Seelen Striptease
Fotos: Shutterstock, Helge Kirchberger Photography / Red Bull Hangar-7,
Mats Grimsaeth Photography / Red Bull Hangar-7
Es klingt ein bisschen so wie der Pakt mit dem Teufel. Oder eine verdammt ernst gemeinte und schonungslose Liebeserklärung. „Wenn Sie diese Seiten öffnen, biete ich Ihnen meine Seele, meine Kreativität … mich an.“ Dabei ist es das Intro zu der Speisekarte von Tomislav Gretić. Der Kroate, der im Monat Mai als Gastkoch im Hangar-7 zu Besuch ist, offenbart sich dabei in acht Gängen, die vier Amuse Gueules nicht mit eingerechnet. Und er zeigt, was seine emotionale Achterbahn so alles zu bieten hat. Leichte Frühlingsgefühle bei „Langostino/Daikon/Tomate“, den Hang zum Schwermut erkennt man bei dem unvergleichlich sämigen „Sepia/Risotto/Speck“. Istrisches Lebensgefühl kommt hingegen bei „Schnecken/Lardo/Tapioka/schwarzer Knoblauch“ auf. Die geschmorten Schnecken werden von einem schmelzenden Mantel aus Lardo di Colonnata umhüllt. Als Gegenspieler zu der kräftig-aromatischen Lardo-Schnecken-Kombination wirkt die satte Creme aus fermentiertem schwarzem Knoblauch mit ihren komplexen Vanillenoten, der knusprig-leichte Chip von milden, jungen Knoblauchzehen komplettiert das Gericht. Was allerdings in jeder Gefühlslage zu schmecken ist: Tomislav Gretić ist verliebt in sein Land, in die kargen Hügel von Istrien, die reichen Gewässer und die sattgrünen Ebenen. Dort wächst der wilde Spargel, im Hinterland verbirgt sich der weiße Trüffel und an uralten Olivenbäumen reifen die Früchte heran, die später…
Fotos: Shutterstock, Helge Kirchberger Photography / Red Bull Hangar-7,
Mats Grimsaeth Photography / Red Bull Hangar-7
Es klingt ein bisschen so wie der Pakt mit dem Teufel. Oder eine verdammt ernst gemeinte und schonungslose Liebeserklärung. „Wenn Sie diese Seiten öffnen, biete ich Ihnen meine Seele, meine Kreativität … mich an.“ Dabei ist es das Intro zu der Speisekarte von Tomislav Gretić. Der Kroate, der im Monat Mai als Gastkoch im Hangar-7 zu Besuch ist, offenbart sich dabei in acht Gängen, die vier Amuse Gueules nicht mit eingerechnet. Und er zeigt, was seine emotionale Achterbahn so alles zu bieten hat. Leichte Frühlingsgefühle bei „Langostino/Daikon/Tomate“, den Hang zum Schwermut erkennt man bei dem unvergleichlich sämigen „Sepia/Risotto/Speck“. Istrisches Lebensgefühl kommt hingegen bei „Schnecken/Lardo/Tapioka/schwarzer Knoblauch“ auf. Die geschmorten Schnecken werden von einem schmelzenden Mantel aus Lardo di Colonnata umhüllt. Als Gegenspieler zu der kräftig-aromatischen Lardo-Schnecken-Kombination wirkt die satte Creme aus fermentiertem schwarzem Knoblauch mit ihren komplexen Vanillenoten, der knusprig-leichte Chip von milden, jungen Knoblauchzehen komplettiert das Gericht. Was allerdings in jeder Gefühlslage zu schmecken ist: Tomislav Gretić ist verliebt in sein Land, in die kargen Hügel von Istrien, die reichen Gewässer und die sattgrünen Ebenen. Dort wächst der wilde Spargel, im Hinterland verbirgt sich der weiße Trüffel und an uralten Olivenbäumen reifen die Früchte heran, die später als grasgrünes, herbes und scharfes Öl bei Tomislav Gretić in der Küche landen.
