Spielernatur
Fotos: Werner Krug, Florian Bolk/Palazzo Berlin
Neulich im Kanal saß Steffen Henssler, Flimmerkasten-Omnipräsenzler, bei Günther Jauch auf dem Wer-wird-Millionär-Stuhl und erläuterte vor Quizantritt den Unterschied zwischen Koch und TV-Koch mit folgenden Worten: „Der Koch muss richtig arbeiten und der Fernsehkoch tut immer nur so, als würde es schmecken.“ Die Qualität dieses Versuchs einer sarkastischen Annäherung an das eigene Lebensunterhaltsszenario darf an dieser Stelle infrage gestellt werden – mal ganz abgesehen davon, dass Henssler seinen TV-Kollegen mit Aussagen wie diesen nicht gerade Honig ums geschulte Maul schmiert.
Schon gar nicht Kollegen wie Gerhard Nikolaus Kleeberg, besser bekannt unter seinem Rufnamen Kolja. Der ist zwar auch telegenes Aushängeschild der kochenden Zunft, aber bei „Das unglaubliche Quiz der Tiere“ oder der „Ultimativen Chartshow“ wird man den gebürtigen Kölner, der seit 1997 für die Küche seines Berliner Restaurants VAU durchgehend mit einem Michelin-Stern dekoriert ist und aktuell bei drei Gault-Millau-Hauben und 17 Punkten hält, kaum zu sehen bekommen. Denn, so der als Urvater der Berlin Cuisine betitelte Kleeberg, man dürfe die Liebe zum Entertainment…
Fotos: Werner Krug, Florian Bolk/Palazzo Berlin
Neulich im Kanal saß Steffen Henssler, Flimmerkasten-Omnipräsenzler, bei Günther Jauch auf dem Wer-wird-Millionär-Stuhl und erläuterte vor Quizantritt den Unterschied zwischen Koch und TV-Koch mit folgenden Worten: „Der Koch muss richtig arbeiten und der Fernsehkoch tut immer nur so, als würde es schmecken.“ Die Qualität dieses Versuchs einer sarkastischen Annäherung an das eigene Lebensunterhaltsszenario darf an dieser Stelle infrage gestellt werden – mal ganz abgesehen davon, dass Henssler seinen TV-Kollegen mit Aussagen wie diesen nicht gerade Honig ums geschulte Maul schmiert.
Schon gar nicht Kollegen wie Gerhard Nikolaus Kleeberg, besser bekannt unter seinem Rufnamen Kolja. Der ist zwar auch telegenes Aushängeschild der kochenden Zunft, aber bei „Das unglaubliche Quiz der Tiere“ oder der „Ultimativen Chartshow“ wird man den gebürtigen Kölner, der seit 1997 für die Küche seines Berliner Restaurants VAU durchgehend mit einem Michelin-Stern dekoriert ist und aktuell bei drei Gault-Millau-Hauben und 17 Punkten hält, kaum zu sehen bekommen. Denn, so der als Urvater der Berlin Cuisine betitelte Kleeberg, man dürfe die Liebe zum Entertainment nicht über die Berufung stellen – und das ist und bleibt für Kolja Kleeberg das Kochen. Er nennt es sein Lusthandwerk im Kopf, und es spielt in so gut wie allem, was Kolja Kleeberg sagt und tut, die Hauptrolle. „Es ist mir wichtig, dass es in allen Sendungen, die ich mache, hauptsächlich ums Kochen geht“, erklärt er seinen selektiven Zugang zur Wahl der TV-Formate, in denen er zu sehen ist. „Ich mag zum Beispiel Reportagen wie jene mit Dieter Mohr, die wir kürzlich für den RBB gedreht haben und in der wir einen Aalfischer besucht haben. Das ist mein Ding.“ Natürlich ist er auch aus beliebten Nachmittagssendungen wie der Küchenschlacht oder dem VOX-Quotenhit Kocharena nicht mehr wegzudenken, „aber das hält sich ganz gut die Waage. Ich bin ja vier von sechs Tagen im Restaurant, da fallen automatisch viele TV-Engagements weg.“
An der stilistischen Weiterentwicklung des mittlerweile zur Berliner Institution mutierten, von Stararchtitekt Meinhard von Gerkan geplanten und anno dazumal von Franz Viehauser eröffneten Gourmettempels am Gendarmenmarkt ist Kleeberg nämlich nach wie vor entscheidend beteiligt. „Die Geschichte, die Eigenschaften und das Verhalten eines Produktes sind Aspekte, die ich in meinen Kreationen immer wieder durchspiele“, erklärt Kolja. Die Basiszutaten des Kleeberg’schen Erfolgsrezeptes sind in den letzten 16 Jahren stets dieselben geblieben: Leichtigkeit und Lebensfreude, Neugierde und Lust am Experimentieren. Natürlich steht Kleeberg auch heute noch für die „Berlin Cuisine“, wie kaum ein anderer. Aber man(n) beschreitet aktuell mutig neue Wege im von Film- und Politprominenz besonders geschätzten Fine-Dining-Spot am Gendarmenmarkt.
