Dosenfutter oder Luxus-Kügelchen?
Fotos: Shutterstock, ZwyerCaviar, Bean&Beluga
Grundsatzfrage: Braucht die Welt wirklich salzige Fischeier? Antwort: nicht zwingend. Aber weil es eben so wenig davon gibt, will jeder feine Gaumen dieser Erde den unbefruchteten Laich des Störs haben und ist auch bereit, jede Menge Geld dafür zu bezahlen. Zumindest war das so, bis der Wildkaviarbestand in den Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres, Iran, Russland, Aserbaidschan, Kasachstan und Turkmenistan, so drastisch dezimiert war, dass die Artenschutzbehörde den Export von Wildkaviar 2006 gänzlich untersagte. Seit Kurzem dürfen pro Jahr aus diesen Staaten wieder exakt 3,7 Tonnen Beluga-Kaviar, das Luxus-Ei schlechthin, ausgeführt und am Weltmarkt gehandelt werden.
Selbstredend, dass der Handel mit illegalem Kaviar noch nie…
Fotos: Shutterstock, ZwyerCaviar, Bean&Beluga
Grundsatzfrage: Braucht die Welt wirklich salzige Fischeier? Antwort: nicht zwingend. Aber weil es eben so wenig davon gibt, will jeder feine Gaumen dieser Erde den unbefruchteten Laich des Störs haben und ist auch bereit, jede Menge Geld dafür zu bezahlen. Zumindest war das so, bis der Wildkaviarbestand in den Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres, Iran, Russland, Aserbaidschan, Kasachstan und Turkmenistan, so drastisch dezimiert war, dass die Artenschutzbehörde den Export von Wildkaviar 2006 gänzlich untersagte. Seit Kurzem dürfen pro Jahr aus diesen Staaten wieder exakt 3,7 Tonnen Beluga-Kaviar, das Luxus-Ei schlechthin, ausgeführt und am Weltmarkt gehandelt werden.
Selbstredend, dass der Handel mit illegalem Kaviar noch nie so einträglich war, gut 15 Tonnen Schmuggelware stellten die Behören in den letzten fünf Jahren sicher. Selbstredend auch, dass eine Feinschmecker-Welt ohne Kaviar einfach undenkbar ist – und deshalb gebieten Zuchtbetriebe von Dubai bis Frankreich der Wildfang-Misere mit verhältnismäßig kostengünstigem, mittlerweile in puncto Qualität aber auch immer hochwertigerem Kaviar aus Aquakulturen Einhalt. Das bestätigt auch Frank Brömmelhaus, Geschäftsführer von Caviar House & Prunier, dem größten Kaviarhersteller der Welt und Lieblingslieferant der deutschen Sternegastronomie. „Die Qualität von Zuchtkaviar war lange Zeit wirklich indiskutabel, der Kaviar schmeckte modrig und fischig“, erklärt er. „Aber das hat sich geändert. Auch wir führen heute nur noch Kaviar aus unseren eigenen Zuchtbetrieben in Frankreich.“ Rund sechs Tonnen hochwertigen Zuchtkaviars produziert Prunier mittlerweile und wie in so vielen anderen Kaviarzuchten ist auch bei Prunier der unangefochtene Star im Fisch-Freibad nicht gerade eine Schönheit vor dem Herrn.
Acipenser Baerii produziert nämlich Glamour-Eier, von einem Luxus-Körper kann man bei ihm aber nicht unbedingt sprechen. Eher von der dicklichen Sorte ist der Sibirische Stör, leicht gefranste Bartfäden und eine asymmetrische Schwanzflosse kennzeichnen den beliebtesten globalen Zuchtfisch. Gegenüber seinen Verwandten, insbesondere dem begehrten Beluga, hat er einige entscheidende Vorteile zu bieten. Allen voran: Er wächst schneller und frisst seinesgleichen nicht auf – was man vom ausgeprägt räuberisch veranlagten Beluga nicht behaupten kann. Beluga-Weibchen sind darüber hinaus erst mit frühestens zehn Jahren bereit für ihren ersten Laich. Zwar finden sich in den globalen Zuchtbecken neben dem Sibirischen, dem Ossietra- und dem Adria-Stör auch Beluga-Störe, Beluga-Zuchtkaviar ist aber wohl auch in Zukunft eher die Ausnahme.
