Oma, bitte kommen!
Seniorenresidenz
Arschsalon oder Zum Gschupftn Ferdl. So heißen die bisherigen Erfolgsprojekte der unglaublichen Gebrüder Stitch. Und richtig: Mike Lanner und Moriz Piffl-Percevic sind zwei komplett durchgeknallte Typen, die Wien in den letzten Jahren mit ihren abgefahrenen Ideen den nachhaltigen Stempel aufgedrückt haben. Ob eben mit ihrem extrem erfolgreichen Hosentempel direkt auf der Mariahilferstraße oder dem Zum Gschupftn Ferdl, ihrem Bio-Hipster-Heurigen in der Innenstadt. Doch der wahrscheinlich charmanteste Clou ist den beiden abgedrehten Nadelschwingern bestimmt in diesem Jahr mit der Vollpension gelungen.
Mit Hannah Lux wurde letztendlich ein, laut Eigendefinition, Opferlamm ausfindig gemacht, das die Idee der Gebrüder Stitch in die Realität katapultiert hat. „Ich bin sehr naiv an die ganze Sache herangegangen. Ich selbst hatte ja zuvor gar nichts mit Gastronomie am Hut. Und nach unzähligen Überredungsversuchen habe ich mir gedacht: Na gut, ich probiere es halt einmal.“ Es war laut Lux sofort spürbar, dass da etwas Tolles, etwas Großartiges entstehen kann.
Für einen reibungslosen Ablauf braucht es ein stattliches
Arsenal an Kuchenbäckerinnen.
Paulo Grando über die Vollpension-Crew
Wenn es auch bis zur Umsetzung an einigen realitätsverweigernden Vorstellungen der Gebrüder haperte. Die ursprüngliche Idee war nämlich, die Vollpension in die Schneiderwerkstatt der Stitch-Brüder um 20.000 bis 30.000 Euro zu implementieren. „So haben wir das auch an Hannah verkauft: ,Da gibt’s schon alles, da müssen wir nicht mehr viel herumtricksen. Es braucht ja nur jemanden zum Organisieren und Koordinieren‘“, lacht Piffl-Percevic heute über seine lahmen Überredungskünste. Die Wirklichkeit, vor allem die finanzielle, sah freilich völlig anders aus.
Doch bevor es mit den flotten Omas in die heutige Location ging, gab es noch ein Pop-up im Bus. „Wir haben vorab mit Oma on Tour gestartet, gemeinsam mit Wien Tourismus. Dabei wurde ein alter VW Bully in ein kleines Kaffeehaus umgebaut und damit sind wir durch ganz Österreich getingelt“, erzählt Lux, wie der Vollpension-Betrieb getestet wurde. So etwas verbindet und schweißt das ganze Team zusammen. Und dabei konnte man auch relativ schnell erkennen, welches Potenzial diese Idee hat. „Danach war uns klar, wir müssen die Vollpension ganz einfach umsetzen, wir haben über 40 Locations in ganz Wien gecheckt und sind dann mit den Räumlichkeiten hier in der Schleifmühlgasse fündig geworden“, erinnert sich Lux. Bis es dann aber endlich so weit war, die Bude aufzusperren, war es ein ziemlicher Ritt. Umfassende Umbauten, die Umkonzeptionierung eines Pop-ups in den laufenden Betrieb, „dabei wird einem nicht fad“, lacht das blonde Energiebündel.
Paulo hat nach der Eröffnung seinen Status bei Facebook auf „Omafighter“ geändert.
Hannah Lux über Herausforderungen in der Vollpension
Erst die Omas und ihre Rezepte hauchen der Vollpension jedoch Leben ein. Krenmayr und Haller sind eigentlich rund um die Uhr nur damit beschäftigt, die Omas glücklich zu stimmen. Es wird stets danach getrachtet, eine tolle Beziehung zu schaffen, Probleme der Omis auch abseits des Jobs anzusprechen und bestenfalls zu lösen. Man hat sich zu Beginn auch mit NGOs und Seniorenclubs kurzgeschlossen, um ein tolles Netzwerk aufzubauen. Daraus wurden dann anfänglich die ersten Oma-Mitarbeiterinnen rekrutiert.
„Die Herausforderung ist vor allem, dass man mit jeder Oma sehr sensibel und individuell umgehen muss. Da gibt es keine Standards oder systemischen Abläufe“, musste auch Grando sich auf die neue Situation einstellen. „Tricky, aber auch schön.“ Neben der 16-köpfigen Oma-Brigade sind auch noch zehn junge Mitarbeiter im Team, die im Service oder in der Küche tätig sind.
Die Herausforderung ist, dass man mit jeder Oma sehr sensibel und individuell umgehen muss.
Hannah Lux über den Seniorenclub-Alltag
Zu den Kuchen gibt es zum einen Snacks, also Sandwiches, Brötchen oder Salate. Zum anderen auch noch täglich wechselnde Mittagsgerichte wie Reisfleisch, Nudelauflauf, Bauerneintopf oder Rindssuppe. Auch dabei ist der Vollpension-Crew wichtig, immer diesen Oma-Twist hineinzubekommen. Und da kommen wir auch schon zu einem permanenten Begleiter der Vollpension: nämlich Diskussionen darüber, was denn Oma-Gerichte überhaupt sind. Jeder hat natürlich ganz individuelle Erfahrungen und Erinnerungen an seine Großmutter und deren Gerichte, sodass es immer wieder schwierig ist, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. „Da brauchen wir auch bestimmt noch einige Zeit, um dorthin zu kommen, wie wir uns das vorstellen. Wo die Gäste sich denken, ja, dafür bin ich auch bereit, Geld auszugeben“, sagt Lux.