Nils Henkel – Lass’ knacken, Nils
Fotos: Werner Krug
Der Name Dieter Müller klebte hier über Jahrzehnte an den Gemäuern des alten Neorenaissance-schlosses in Bergisch Gladbach. Kein anderer Koch Deutschlands prägte ein Haus so stark wie Müller. Und kein anderer Koch Deutschlands baute seinen Nachfolger so behutsam auf wie er.
Doch der Mythos Müller ist verschwunden aus dem Schloss Lerbach. Die „Althoff Hotel Collection“ hat sich das auch einiges kosten lassen. Im vergangenen Jahr baute man das Gourmetrestaurant komplett um. Schmiss die alten Sachen hinaus und holte die Natur herein. Der Fußboden geräucherte Eiche, das dominierende Grün an den Schlossgarten angepasst. Zeitgemäß modern und doch natürlich.
Ein Konzept, das zugeschnitten ist auf den neuen Star des Hauses, auf Müllers ehemaligen Schüler: Nils Henkel. Heute ist es sein Name, den das neue Restaurant ziert. „Gourmetrestaurant Lerbach – Nils Henkel“. 60 Plätze, Mittags- und Abendgeschäft, drei Michelin-Sterne, 19 Punkte im „Gault Millau“…
Fotos: Werner Krug
Der Name Dieter Müller klebte hier über Jahrzehnte an den Gemäuern des alten Neorenaissance-schlosses in Bergisch Gladbach. Kein anderer Koch Deutschlands prägte ein Haus so stark wie Müller. Und kein anderer Koch Deutschlands baute seinen Nachfolger so behutsam auf wie er.
Doch der Mythos Müller ist verschwunden aus dem Schloss Lerbach. Die „Althoff Hotel Collection“ hat sich das auch einiges kosten lassen. Im vergangenen Jahr baute man das Gourmetrestaurant komplett um. Schmiss die alten Sachen hinaus und holte die Natur herein. Der Fußboden geräucherte Eiche, das dominierende Grün an den Schlossgarten angepasst. Zeitgemäß modern und doch natürlich.
Ein Konzept, das zugeschnitten ist auf den neuen Star des Hauses, auf Müllers ehemaligen Schüler: Nils Henkel. Heute ist es sein Name, den das neue Restaurant ziert. „Gourmetrestaurant Lerbach – Nils Henkel“. 60 Plätze, Mittags- und Abendgeschäft, drei Michelin-Sterne, 19 Punkte im „Gault Millau“.
Alles Henkel. „Ich habe in den zwölf Jahren mit Dieter Müller eine Menge gelernt, sowohl fachlich als auch menschlich. Harmonie auf dem Teller ist eine der prägendsten Eigenschaften seiner Kochkunst. Doch für mich persönlich war es wichtig, einen eigenen Stil zu finden, einen Stil, der anders ist als jener von Müller. Anders und doch erfolgreich“, so Henkel.
„Pure Nature“ taufte er seine Küche, die geprägt ist von Kräutern und Gemüse. „Das ist für mich nicht nur ein Konzept, sondern eine Lebenseinstellung. Ich fühle mich den besten Produkten verpflichtet, die uns die Natur bietet. Durch eine überlegte Zubereitung der Grundprodukte will ich den Gästen innovative und aromastarke Gerichte bieten.
Dazu zählt der Einsatz von Kräutern und Gemüsen, Aromen und Gewürzen ebenso wie das Spiel mit unterschiedlichen Texturen und Temperaturen.“ Ein stimmiges Konzept, das seinen Höhepunkt im Gemüsemenü findet, das Henkel neben der Degustationsvariante (acht Gänge, 192 Euro) in sechs Gängen um 145 Euro auftischt, abgerundet von Köstlichkeiten des Chefpatissier Frédéric Guillon. Damit steht er an der Spitze einer Riege von deutschen Sterneköchen, die sich starkmachen für den reduzierten Einsatz von Fleisch und Fisch.