Nachhaltigkeit als Qualitätsmerkmal
Wer sichergehen will, dass er es auch wirklich mit hochwertigem Zucht-Dosenfutter zu tun hat, kommt an Kaviar aus naturnahen Öko-Zuchtbetrieben wie jenen von ZwyerCaviar in Uruguay oder Per Sé-Kaviar in Spanien nicht vorbei. Denn in Indoor-Becken mit Filteranlagen anstelle von Frischwasser-Zuläufen und konstant gehaltener Wassertemperatur werden die Wanderfische zu Becken-Potatoes. Sie müssen sich nicht, so wie Mutter Natur ihnen das vorgegeben hat, anstrengen, um schwankende Wassertemperaturen und Witterungsverhältnisse auszugleichen. Ergebnis: Die Weibchen verfetten und müssen sehr lange in Kaltwasser-Hälterbecken auf Diät gesetzt werden, um keinen modrig schmeckenden Rogen zu produzieren. Ein weiteres wesentliches Merkmal qualitativ hochwertiger Zucht ist die Art und Weise, wie der Rogen entnommen wird. Die Aufgeschnitten-und-zugenäht-Methode ist heute als nicht artgerecht verpönt und teilweise verboten.
Der große Stress, dem die Tiere bei der Entnahme ohne Tötung ausgesetzt sind, setzt außerdem ein übel schmeckendes Hormon frei. Wenn also Zuchtkaviar, dann nur von mit Nelkenöl betäubten und dann rasch getöteten Fischen. Denn auch wenn Sie sich selbst nicht unbedingt zu den Gutmenschen zählen: Über Qualität lässt sich auch beim Zuchtkaviar nicht streiten.
Die Big Player im Export von Zucht Kaviar
01 FRAKREICH
Kein anderes europäisches Land exportiert mehr Zuchtkaviar – und die Qualitäten können sich sehen lassen. Die meisten Outdoor-Becken mit Frischwasserzufluss befinden sich in Südwestfrankreich. Der Biggest Player unter den französischen Produzenten ist Prunier mit sechs Tonnen Baerii-Kaviar pro Jahr.
02 NORDITALIEN
Aus den Zuchten in der Lombardei und rund um Brescia machen sich jährlich etwa 18 Tonnen Zuchtkaviar auf den Weg in die weite Welt. Spitzenreiter im Luxus-Segment ist Calvisius, spezialisiert auf die Zucht von weißem Stör, der zehn Tonnen pro Jahr produziert.
03 USA
In Kalifornien und dem Mississippi-Delta wird vorwiegend Löffelstör, Beluga-Hybrid und weißer amerikanischer Stör in Outdoor-Kreislaufanlagen gezüchtet. Wolfgang Puck, Grant Achatz & Co. setzen auf Ami-Kaviar aus dem Hause Tsar Nicoulai, der organisch in Kalifornien produziert wird.
04 SPANIEN
In Spanien wird in Outdoor-Anlagen vorwiegend Adria-Stör gezüchtet, die größten Produktionsbetriebe befinden sich in Sierra Nevada. Spanische Spitzenköche wie Ferran Adrià & Co. schwören auf Per Sé-Kaviar der Riofrio-Frischwasserzucht aus Grenada.
05 URUGUAY
Das Klima ist günstig und das Rio-Negro-Delta eignet sich hervorragend für Zuchtanlagen mit Frischwasser, das direkt aus dem Fluss abgezweigt wird. Zu den Top-Playern Uruguays zählt ZwyerCaviar, der in Kooperation mit Esturiones del Rio Negro etwa fünf Tonnen Kaviar pro Jahr produziert.
