spielball zwischen Berufsfremden, die glauben etwas vom Service zu verstehen, und denjenigen Fachleuten, die noch an längst Überholtem festhalten.
Um den Stellenwert des Service zu heben, hat die Beste Österreichische Gastlichkeit (BÖG) die Service-Offensive „Bester österreichischer Gastgeber“ ins Leben gerufen. Der BÖG-Geschäftsführer Christian Bayr dazu: „Wir haben analysiert, was einen guten Servicemitarbeiter ausmacht. Die Offensive und der Contest sollen dazu dienen, die Gäste für das hohe Anforderungsprofil an das Servicepersonal zu sensibilisieren und das Image des ‚Kellnerberufes‘ steigern.“ Das Anforderungsprofil des optimalen Gastgebers wurde in einem Bewertungsbogen mit Kernkompetenzen, die in fachliche und persönliche Eigenschaften unterteilt sind, aufgearbeitet. Auf dem Bewertungsbogen führt der Mitarbeiter zuerst eine Selbsteinschätzung durch, danach wird die Beurteilung durch den Vorgesetzten durchgeführt. Sinn dieser Doppelbeurteilung ist das Erfassen und die Einschätzung des Könnens aus zwei Gesichtspunkten. Durch den Selbsttest und der Mitarbeiterbewertung können evtl. Defizite festgestellt und mit gezielten Schulungen ausgemerzt werden.
Anhand einer Formel wird danach die Gesamtpunktezahl errechnet, die zur Prämierung in Bronze, Silber oder Gold führt. Wer mindestens 85 Prozent der maximalen Punkte erreicht hat, wird zu einer Vorausscheidung eingeladen, in welcher alle abgefragten Fähigkeiten live getestet werden. Erreichen diese Mitarbeiter wieder 85 Prozent erhalten sie die Auszeichnung in Gold. Die sechs Besten werden mit „Diamant“ ausgezeichnet und zum großen Finale des „Besten österreichischen Gastgebers 2007“ eingeladen, welcher im September, anlässlich der Fachmesse „Gastronomia“, in Graz stattfindet. Alle „goldenen“ und „diamantenen“ Gastgeber werden darüberhinaus im großen Serviceguide, den die BÖG gemeinsam mit Rolling Pin – Jobs & Business herausbringt, veröffentlicht. Der Guide enhält weiters die besten Tipps um ihre Gäste zu verzaubern und zum „Service-Copperfield“ zu werden, sowie alle interessanten Aus-und Weiterbildungsangebote, von Kaffee-, Wein- und Käseseminaren bis hin zur Mitarbeiterführung und Reklamationsmanagement. Heinz Hanner, vom Hotel & Restaurant Hanner, dazu: „Durch die Qualifizierungsmaßnahmen und den Contest soll jungen Menschen Lust am Beruf des Restaurantfachmanns/-frau gemacht werden, der Beruf ein höheres Image bekommen und Anerkennung für die Leistungen der Top-Mitarbeiter sein. Der Contest soll sozusagen zum ‚Bocuse d´Or der Restaurantfachleute‘ werden.“ Infos und Anmeldungen unter www.kulinarisches-oesterreich.at oder Tel.: +43 (0)1-5454409.
Speisekarten unterhalten
Auch die Speisekarte ist ein wichtiges Instrument um den Gast zu unterhalten, informieren und zu verkaufen. Eine gute gestaltete Speise- und Getränkekarte vermittelt nicht nur alle notwendigen Informationen über das Gericht oder Getränk sondern erklärt auch die Geschichte und Philosophie des Unternehmens. Sie dient dem Servicepersonal als Unterstützung, um die Botschaft des Betriebes an den Gast zu bringen. Der enorme Reiz, der von Speisekarten ausgeht, ist ihre kunstvolle Gestaltung. Für die Außengestaltung sollte immer ein Grafikdesigner zu Rate gezogen werden. Nichts ist schlimmer als eine Speisekarte, der man auf den ersten Blick ansieht, dass sie der Junior des Restaurantbesitzers auf dem hauseigenen Computer entworfen hat. Mittlerweile sind einige Speisekarten sogar zu einem Kunstobjekt geworden, das in jedem Jahr von einem anderen Künstler gestaltet wird. „Da man bekanntlich auch mit den Augen isst, ist die Optik der Speisekarte ein unerlässliches Marketinginstrument, denn die Karte animiert und der Gast konsumiert“, meint dazu der Speisenkarten-Profi Hermann Schlattner von GastroTopCard. Seine Firma verfügt über ein riesiges Repertoire aus verschiedenen Materialien und Farben, damit alle Wünsche, und sind sich noch so ausgefallen, erfüllt werden können. Somit fällt es dem Gastronomen sicher nicht schwer seine „eigene“ Karte zu finden und sich damit ein Corporate Identity zu schaffen.