„Es ist jetzt nicht so, dass wir komplett vegetarisch kochen.
Aber wir stehen als Gesellschaft an einem Punkt, an dem wir nachdenken müssen, wie es mit unserer Ernährung weitergeht.
Wir leisten uns den Luxus, Pflanzen anzubauen, um damit die Tiere zu füttern, die wir essen. Der Fleischkonsum ist bereits so hoch, dass er ohne Massentierhaltung nicht mehr gestillt werden kann. Und wenn man sich überlegt, was in den Tierfabriken abgeht, dann wird einem schlecht. Würde man nur einmal in der Woche komplett auf Fleisch verzichten, würde das schon viel bewirken.“ Henkel sieht sich in der Verantwortung, eine Vorreiterrolle einzunehmen.
Pure Nature als Erfolgskonzept
Der Erfolg gibt ihm recht. Das Gemüsemenü läuft gut an. Zwischen fünf und zehn Prozent der Gäste wählen die aufwendigen kulinarischen Kreationen. „Das ist ein guter Beginn, die Nachfrage wird stetig größer.“ Der „Pure Nature“-Stil hat eingeschlagen. Im vergangenen Jahr präsentierte Henkel sein gleichnamiges Buch zur neuen Küchenlinie. Die erste Auflage mit 4000 Stück ist bereits vergriffen, die zweite Auflage gerade frisch aus der Druckerei. „Knapp ein Jahr haben wir an dem Buch gearbeitet. Zu sehen, dass es die Menschen annehmen, ist natürlich eine schöne Bestätigung.“
Der junge Mann, der 1997 mit 27 Jahren bei Müller anheuerte, ist inzwischen zum Chef gereift. Konsequent verfolgt er seine Linie, führt das Team mit 18 Mitarbeitern. Hoch konzentriert in der Arbeit am Herd, exakt und genau. Das spiegelt sich auch auf dem Teller wider. Keine Anordnung ist dem Zufall überlassen, die Harmonie der Produkte perfekt ausgewogen. „Auf diesem Niveau darf man sich keine Fehler leisten“, sagt Henkel und fügt hinzu: „Egal, was wir machen, es ist niemals eine One-Man-Show. Ohne ein funktionierendes Team in der Küche und im Service ist dieser Job nicht machbar.“
Sorge bereitet dem Küchenchef der Nachwuchs im Service. „Ich würde mir wünschen, dass sich mehr junge Menschen für den Job im Restaurant interessieren. Der Beruf der Servicekraft schlägt sich derzeit leider unter seinem Wert. Dabei sind es genau die Mitarbeiter im Service, die maßgeblich dazu beitragen können, ob ein Abend für einen Gast gelungen ist oder nicht. Bestes Beispiel, wie erfolgreich man sein kann, ist unser Restaurantleiter André Thomann. Ein Mann mit Vorbildcharakter. Locker und charmant am Gast und trotzdem voller Fachwissen.“
Hier im „Gourmetrestaurant Lerbach“ schult man die Mitarbeiter präzise, erwartet aber auch volle Leidenschaft und Einsatz. Jeder muss perfekt über die Menüs Bescheid wissen. Das bedeutet alle sechs Wochen neues Fachwissen über Produkte anhäufen. Denn in diesem Abstand dreht sich die Karte. Henkel: „Oft wissen meine Leute sogar besser Bescheid als ich, weil sie sich schon vorab informieren und sich geradezu darin vertiefen, woher das neu eingesetzte Produkt kommt, was es kann und wie es schmeckt.“
Das Niveau des Service, gepaart mit dem Niveau der Küche, ist ein Punkt, den Henkel für wesentlich hält. „Die Vielfalt, die wir in Deutschland in der Gourmetküche haben, ist weltweit einzigartig. Die Spanier mögen eine Zeit lang die Nase vorne gehabt haben oder jetzt die Skandinavier. Am konstantesten jedoch hat sich die deutsche Küche in den vergangenen Jahren entwickelt“, so Henkel, der natürlich weiß, dass es nie allen recht zu machen ist. „Der eine findet, das was du machst, sensationell. Der andere eine Katastrophe. Damit müssen wir leben.“
Punkteverlust
Eine Katastrophe fand 2009 der „Gault Millau“ den Einsatz von Heringskaviar in den Küchen etlicher deutscher Spitzenchefs. Auch Henkel verwendete das Produkt und wurde mit einem Punkteabzug von 19 auf 18 bestraft. Ein medialer Aufschrei erfolgte – immerhin kürte der „Gault Millau“ Henkel im Jahr zuvor noch zum „Koch des Jahres“. Henkel strich das umstrittene Produkt von der Karte und eroberte den Punkt wieder zurück.