06 ARABISCHE WELT & ISRAEL
Noch gelangen aus dem arabischen Raum etwa fünf Tonnen Zuchtkaviar pro Jahr auf den Markt. Das wird sich aber bald ändern, denn in Abu Dhabi steht die größte Indoor-Zuchtkaviar-Anlage der Welt. Dahinter stehen Technologie aus Deutschland und Geld aus den Emiranten. Die Royal Caviar Company plant, 35 Tonnen Zuchtkaviar in der Wüste zu produzieren. Im Kibbuz Dan in Israel werden hingegen jährlich drei Tonnen des angeblich besten Frischwasser-Zuchtkaviars der Welt hergestellt, vertrieben unter dem Namen Karat. Unter orthodoxen Juden gilt Kaviar übrigens als nicht koscher, in Israel darf er deshalb nicht verzehrt werden.
07 DEUTSCHLAND
Deutscher Zuchtkaviar zählt nicht unbedingt zur begehrtesten Ware am Kaviar-Markt. Indoor-Kreislaufanlagen sind am weitesten verbreitet, zu den größten Produzenten zählt die Firma Desietra mit Produktionsanlagen in Hessen.
Edles Kaviar Triumvirat
Sibirischer Stör
Diese Art, auch Acipenser baerii genannt, ist von allen Störarten am besten zur Zucht geeignet. Die Gründe dafür: Der Baerii ist als Einziger ein reiner Süßwasserfisch. Er erreicht weit früher Geschlechtsreife und wirft dabei große Mengen Kaviar ab. Baerii-Kaviar schmeckt besonders mild und weniger nussig als der des Ossietras. Sein Korn hat eine Größe von etwa zwei Millimeter Durchmesser.
Ossietra
Man erkennt ihn sofort an seinem charakteristischen gelben Dosendeckel. Der Ossietra-Stör wird auch Russischer Stör genannt und kann bis zu einer Körperlänge von drei Metern heranwachsen. Sein Kaviar steht dem des Belugas in puncto Qualität kaum nach. Geschmacklich unterscheidet er sich aufgrund seiner markanten Würze sowie der Festigkeit des Korns, das meist eine Größe von zwei bis 2,5 Millimetern hat.
Beluga
Mit seiner Körperlänge von bis zu fünf Metern einer der größten Süßwasserfische überhaupt. Der Kaviar des Raubfischs ist der begehrteste von allen. Die Argumente, die ihn dazu machen: großes Korn von bis zu 3,5 Millimeter Durchmesser sowie der elegant-sahnige Geschmack.
Stefan Hermann
Der ehemalige Mitstreiter Harald Wohlfahrts und Joachim Wisslers betreibt in dresden das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant Bean&Beluga. Er zieht wildfang-Kaviar zuchtprodukten klar vor.
www.bean-and-beluga.de
Ihr Restaurant heißt zwar Bean&Beluga, Beluga-Kaviar landet dort allerdings nicht auf den Tellern …
Stefan Hermann: Nein, denn Wildfang-Beluga ist ohne-hin nicht erhältlich und ich kann darauf auch gut verzichten. Ich arbeite grundsätzlich mit besten Wildfang-Qualitäten von Oscietra-Imperial-Kaviar aus dem Iran. In puncto Körnung und Geschmack ist er anderen Sorten meiner Meinung nach überlegen.
Zuchtkaviar ist mittlerweile qualitativ sehr hochwertig, die meisten Sterneköche arbeiten damit. Warum setzen Sie trotzdem auf Wildfang-Kaviar?
Hermann: Das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks und der Einstellung, die man einem Produkt gegenüber hat. Wenn man schon mit einem so edlen Produkt arbeiten will, sollte man meiner Ansicht nach auch die beste Qualität verwenden. Natürlich ist Wildfang-Kaviar aus dem Iran sehr teuer, aber wenn die Fangquoten nicht gerade ausgeschöpft sind und ich auf iranischen Zuchtkaviar zurückgreifen muss, ist Wildfang für mich die erste Wahl.
Wissen die Gäste von heute die geschmacklichen Qualitäten von Wildfang-Kaviar überhaupt zu schätzen?
Hermann: Nur sehr wenige Gäste kennen die feinen geschmacklichen Unterschiede zwischen den einzelnen Sorten und Qualitäten. Und für viele Menschen ist heute ein iPhone 5 wichtiger als ein gutes Stück Fleisch oder ein wirklich hochwertiger Kaviar. Aber Lebensmittelsskandalen & Co. sei Dank ändert sich das langsam, die Menschen werden sensibler und beschäftigen sich intensiver mit den Produkten. Und sind damit auch bereit, mehr Geld auszugeben, auch und vor allem im Restaurant.
