Wie Helmut Marko die Stadthotellerie revolutioniert
Das Leben ist kurz, die Stunde ist lang“, heißt es bekanntlich in Theodor Fontanes Alterswerk „Der Stechlin“. Eine Stunde mit Helmut Marko reicht – und man ist verführt, dieses augenzwinkernde Bonmot umzudrehen: Das Leben ist lang, sehr lang.
Und eine Stunde ist kurz, sehr kurz. Oder gar: zu kurz, um das Leben des heute 78-Jährigen zu verstehen. Doktor der Juristerei, weltberühmter Rennfahrer, besessener Kunstsammler und akribischer Hotelier – all das war und ist dieser Helmut Marko, den wir in der Lobby seines Hotels am Lendplatz zum Interview treffen.
Das Leben ist kurz, die Stunde ist lang“, heißt es bekanntlich in Theodor Fontanes Alterswerk „Der Stechlin“. Eine Stunde mit Helmut Marko reicht – und man ist verführt, dieses augenzwinkernde Bonmot umzudrehen: Das Leben ist lang, sehr lang.
Und eine Stunde ist kurz, sehr kurz. Oder gar: zu kurz, um das Leben des heute 78-Jährigen zu verstehen. Doktor der Juristerei, weltberühmter Rennfahrer, besessener Kunstsammler und akribischer Hotelier – all das war und ist dieser Helmut Marko, den wir in der Lobby seines Hotels am Lendplatz zum Interview treffen.
Mit dem frischen, weder überladenen noch verkrampft minimalistischen Design und einer unübersehbaren Affinität zu zeitgenössischer Kunst strahlt das Hotel die DNA des kleinen, feinen Hotelimperiums aus, das Marko seit Mitte der 1970er aufgebaut hat.
Vier sind es an der Zahl, und alle prägen sie die Grazer Hotellandschaft mit einer Prägnanz, die zukunftsträchtiger nicht sein könnte. Wie hat Helmut Marko das gemacht? Wie hat das alles begonnen, diese Sache mit der Hotellerie? Und steht der Rennfahrer in ihm wirklich still? Begonnen hat alles mit einer Freundschaft.
Auf dem Grazer Gymnasium, das Marko Ende der 1950er besucht, lernt er einen gewissen Jochen Rindt kennen. Der spätere Formel-1-Weltmeister bringt den jungen Helmut auf den Geschmack. So beginnen beide in schon jungen Jahren, erste aktive Erfahrungen im Motorsport zu sammeln.
Zusammen haben wir die wildesten sachen entwickelt. Das waren keine Projekte, die leicht von der hand gingen. Aber diese Herausforderung macht eben vieles lustiger.
Helmut Marko über seine Zusammenarbeit mit der Grazer Architekturlegende Günther Domenig
Wobei Helmuts Eltern auf der Bremse stehen: zuerst das Studium, dann, wenn es sein muss, das Gasgeben. Marko schließt 1967 das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften ab und will weiterhin nur noch eins: hinter das Lenkrad. Formel V, Formel 3, Formel 1 – ein Leben in Saus und Braus zwar, aber mit vielen Gefahren. Damals wohl noch mehr als heute.
Jochen Rindt verliert 1970 beim Training zum Großen Preis von Italien in Monza sein Leben. Helmut Marko hat zwei Jahre später Glück – und verliert nur ein Auge. Auf dem Circuit de Charade bei Clermont-Ferrand schleudert der March 721 von Ronnie Peterson einen Stein hoch, der Markos Visier durchschlägt, sein Auge zertrümmert und damit das Ende seiner jungen, hocherfolgreichen Motorsportkarriere bedeutet.
Gerade einmal ein Jahr zuvor hatte Marko das 24-Stunden-von-Le-Mans-Rennen gewonnen. „Das Karriereende kam abrupt“, erinnert sich Marko. „Ich bin daraufhin in ein tiefes Loch gefallen. Im Spitzensport ist es ja so: Wenn man etwas erreichen will, muss man komplett fokussiert sein, und plötzlich fällt das alles weg und existiert nicht mehr.“
Marko nimmt sich die Zeit, um zu überlegen, was er stattdessen machen könnte. Und wird dabei, wenn man so will, vor der eigenen Haustür fündig. Denn das Haus Kaiser-Franz-Josef-Kai 30 ist damals schon im Familienbesitz.
Sein Ziel: daraus ein Hotel zu machen, wie er es während seiner Reisen als Rennfahrer kennen und schätzen gelernt hatte. „Normalerweise bin ich in einer Stadt zuerst einmal in einem Hilton oder Four Seasons abgestiegen. Einfach, damit der Standard da war.
Und dann habe ich mich oft auf die Suche nach etwas Individuellerem begeben. Und eben so ein individuelles Privathotel, das aus dem üblichen Schema herausragt, gab es in Graz Mitte der 1970er nicht.“
Einziges Problem: Die Adresse Kaiser-Franz-Josef-Kai 30 war alles andere als einladend: verfallende Häuser, wenig Charme. Marko – risikofreudiger Wettbewerbsmensch durch und durch – nahm das jedoch als Ansporn. „Mir ging es eigentlich immer um die Standortentwicklung. Also nicht darum, irgendwo etwas Teures zu kaufen, sondern etwas, für das man eine Vision braucht.“
Diebstahl lohnt sich nicht
Fest stand: Zuallererst sollte das Hotel individuell sein. Zweitens sollte es mit steirisch-österreichischer Authentizität die Grazer Altstadt in den Vordergrund rücken, die bekanntlich zu den schönsten und besterhaltenen europaweit zählt.
