Mach’s groß oder lass stecken
Fotos: Kar Fai Tong, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7
Richard Ekkebus als Qualitätsfanatiker zu bezeichnen, wäre so, als würde man Roland Trettl Produktverliebtheit bis zur Schmerzgrenze unterstellen. Also redundant. Doch muss es an dieser Stelle trotzdem gesagt werden. Denn wenn zwei Köche von diesem Kaliber und mit derart harten Sturschädeln aufeinandertreffen, dann lassen sich auch Berge versetzen. Oder, in Bezug auf das Gastkochmenü Ekkebus’, die strikte EU-Food-Bürokratie ein klein wenig aufweichen: Das Duo Infernale hat es erst- und einmalig geschafft, David Blackmore Wagyu Beef nach Europa einführen zu lassen.
Der Seeigel von Richard Ekkebus ist das beste Gericht,
das ich jemals kosten durfte.
Serviert wird es in genialer Simplizität mit…
Fotos: Kar Fai Tong, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7
Richard Ekkebus als Qualitätsfanatiker zu bezeichnen, wäre so, als würde man Roland Trettl Produktverliebtheit bis zur Schmerzgrenze unterstellen. Also redundant. Doch muss es an dieser Stelle trotzdem gesagt werden. Denn wenn zwei Köche von diesem Kaliber und mit derart harten Sturschädeln aufeinandertreffen, dann lassen sich auch Berge versetzen. Oder, in Bezug auf das Gastkochmenü Ekkebus’, die strikte EU-Food-Bürokratie ein klein wenig aufweichen: Das Duo Infernale hat es erst- und einmalig geschafft, David Blackmore Wagyu Beef nach Europa einführen zu lassen.
Der Seeigel von Richard Ekkebus ist das beste Gericht,
das ich jemals kosten durfte.
Serviert wird es in genialer Simplizität mit einer Zwiebelvariation, am Punkt, ohne Chichi und runtergebrochen auf den essenziellen Geschmack. Denn wer braucht eine große Show, wenn das feine Aroma für sich alleine spricht? Keiner, zumindest nicht, wenn man Richard Ekkebus heißt. Und das gilt für alle Kreationen aus dem Restaurant Amber im The Landmark Mandarin Oriental, Hongkong. Die brauchen kein Megafon, um lange nachzuhallen und ein kraftvolles Echo zu erzeugen. Ekkebus versteht es, den Charakter eines Produktes unverändert zu lassen und ihm dabei doch mehr Persönlichkeit und Charisma zu geben.
Nun gut, fairnesshalber muss man dazu sagen, dass er auch nur die besten in seine Reichweite lässt. Egal woher. Was nicht bedeutet, dass ihm regional angebaute Produkte nicht wichtig wären, aber seine Grundeinstellung zur Perfektion ist unumstößlich. Nur weil die Story vom lokal gezogenen Gemüse vielleicht eine schöne Marketinggeschichte, aber die Qualität schlecht ist, lässt er sich diese Produkte nicht unterjubeln. Da bleibt er konsequent. Mit Recht. Und muss es auch bleiben, denn um im Schmelztiegel Hongkong, in dem es mehr als 20.000 Restaurants gibt – die Dunkelziffer liegt um einiges höher – zu bestehen, ist ein scharfes Profil die Voraussetzung. Hier gilt das Motto: Do or die. Nur wer die beste Qualität liefert und das von Tag eins an und an jedem weiteren, hat Erfolg. Kleiner Einschub: Ekkebus, der nicht nur Chefkoch des Amber ist, sondern zudem Culinary Director des Luxushotels, steht seit acht Jahren auf den Bestenlisten und sicherte sich zum vierten Mal in Folge vom Guide Michelin zwei Sterne.
Abgesehen von seinem Verständnis für die subtile Wirkung von Texturen und dem sensiblen Einsatz von Salz, Säure und Zucker, mag ein Grund für seine Popularität darin liegen, dass Ekkebus ein Frauenversteher ist. Das Amber ist zwar ein klassisch französisches Restaurant, doch hat Ekkebus Butter und Sahne aus den meisten Gerichten subtrahiert und die klassische Nouvelle Cuisine verjüngt und verschlankt. Was, gefinkelt und umsatztechnisch sehr positiv, dazu führt, dass die Mehrheit seiner Stammgäste Frauen sind. Beziehungsweise diese sich gerne in sein Restaurant ausführen lassen. Damit wird zwar keine Werbung gemacht, aber nach Produktfetischismus kommt hier gleich der zweite Grundsatz des gebürtigen Holländers zu tragen: Nach dem Genuss seines Menüs muss man noch in der Lage sein, den Partner mit ebenso großer Hingabe vernaschen zu können. Und unterstellt sich gleich daraufhin selbst einen femininen Küchenstil, der ebendiesem förderlich ist.