Mit welchem Kaviar-Gericht kann man Sie glücklich machen?
Hermann: Ich mag Kaviar am liebsten mit möglichst wenig Chi-Chi drumherum. Nature, mit Crème fraîche, Schnittlauch und vielleicht ein Kartoffelrösti dazu. Das ist perfekt.
Gib dir die Kugel!
Wie wird aus einem unscheinbaren Fischei edler Kaviar? Ein Überblick über den kosten- und zeitintensiven Prozess der Zuchtkaviar-Gewinnung.
Weltenbummler
Das genetische Erbmaterial für die Störaufzucht stammt idealerweise aus Zuchtbetrieben aus den Herkunftsländern am Kaspischen Meer. Die fertilisierten Stör-eier werden in den Zuchtbetrieben ausgebrütet und teilweise neu gekreuzt, um eine gute Erbmaterial-Durchmischung zu gewährleisten. Nach etwa sechs Tagen schlüpfen dann die Larven.
Gute Kinderstube
Bei ihrer Geburt kaum länger als zwölf Millimeter, werden die frisch geschlüpften Störe, genannt Fingerlinge, in Süßwassertanks aufgezogen, bis sie im Alter von vier bis sechs Monaten in Naturbecken verlegt werden. Etwa alle sechs Monate werden die Störe abgefischt, vermessen, gewogen und in anderen Teichen oder Becken wieder ausgesetzt.
Geschlechtertrennung
Nach etwa zwei Jahren wird das Geschlecht der Störe mittels Ultraschall festgestellt, Männchen und Weibchen werden voneinander getrennt. Während die Männchen ab diesem Zeitpunkt einer Zukunft als Fischfilet entgegenblicken, dürfen die Weibchen noch etwa fünf Jahre weiterwachsen – je nach Zuchtform in Frischwasser– oder Kreislaufanlagen.
Girls, Girls, Girls!
Ab nun ist Kaviarproduktion reine Frauensache. Die Weibchen werden regelmäßig aus den Becken oder Teichen abgefischt, gewogen und vermessen. In Zuchten mit konstant gehaltener Wassertemperatur um die 20 Grad erreichen die Fische ihre Geschlechtsreife bereits mit fünf Jahren, in Frischwasserzuchten erst mit sieben oder acht Jahren.
Die Reifeprüfung
Ob die Fischeier bereits reif zur Abnahme sind, kann mittels Ultraschall oder Biopsie festgestellt werden. Bis zu zwei Millionen Eier – das sind rund zwölf Prozent des gesamten Körpergewichtes – tragen die Weibchen in sich. Sind die Eier reif, werden die Stördamen abgesondert, in eigene Becken verlegt und treten dort in ihre letzte Lebensphase ein …
Qualitätskur
… in der sie erst mal auf Diät gesetzt werden. Die letzten Wochen vor dem Schlachten verbringen die Fische mit wenig Futter im sehr kühlen Wasser in eigens angelegten Hälterbecken. Dies dient der Entschlackung und beeinflusst auch den Geschmack des Kaviars, der ohne diesen Prozess einen unerwünschten, muffigen Geschmack erhält.
Erntezeit
In naturnahen Zuchtbetrieben werden die Tiere im Frühjahr und Herbst geschlachtet – im Fachjargon wird dieser Vorgang auch als „Ausheben“ des Rogens bezeichnet. Die Methode, den Weibchen in betäubtem Zustand den Rogen zu entnehmen und die Wunde danach wieder zu vernähen, ist mittlerweile verpönt und in der EU verboten.
Veredelung
Nach der Entnahme werden die Eier durch ein grobmaschiges Sieb gestrichen, von Geweberesten befreit und gewaschen. Nach einer Einstufung der Qualität – in der Regel gibt es zwei Stufen – veredelt der Kaviarmeister den Rogen mit Salz. Zwischen 2,8 und vier Prozent werden zugesetzt. Danach wird der Kaviar in Dosen mit Stülpdeckel verpackt.