In puncto Aromenspiel und Internationalität hat das VAU zuletzt noch mal einen ordentlichen Gang zugelegt. Vom mittlerweile überstrapazierten Regionalitätsmantra hat Kleeberg sich zwar nicht ganz verabschiedet, aber doch distanziert. Neben Kalbsbries, Beelitzer Spargel und Kartoffel-Petersilien-Brandade dürfen es sich nun vermehrt Gillardeau-Austern, Eismeerlachsforellen, Quinoa & Co. auf der Menükarte gemütlich machen. Und mit Marc Reus hat Kleeberg im VAU mittlerweile auch einen Küchenchef installiert, der die Kreativ-Ergüsse Kleebergs verlässlich wie ein Schweizer Uhrwerk in höchster Perfektion umsetzt.
Zirkusreife Zukunftsaussichten
Ab kommendem Herbst könnte Reus sich jedenfalls wünschen, dass der Tag doch mehr als 24 Stunden zu bieten hätte, denn Chef Kleeberg ist erneut seinem ausgeprägten Spieltrieb erlegen. Prominenter Name des neuen Spielplatzes: Palazzo. Ab 13. November wird Kleeberg als Nachfolger von 2-Sterne-Koch Christian Lohse die von Hans-Peter Wodarz konzipierte Hauptstadt-Ausgabe der Dinner-Show im Spiegelpalast mit zwei 4-Gang-Menüs – eines davon vegetarisch – veredeln. Über die Höhe seiner Gage hüllt Kleeberg sich in Schweigen, angesichts der Zahlen, die an den deutschen Spielstätten in den letzten Jahren geschrieben wurden, dürfte die aber ganz anständig ausfallen. In der Saison 2010/2011 verzeichneten die deutschen Palazzo-Produktionen immerhin Erlöse von rund 14 Millionen Euro. Geld alleine ist für Kleeberg aber keineswegs der ausschlaggebende Grund, in den nächsten drei Jahren gemeinsam mit zwölf Köchen 340 Gäste pro Abend auf höchstem Niveau zu bekochen. „Das ist eine spannende Sache für mich, und mal ganz abgesehen davon auch eine tolle, indirekte Werbung für das VAU. Denn die Verbundenheit mit dem Restaurant ist immer da, das ist mein Baby. Das VAU hat mittlerweile eine Seele, und die gilt es, zu bewahren.“ Ein bis dato gut gehütetes Geheimnis gibt Kleeberg dann aber doch noch preis: das Palazzo-Menü. Also, Herr Kleeberg, was spielt es denn nun ab November? „Sautierte Garnelen mit Tandoori-Sauce, Gurkenjoghurt und Zwiebelpakora, gebackene Kabeljau-Brandade mit Kokos-Sepia-Aioli und Orangen-Fenchel-Salat, in Balsamico geschmortes Schulterscherzel mit Feige, Chicorée, Polenta und geröstetem Senf und zum Schluss Croustillant und Parfait von Schokolade auf Dattelcreme mit Kirschsorbet.“
Diese Speisenliturgie ebenso wie die Gault-Millau-Kritik 2013, die dem VAU eine klare Tendenz in Richtung 18 Punkte attestierte, lassen keinerlei Zweifel darüber aufkommen, dass Kolja Kleeberg ein Koch ist, der richtig arbeitet. Und zwar auf der Bühne genauso hart wie dahinter.
Hier geht’s zu den großartigen Rezepten von Kolja Kleeberg und anderen Starköchen!