Und drittens war da die Sache mit der Kunst. „Zur Kunst“, erklärt Marko, „bin ich bereits in meiner Zeit als aktiver Rennfahrer gekommen. Damals schon arrivierte Künstler wie beispielsweise Frank Stella haben ja aktiv Rennen besucht.
Dadurch bin ich damals schon mit Künstlern in Kontakt gekommen. So hat sich das alles langsam ergeben.“ Heute hängen in Markos vier Hotels Bilder von renommierten Künstlern wie Maria Lassnig, Max Weiler oder Hermann Nitsch, die den Wert seiner Häuser auch jenseits des kulturellen Prestiges steigern.
Wie viel an Geldwert an den Wänden seiner Hotels hängt, das will Marko nicht verraten. Nur so viel: „Wir haben lange gebraucht, um eine gute Versicherung zu bekommen.“ Reine Vorsichtsmaßnahme, versteht sich, denn bis jetzt waren Diebstähle kein Thema.
„Jedes Bild ist mit einer speziellen Sicherung gesichert, es kann also keiner auf die Schnelle ein Bild von der Wand reißen.“ Wer seine Hotels mit so viel Wertgegenständen versieht, der legt natürlich auch Wert auf ihre äußere Erscheinung.
Kein Wunder also, dass Marko unter anderem mit keinem Geringeren als dem Doyen der Grazer Architekturszene, Günther Domenig, zusammenarbeitete. „Mein Geschmack ist stark an seinen Arbeiten geschult worden“, so Marko. „Zusammen haben wir die wildesten Sachen entwickelt, darunter das Augarten-Hotel, die Sackstraße 29 oder das M1 als erstes modernes Gebäude in der Altstadt. Das waren keine Projekte, die einfach von der Hand gingen. Aber diese Herausforderung macht eben vieles lustiger.“
Die stillen Helden
Man wird den Eindruck nicht los, als suche der heruntergefahrene Motorsportler in Marko seither weiterhin das Adrenalin, oder zumindest einen gewissen Nervenkitzel.
Wo sieht Marko selbst die Parallelen zwischen seinem damaligen Leben als Formel-1-Flitzer und seiner heutigen Rolle als Hotelier? „Eigentlich“, sinniert er, „gibt es da nicht so viel. Wobei, doch, da gibt es was: Nämlich, dass im Motorsport Technik- und Mechanikercrew nie in den Vordergrund kommen.
Das ist mit der Rezeption, dem Housekeeping und so weiter in der Hotellerie das Gleiche. Das sind die unbelohnten Helden. Sie sind alle im Hintergrund. Da fehlt das Image.“ Dem Fachkräftemangel begegnet Marko nicht zuletzt dank seiner Sportkarriere auf eine erstaunlich unorthodoxe Weise.
Er setzt auf Quereinsteiger. „In meiner Sportlerkarriere waren Diplome egal“, so der Herr Doktor, „was gezählt hat, war einzig und allein die Leistung. So ist das eben im Sport. Und ob jemand diesen Biss hat, das findet man meist in einem persönlichen Gespräch heraus.
Meine Buchhalterin hatte, als sie hier begonnen hat, nicht einmal einen Hauptschulabschluss. Heute ist sie für die gesamte Buchhaltung meiner Betriebe verantwortlich und hat auch ihre Abschlüsse nachgeholt.“ Wie es in der Post-Corona-Zeit, die sich langsam anbahnt, weitergeht, das weiß auch Helmut Marko nicht. „Ich bin jedenfalls überzeugt, dass das Anforderungsprofil der Gäste stärker geworden ist.
Mir ging es nie darum, irgendetwas teures zu kaufen, sondern etwas, für das man eine Vision braucht.
Helmut Marko über sein Verständnis von Standortentwicklung
Man muss in der Zeit nach der Krise mehr bieten.“ In Österreich könnten Investitionen unter anderem mit der Investitionsprämie getätigt werden – solange die Städtehotellerie nicht in die Falle tappe, in einem Dumpingpreiskampf zu verfallen. „So, wie es war, wird es für die Städtehotellerie meines Erachtens frühestens 2023 wieder. Und sowieso steht und fällt für uns alles mit der Reisefreiheit.“
Der Hotelier Helmut Marko scharrt jedenfalls wieder in den Startlöchern und bereitet sich, umtriebig wie eh und je, auf die guten Zeiten vor. „Bei mir ist es so“, fügt er zum Schluss hinzu, „je älter ich werde, desto weniger Zeit habe ich. Das ist bei den meisten bekanntlich anders.“ Als wendiger Pilot seines eigenen Lebens fühlt sich eben alles viel zu kurz an – mag es noch so lange sein.