Ehrlich wie kaum ein anderer Küchenchef, argumentiert er: „Wir kochen für unsere Gäste, aber natürlich auch für die Restaurantkritiker. So läuft nun mal das Geschäft und uns ist auch klar, was wir den Guides zu verdanken haben. Der Punkteverlust damals lag zwar nicht an der Qualität unserer Küche, trotzdem nimmt man so einen Rückschritt nicht einfach so hin. Beständige Arbeit aber wird immer belohnt werden.“
Diese Einstellung zieht sich durch Henkels gesamte Karriere. Nie war er es, der den Rocker heraushängen ließ oder von der Küche in die TV-Studios drängte. Seine Bühne ist das Restaurant im Schloss Lerbach. Selbst die Kochschule betreibt er nicht in dieser Frequenz wie es seinerzeit Dieter Müller vorlebte. „Ich weiß natürlich, dass das auch ein wichtiger Umsatzfaktor für das Haus ist. Meine Konzentration gilt aber dem Gourmetrestaurant. Immerhin ist das ein wichtiger Markenfaktor für diesen Standort hier“, so Henkel.
>> Kontakt
Gourmetrestaurant Lerbach
Schlosshotel Lerbach
Lerbacher Weg
D-51465 Bergisch Gladbach
Tel.: +49 (0) 22 02/20 40
Fax: +49 (0) 22 02/20 49 40
Müller selbst schneit nur mehr selten herein. Ganz natürlich wird sein Geist nie aus dem Schloss entschwinden. „Das wäre auch völlig absurd, wenn man bedenkt, was Dieter Müller für dieses Haus geleistet hat“, sagt Henkel, der zumindest mittags an einer Erfindung seines ehemaligen Mentors festhält:
dem Amuse-Bouche-Menü.
19 kleine Gerichte, serviert in fünf Gängen um 125 Euro – selbstverständlich angepasst an die neue Karte. „Man muss die Welt nicht immer neu erfinden. Vielmehr ist es wichtig, seinen eigenen Stil beständig weiterzuentwickeln, anstatt neuen Trends hinterherzuhecheln. Wir machen eine zeitgemäße Küche mit einer soliden Basis.“
Die Zukunft der Küche, so Henkel, müsse noch stärker auf die Bedürfnisse des Gastes abgestimmt sein: „Man setzt sich heute viel mehr und intensiver mit dem Essen auseinander. Kochen ist ein Stück Lebensqualität und Kultur geworden. Ich würde mir jedoch wünschen, dass die Nachfrage nach guter Produktqualität in Deutschland mitwächst und auch die Bereitschaft, dafür etwas mehr Geld zu bezahlen als beim Discounter.“
Mariniertes Wurzelgemüse
Sellerie-Petersilie-Trüffelcrème
>> Rezept für 4 Personen:
Zutaten:
- 1 Pastinake, 1 Süßkartoffel (orange),
- 1 Karotte (violett), Apfelessig,
- 5 cl Rapskernöl, Salz, weißer Pfeffer,
- Erbsensprossen, Kressen, Blüten,
- Macarons von Selleriesaft,
- 10 g Wintertrüffel, frisch
Selleriekugeln- und püree:
- 300 g Knollensellerie (geschält),
- 40 g Kochfond vom Sellerie,
- 1,5 g Agar-Agar, 1,5 Bl Gelatine,
- 40 g Rapskernöl, Salz, weißer Pfeffer,
- 1 Msp. Xanthan
Petersilienwurzelpüree:
- 1 Schalotte,
- 200 g Petersilienwurzeln (geschält),
