Convenience zwischen Gut und Böse
Quelle: HandelsMagazin, Nielsen / © Statista 2013
Das Stigma des Bösen, der zerteilten, portionierten und teilweise garfertigen Produkte lässt sich auch heute noch nicht ganz vom Tisch fegen. Aber es ist schlichtweg falsch. Convenience kann ein berechtigter Helfer in der Küche sein, solange er Handlanger bleibt und nicht zum allein verantwortlichen Geschmacksträger wird.
Ein klares Jein für Convenience. Dafür brechen wir eine Lanze und legen unsere Hand ins Feuer. Denn die Bequemlichkeitsprodukte an sich sind nicht verwerflich oder schlecht. Aber auch nicht gut – und hier sprechen wir nicht von der Qualität der einzelnen Waren, wohlgemerkt. Bereits bearbeitete Produkte zu verteufeln, macht nämlich ähnlich viel Sinn, wie sie in den Himmel zu loben. Es ist wie mit einem Stück Holz: Der eine macht ein schönes Feuerchen damit, das alle erfreut, und der andere benutzt es, um jemanden damit eine reinzuhauen. Eine panieren, wie die Österreicher so schön sagen, und…
Quelle: HandelsMagazin, Nielsen / © Statista 2013
Das Stigma des Bösen, der zerteilten, portionierten und teilweise garfertigen Produkte lässt sich auch heute noch nicht ganz vom Tisch fegen. Aber es ist schlichtweg falsch. Convenience kann ein berechtigter Helfer in der Küche sein, solange er Handlanger bleibt und nicht zum allein verantwortlichen Geschmacksträger wird.
Ein klares Jein für Convenience. Dafür brechen wir eine Lanze und legen unsere Hand ins Feuer. Denn die Bequemlichkeitsprodukte an sich sind nicht verwerflich oder schlecht. Aber auch nicht gut – und hier sprechen wir nicht von der Qualität der einzelnen Waren, wohlgemerkt. Bereits bearbeitete Produkte zu verteufeln, macht nämlich ähnlich viel Sinn, wie sie in den Himmel zu loben. Es ist wie mit einem Stück Holz: Der eine macht ein schönes Feuerchen damit, das alle erfreut, und der andere benutzt es, um jemanden damit eine reinzuhauen. Eine panieren, wie die Österreicher so schön sagen, und schon sind wir in medias res: Vorpanierte Schnitzel haben in der gehobenen Gastronomie nichts verloren, Pralinenhohlkörper hingegen sehr viel.
Das bedeutet nun aber nicht, dass verarbeitungsfertige Produkte die bösen sind. Denn Fruchtsaucen können beispielsweise direkt auf den Teller. Und wer behauptet, dass Heiko Antoniewicz’ Sous-vide-Linie „Sous Vide 56°“, die verpackten Vakuumbeutel für den schnellen Gebrauch, den Geschmacks- und Qualitätsstandards der guten bis besseren Küche nicht standhalten, hat sie noch nicht probiert. Problematisch wird es allerdings – und da sind wir nun im Graubereich hässlich bis böse angelangt –, wenn man sich mit falschen Federn schmücken möchte und trotz Großwaren-Lieferung an Nudeln auf die Karte schreibt: „Handgemachte Pasta“. Das ist zwar erlaubt, denn die Pasta in irgendeiner Firma von irgendjemandem von Hand gemacht worden ist.
Dies lässt den Konsumenten aber im Glauben, die Nudeln wären in der Küche des Restaurants gemacht worden. Wenn dem so ist, können Sie auf die Karte „Hausgemacht“ schreiben. Ein kleiner feiner Unterschied mit maximaler Auswirkung. Und denken wir mal an die Tiefkühlware: Ohne diese Convenience-Gruppe hätten viele Gastronomen ein großes Problem. Beispiel Gemüse: Klar mögen wir den kleinen Bauern vom Feld gegenüber. Aber kann er die Mengen liefern, die benötigt werden und das in der Zeit, in der sie gebraucht werden? Nein. Selbst Neo-Zwei-Sterne-Koch Karlheinz Hauser merkt an, dass Gäste oft nach Obst und Gemüse verlangen, das gerade keine Saison hat. Woher nehmen, wenn nicht aus dem Tiefkühlschrank. Und überlegen Sie mal, wo Sie das letzte Mal Ihre Meeresfrüchte und Langustenschwänze hervorgeholt haben.Es ist natürlich eine philosophische Frage, ob man Convenience-Produkte verwendet.