Aus Sicht des Betreibers müssen Speisekarten das Angebot verkaufen. Das können sie aber nur, wenn keine ungenauen oder unvollständigen Angaben gemacht werden. Es soll eine Beziehung zwischen dem Marketingkonzept und dem Angebot vorhanden sein. Also keine asiatischen Gerichte in einem italienischen Restaurant. Für die innere Form ist festzuhalten, dass grundsätzlich für Karten dieselben Regeln gelten, wie für alle Medien, mit denen etwas verkauft werden soll. Die vielzitierte Lesekurve (von links oben nach rechts unten) ist ausgebildeten Layoutern schon ins Blut übergegangen. Sie wissen welche Gestaltungselemente eingesetzt werden müssen, um den Gast über die Seite zu den entsprechenden Produkten zu leiten. Deshalb immer Profis zu Rate ziehen, denn mit einer nicht durchdachten Karte richtet man weit mehr Schaden als Nutzen an. Eine gute Speisekarten-Seite sieht deshalb nicht einfach nur nett und gefällig aus, sondern hilft dem Gast sich schnell und zielsicher über das Angebot zu informieren und damit auch dem Betreiber, seine Produkte zu verkaufen. Über die formalen Inhalte hinaus lohnt es sich, die angebotenen Speisen und Getränke ausführlicher zu beschreiben. Erzählen Sie „Ihre Story“.
Woher kommt das Fleisch? Wie und wo wurde der Käse hergestellt? Wie lange gibt es den Bauern schon, bei welchem Sie Ihre Waren beziehen? Diese Informationen machen den Leser neugierig und motivieren ihn dazu das Gericht zu bestellen. Auch sollte die Karte etwas über den Betrieb und seine Philosophie aussagen und bietet man darüber hinaus seinen Kunden noch weitere Texte an, dann beginnt das Erlebnis „Gastronomie“ bereits beim Lesen der Speisekarte. Ein Erlebnis ist auch die neue Serie „Amadeus“ für die Top-Gastronomie der Firma UHL. Das ist eine Systemkarte, der man es aber nicht ansieht und die es auf sehr praktikable Art ermöglicht, die Einlagen zu tauschen. Überhaupt ist die Firma UHL bei der Forschung und Entwicklung bei Materialien und Produkten am Puls der Zeit und unterstützt in partnerschaftlicher Zusammenarbeit ihre Kunden bei der Gestaltung ihrer Karten und deren Umsetzung. Vertrieb und Serviceleistung haben auf der ganzen Welt den gleich hohen Standard.
Schwerwiegende Fehler
Zu den häufigsten Fehlern gehören einfallslose Standardmappen aus Plastik oder billigem Kunstleder, die mit dem Betrieb überhaupt nichts zu tun haben und weder zur Einrichtung noch zum Ambiente passen. Darin befinden sich meistens lieblos zusammenkopierte Papierbögen in abgegriffenen Plastikhüllen. Preislisten sind für den Gast einfach nur lieblos aussehend und für den Betreiber wirklich schädlich. Wenn die Preise nur so aufgereiht sind, wird der Gast regelrecht dazu gezwungen, sich am Preis anstatt der Ware zu orientieren.
Es gibt gute Gründe, warum die Speisekarte und nicht eine Preisliste gereicht wird. Karten mit über 20 Seiten oder über 100 Produkten kann der Gast nicht überblicken und mehr kann so auch nicht verkauft werden, denn Quantität ging noch nie mit Qualität zusammen. Viele Betreiber meinen Kosten sparen zu können, indem neue Preise in alte Karten eingetragen werden. Nachträgliche, handschriftliche Änderungen an der gedruckten Karte, Korrekturflüssigkeit oder kleine weiße Aufkleber – all das deutet auf Unaufmerksamkeit und Sparsamkeit am falschen Platz hin.
Wahrscheinlich geht der Betreiber nicht nur mit seiner Karte so lieblos um… Aber der bei weitem schwerste Fehler ist immer wieder die ungenutzte Gelegenheit, denn die Speisekarte ist die Visitenkarte des Betriebes. Und wenn bei der Umsetzung von Speisekarten gepfuscht wird, schadet dies dem Betrieb mehr, als man im ersten Moment vermuten möchte. Weitere Tipps und Anregungen gibt es auf www.speisekarten-seite.de. Welche Be-grüßung, welche Aufmerksamkeit, welches Service und welche Karte hätten Sie gerne als Gast?