- 20 g Riesling halbtrocken,
- 200 g Kochfond vom Wurzelgemüse,
- 60 g Rapskernöl, 20 g Petersilienblättchen,
- 1 Msp. Xanthan, Salz, weißer Pfeffer
Zubereitung:
Das Wurzelgemüse schälen und mit einem Gemüsehobel oder einer Aufschnittmaschine dünn aufschneiden und in lange Streifen schneiden. Die Streifen in kochendem
Salz-Essig-Wasser bis zum leichten Biss garen, anschließend in Eiswasser abschrecken. Die Gemüsestreifen mit Salz, Pfeffer, Rapskernöl und etwas Kochfond marinieren.
Selleriekugeln- und püree:
Den Sellerie grob würfeln und in Salzwasser knapp bedeckt gar kochen. Dann 150 g Sellerie abwiegen und etwas abkühlen lassen. Den Selleriekochfond mit Agar-Agar aufkochen und zwei Minuten köcheln lassen, die eingeweichte Gelatine darin auflösen. Sellerie, Gelatinefond und Rapsöl fein pürieren und mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Die Masse etwas abkühlen lassen, in zwei Silikon-Halbkugelmatten (3 cm Ø) einstreichen. Eine Matte schockfrosten, die gefrorenen Halbkugeln aus der Matte lösen. Nun die gefrorenen Halbkugeln auf die weiche Masse der zweiten Matte drücken und die Matte wieder einfrieren.
Die gefrorenen Selleriekugeln mit einer Nadel durch das Selleriegelee tauchen und langsam auftauen lassen. Den restlichen Sellerie mit etwas Kochfond, Rapsöl und einer Messerspitze Xanthan zu einem cremigen Püree mixen und mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Petersilienpüree:
Die Schalotte und die Petersilienwurzeln würfeln, in etwas Rapsöl anschwitzen, mit Riesling ablöschen und auf die Hälfte einkochen. Mit dem Wurzelfond auffüllen und weich garen. Die Wurzeln abtropfen lassen, im Mixer mit Raps-kernöl, der gehackten Petersilie und einer Messerspitze Xanthan fein pürieren und nur so viel Kochfond zufügen, bis ein cremiges, weiches Püree entsteht. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und durch ein feines Sieb streichen.
Ausnahmen für das Talent
Henkels weg an die Spitze
Einige mögen sich wundern, warum Henkels Kochjacke das Emblem der „Jeunes Restaurateurs d’Europe“ ziert. Normalerweise nimmt die Vereinigung ja nur Restaurantbesitzer auf. Argumentiert wurde das 2006 so: „Durch sein Talent und die erfolgreiche, langjährige Tätigkeit im Schlosshotel Lerbach ist Nils Henkel wesentlich an den Erfolgen des Restaurants beteiligt und absehbar ein würdiger Nachfolger von Dieter Müller, wenn dieser in weiterer Zukunft das Patronat für das Restaurant Dieter Müller und die gleichnamige Kochschule übernimmt.“
Seine Karriere startete Henkel im Hotel und Restaurant Voss Haus in Eutin. Weitere Stationen waren u. a. das Landhaus Scherrer in Hamburg. Seit 1997 ist er im Schloss Lerbach, seit Februar 2008 steht das Restaurant unter seiner alleinigen Führung.