Fakt ist, dass es gänzlich ohne schwer ist, kostendeckend zu arbeiten. Alleine die Personalkosten stiegen ins Unermessliche. Kaum ein Betrieb kann es sich leisten, eine Person den ganzen Tag Kartoffeln schälen oder Erbsen pulen zu lassen. Zugeben will das freilich keiner. Teils auch, weil den meisten gar nicht klar ist, mit wie vielen Convenience-Produkten sie eigentlich arbeiten. Butter und Zucker zählen nämlich streng genommen zu der höchsten Stufe der Convenience-Aufschlüsselung. Sofort servierbereit. Um ein wenig Licht in das Dunkel zu bringen, zeigen wir auf den folgenden Seiten, welche Covenience-Produkte zu den guten, den schlechten und den hässlichen gehören. Und Sie entscheiden selbst, ob Sie Feuer machen wollen oder Ihre Gäste lieber einpanieren.
Produktklassen
Gemüse
Frisch vom Feld ist nicht immer drin. Doch hier bietet sofort
verarbeitungsfähige Tiefkühlware, die direkt nach der Ernte
in der Hauptsaison schockgefrostet wurde, eine passable
Alternative. Preis-Leistung ist gegeben und die Ware verfügt
teilweise sogar über einen höheren Vitamin-Anteil als frische
Produkte, die bereits einige Tage im Kühlhaus lagern. Zudem
kann man so – ohne Verlust an Qualität – die Nachfrage nach
saisonfernem Gemüse bedienen.
Fleisch
Ein heikles Thema. Allerdings beginnt die Convenience bereits
bei portionierten Fleischstücken wie etwa dem vorgeschnittenen
Gulaschfleisch. Diese Produkte haben zwar bereits einen
Verarbeitungsgang hinter sich, gehen aber als Frischware durch.
Problematisch wird es beim beispielhaften vorpanierten Schnitzel.
Das Schnitzel-Fleisch als solches vorportioniert und geklopft zu
kaufen, ja. Alle weiteren Convenience-Schritte sollen aber
vermieden werden, da diese leicht selbst zu bewerkstelligen
sind.
Pasteten, Wurst und Co. zählen auch zu Fleisch-Convenience
und sind im Rahmen, und wenn nicht als In-House-Produkte
gekennzeichnet, vertretbar. Und wer räuchert schon seinen
eigenen Speck? Lieber beim Bauern des Vertrauens kaufen
und dann als regionale Spezialität anpreisen.
Saucen
Tüte auf, einmal drücken und fertig? Das ist in der
Spitzengastronomie bei Tomatenmark nicht nur erlaubt,
sondern alles andere wäre dumm. Wer hier nicht zu dem fertigen
Convenience-produkt greift, der wirft Geld zum Fenster hinaus.
Die eigene Herstellung sprengt Personal- und Materialkosten.
Anders sieht es bei Fertigprodukten wie Sauce hollandaise aus.
Wer hier nur das Päckchen aufschneidet, ohne auch nur
ansatzweise das Produkt zu veredeln, betreibt Schindluder am
Gast. Fruchtpürees hingegen entsprechen meist dem gewohnten
Standard und zählen zu den Guten.
Eier
Aus einem Ei lässt sich allerhand anstellen. Daher gibt es von
getrennten Eidottern über Eirollen bis hin zu fertigem Rührei alles
zu bekommen. Wer sich allerdings Koch nennen möchte, der bleibt
bei einem Produkt und das ist das Ei selbst. Wer zu wenig Manpower
hat, dem seien gekochte und geschälte Eier auch verziehen. Aber auch
für große Mengen, sprich für Frühstücksbuffets, ist Eipulver, das mit
Wasser angerührt wird, keine Alternative.
Suppen
Willkommen in der Glutamat-Hölle. Brühwürfel sind das vielzitierte
Convenience-Produkt schlechthin und zudem auch wirklich schlecht.
Wer schon zu diesen Pülverchen greifen muss, kann mittlerweile zu
passablen Alternativen wechseln: Viele Unternehmen bieten Suppen
ohne Glutamat, gehärtete Fette, Laktose, Hauptallergene und spezielle
Produkte für ovo-lacto-vegetabile Diäten an.
Fisch
Captain Iglo ist – wenn überhaupt – etwas für die heimische Küche.
Hier gilt, gleich wie bei Fleisch, vorportioniert und auch tiefgefroren
ist absolut in Ordnung. Den hohen Verderblichkeitsgrad der Ware
kann man so auch minimieren. Trotz Regionalismus sind Klassiker
wie Jakobsmuscheln als Convenienceprodukt in Österreich durchaus
gängig – in diesem Fall gilt es aber, den Anbieter beziehungsweise
Produzenten genau zu scannen, bevor man die Ware ordert. Diese
Regel ist bei bereits ausgebrochenem Seefood genauso wie bei Krebsen
aus der Umgebung anzuwenden.
Meeresfrucht-Cocktail dann aber dennoch nicht als tiefgekühlte
Überraschungstüte kaufen, sondern die Zutaten separat beisteuern.
Eis
Ein Bananensplit und die Heiße Liebe – Klassiker. Das Vanilleeis
dazu stammt in 80 Prozent der Fälle aus dem Plasikkübel. Was
auch nicht weiter verwerflich ist. Viele Köche haben die Maschinen
nicht, die es braucht, um anständiges Cremeeis zu produzieren,
und oft fehlt es auch am Know-how. Spezielle Sorten sollte man
sich dann aber lieber selbst brauen oder mit der Gelateria des
Vertrauens in Kooperation gehen. Dann lieben Sie auch die Gäste.