Gastkoch-Souvenir: Blutwurst
Herstellung: Bereits bei Homer im alten Griechenland war die Blutwurst bekannt, sie ist Teil der Alles-muss-verwertet-werden-Kultur und vom Schwein. Prinzipiell unterscheidet man zwei Arten von Blutwurst. Jene mit Zugabe von Speck und die ohne. Aber ein Blick in die unterschiedlichen Regionen zeigt, dass man eigentlich alles in die Wurst hineinschneiden kann: Zunge, Maske, Leber, Graupen oder Hirn – alles kann, nichts muss. Außer Blut. Die Variante von Tomislav Gretic, die von einem Metzger in Zagreb nach seinem eigenen Rezept hergestellt wird, gleicht eher der französischen Machart.
Bis er aber selbst in seinem Heimatland andockte, verbrachte er nach seinen Lehrjahren Wanderjahre in Polen und Dubai. Im Hotel Dolder Grand in Zürich und im ägyptischen Hotel Stella di Mare in Ain Soukhna fand Tomislav Gretić schließlich zu sich selbst und entwickelte die heute zur Perfektion gebrachte Philosophie des kulinarischen Seelenstriptease. Und als er erkannte, dass nur das Gefühl zählt, waren für ihn Trends nicht mehr wichtig. Tomislav Gretić kocht, wie ihm der Sinn steht, aus dem Bauch heraus und seiner mediterranen Leidenschaft folgend. Die allerdings verlangt die beste Qualität. Oder auch die ungewöhnlichste. So wie der Ricotta und das Joghurt im aktuellen Menü des Restaurants Ikarus im Hangar-7: Diese stammen von einem Ziegen-Mikrobauern, einem ehemaligen Staranwalt aus dem slowenischen Ljubljana. Etwa 200 Ziegen grasen auf seinem riesigen Hof, der Stancija Kumparicka. Umgerechnet ergibt die Fläche nämlich etwa zwei bis drei Tiere pro Hektar. Die frischen Kräuter auf den Wiesen erschmeckt man in dem cremig-aromatischen Ricotta, der mit roh marinierten Spargelschleifen und einer Emulsion aus getrockneten Kapern als Amuse geschickt wird. Der rote Faden des Menüs endet mit dem letzten Gang, bei dem Joghurt aus derselben Ziegenproduktion gemeinsam mit Erdbeeren eine leichte, süße Verbindung eingeht.
Eine neue Verbindung ist Tomislav Gretić auch gerade eingegangen, oder er hat die bestehende eigentlich vertieft: Der als bester Chefkoch Kroatiens 2014 gekürte Chef de Cuisine des Gourmetrestaurants Wine Vault des 5-Sterne-Hotels Monte Mulini in Rovinj übernahm in diesem Monat die Küchenberatung für die gesamte Hotelgruppe. Wer also noch einmal die Chance ergreifen möchte, zu erleben, wie ein Mann sein gesamtes Gefühlsrepertoire offenbart, der sollte im Mai unbedingt nach Salzburg kommen. Näher dran an echten Gefühlen ist man nämlich selten – denn alleine der im Ganzen pochierte, handgeangelte Steinbutt mit Chablisfond à la Eckart Witzigmann, nur ein wenig verfeinert mit Salbei, bringt den Gast ganz nahe an die persönliche Endorphin-Ausschüttungsgrenze.
Wäre
gerne ein bisschen mehr wie Marco Pierre White.
Einfach mal immer das machen, was man gerade will.
Ist
aber er selbst und verbiegt sich nicht.
Seine Gerichte sind seine Seele und die zeigt er.
Würde
gerne mal mit einem seiner Gäste den Platz tauschen
und herausfinden, wie es ist, von sich bekocht zu werden.
Next Chef
Esben Holmboe Bang will zurück zu den Wurzeln. Nicht nur sprichwörtlich, sondern auch kulinarisch. Diese Rückbesinnung auf die Ursprünge der norwegischen Küche lässt Gerichte entstehen, die State of the Art sind.