Desert
Der süße Höhepunkt eines Menüs – und ein großer Teil der
Convenience-Produkte. Vor allem für den Cateringbereich sind
vorgefertigte Waren ein Kassenschlager und der Mangel an
Pâtissiers macht sich hier auch bemerkbar. In der
Spitzengastronomie wird in puncto Pralinenhohlkörper auf
Convenience zurückgegriffen. Die maschinelle Präzision
sowie die immense Zeitersparnis machen diese Produkte
zu Basiselementen. Würde man bei einer Praline in Selbst-
herstellung den Hohlkörper auch noch produzieren
müssen, steigt der Preis durch die Personalkosten von
0,30 Cent auf 3 Euro pro Stück. Und das ist gesalzen und
nicht mehr zuckersüß …
Teigwaren
Eine italienische Trattoria wird sich hüten, Teigwaren vom
Großhändler zu verwenden. Für die breite Masse gilt: Die
Herstellung eigener Nudeln ist zeitaufwendig und der
Einsatz gekaufter Teigwaren keinesfalls verwerflich.
Wer allerdings das Produkt dann als seines ausgibt,
macht sich die Finger schmutzig.
Backwaren
Ein frisches Brötchen aus dem Frühstückskörberl oder
eingedeckt beim schönen Dinner im Sternerestaurant.
Im ersten Fall ist es durchaus legitim, auf die maschinell
produzierte Ware zurückzugreifen, da diese in den letzten
Jahren sehr an Qualität zugelegt hat. Zudem kann man
hier auf etwaige Allergien und Diätwünsche eingehen, indem
man ein breites Sortiment anbietet.
Beim abendlichen Dinner und als ersten Bissen, den ein Gast
in einem Restaurant zu sich nimmt, sollte man entweder darauf
verzichten oder sich selbst in die Küche stellen. Und nein:
Brotbackmischungen gelten auch hier nicht als konforme
Lösung.
Obst
Obst küchenfertig zu kaufen, ist kein Delikt. Schließlich werden
Heidelbeeren ja auch nicht mit Blättern und Strunk verkauft. In den
Ohren des Gastronomen soll es allerdings kräftig läuten, wenn er
zu fertig zusammengemischtem Fruchtsalat inklusive viel zu süßer
Einlegesauce greifen möchte. Stopp. Geht nicht. Tiefkühlware ist bei
Obst ebenso erlaubt wie bei Gemüse, solange der Gast noch nicht
dazu erzogen ist, dass es Erdbeeren im Winter nicht geben sollte.
Facts
Was man über Convenience wissen sollte und sich nicht traut zu fragen …
1. Was bedeutet Convenience Food?
Es bedeutet genau das, was es ist: bequemes Essen. Oder im Falle der Gastronomie einfach Arbeitserleichterung. Erleichterung wohlgemerkt, und nicht Ersatz. Dabei handelt es sich um Lebensmittel, die bereits mindestens eine Verarbeitungsstufe hinter sich haben. Streng genommen sind also Butter, pasteurisierte Milch, raffinierter Zucker und Co. auch Convenience-Produkte.
2. Wie wird aus Frischware Convenience?
Entweder durch physikalische oder auch chemische Verfahren. Die gängigsten in der ersten Kategorie sind tiefkühlen, pasteurisieren, sterilisieren und bei den chemischen Techniken pökeln, säuern und gären.
3. In welche Segmente kann man Convenience Food unterteilen?
Abgesehen von den verschiedenen Verarbeitungsstufen gibt es drei große Bereiche. Standard-Convenience sind küchen- und aufbereitfertige Produkte wie geschälte Kartoffeln. Bei der High-Convenience handelt es sich hingegen um Waren, an denen bereits eine Rezeptleistung erbracht wurde, die fertig gegart und schnell und ohne Fachkenntnis regeneriert werden können. Zur Premium-Convenience hingegen zählt beispielsweise die Sous-vide-Linie von Heiko Antoniewicz.
4. Ist Convenience immer billiger?
Um die Wirtschaftlichkeit Selbstherstellung vs. Convenience zu berechnen, muss man folgenden Kostenvergleich für diese Parameter anstellen: 1. Erstellung von Grundrezepten für standardisierte Speisen, 2. Berechnung der Verarbeitungskosten und 3. Erfassen der Produktkosten. Dass der Geschmack eine übergeordnete Rolle spielt, muss Basis dieser Berechnung sein.
5. Welche Deklarationspflicht gilt für Convenience?
Niemand ist gezwungen, auf der Karte zu vermerken, dass das Brötchen nicht von ihm selbst ist. Sind aber deklarationspflichtige Zusatzstoffe enthalten, müssen diese angeführt werden.