Eine deutliche Ansage eines gestandenen Mannes und Kochs. Auch die, dass er während seiner Wanderjahre in Frankreich viel gelernt hat, aber nicht kochen. Dazu steht er und selbiges auch auf der Homepage des Amber. „Was ich lernte, war eine tiefe Wertschätzung für die französischen Menschen, ihren Stolz auf ihr fruchtbares Land und was sie auf ihren Feldern pflanzen und ernten.“ Und die Liebe zu Seeigeln. Erstkontakt dazu hatte er bei Guy Savoy. Der zeigte ihm, dass die Dinger nicht nur eine nervende Sache beim Baden sein können, wie Ekkebus bis dahin geglaubt hatte, sondern auch eine ausgesprochene Delikatesse. Und Ekkebus schmolz mit der ersten Zunge dahin. Seine Begründung: „Ich bin mit Austern und Muscheln aufgewachsen, da war das ein bekanntes Aroma mit doch neuem Reiz. Und es war auch ein klein bisschen eine Offenbarung, es den fiesen kleinen Dingern heimzahlen zu können.“
Und es juckte ihn in seinem Finger, diese Erkenntnis der Welt mitzuteilen. Mit Erfolg, denn wer das Restaurant Amber besucht (oder im Juli den Hangar-7), der geht nicht, ohne „Seeigel im Hummergelee mit Blumenkohl, Kaviar und Algencracker“ gegessen zu haben. Das ist Ekkebus’ Klassiker, das Gericht, das ihm Ruhm und Anerkennung unter Kollegen bringt. Und das macht Ekkebus trotz aller Bescheidenheit ein bisschen stolz. Wie auch die Tatsache, dass er und Roland Trettl das David Blackmore Wagyu Beef nach Salzburg bringen konnten. Und wenn das mal nicht zwei Gründe sind, im Juli in den Hangar-7 zu kommen, dann hat man es nicht verdient.
Aufgedeckt
Gastkoch-Know-how von Richard Ekkebus [Seeigel]
Jeden Monat verraten die Gastköche von Hangar-7-Executive-Chef Roland Trettl ihr Lieblingsprodukt. Richard Ekkebus Treibt es hier auf die Spitzen!
Nicht alles, Was Sticht, ist gut
Mehr als 6300 Arten von Seeigeln sind bekannt, allerdings sind nur einige darunter, die man auch verzehren sollte. Am beliebtesten sind der purpurfarbene sowie der essbare Seeigel. Als Zungen auf der Karte, sind es die fünf sternförmig angeordneten Eierstöcke, die das eigentliche Genussvergnügen bereiten. Die gallertartige Masse sorgt für ein äußerst interessantes Erlebnis für den Gaumen, das salzig ist, entfernt an Austern erinnert und besonders intensiv nach Fisch schmeckt. Hände weg vom Darmkanal, der schmeckt, wie man es sich vorstellt.
Geliebter Feind
Hier gibt es keine Kompromisse. Du liebst ihn oder du verfluchst ihn mit all deiner Seele. Sogar in Japan gilt das „Uni“ – obwohl Delikatesse – als umstritten. Der Rogen, der unbedingt frisch sein muss, wird entweder kurz erhitzt gegessen, roh als Sashimi serviert oder als Zutat zu Sushi verwendet. Der Geschmack von Uni ist fischig, süßlich und etwas nussig, variiert aber von Art zu Art ein wenig. Besonders geschätzt wird gelber oder oranger Rogen mit fester Struktur. Je dunkler und weicher, desto schlechter die Qualität. Wer es mag, gibt dafür zwischen 20 und 200 Euro aus.
Weltweite Zungenspiele
In der rohen Form wird Seeigel vor allem in Frankreich, Portugal, Spanien und Süditalien geschätzt. Spanier füllen die Delikatesse sogar in Dosen ab – was einen ähnlichen Stellenwert wie Dosengulasch hat. Mediterrane Tradition ist es, die Geschlechtsdrüsen in Salzwasser zu kochen und mit Olivenöl und Zitrone zu verfeinern. Daneben werden sie in marinierter Form als Seeigelsalat oder als Zutat für Pastagerichte und andere Speisen verwendet. In gegartem Zustand wird die Konsistenz der Zungen wie jene von Muscheln etwas fester.
Von Zero to Hero
Auch in Asien sind Seeigel nicht der Top-Seller in den Restaurants. Wobei hier noch eher, denn im Gegensatz zu den mediterranen Artverwandten sind sie wesentlich süßer im Geschmack. Und passen so als einzige – mit Außnahme der kanadischen Stachelhäuter – in die viel gepriesene Ekkebus’sche Kreation mit Hummergelee, Kaviar und Blumenkohlcreme. Und er muss es wissen, denn Ekkebus hat sich durch alle essbaren Vertreter gekostet. Im Restaurant Amber lässt er täglich Seeigel von Hokkaido einfliegen – weil der Bedarf derart groß ist. Oder wie Ekkebus meint: „Das Beste ist doch, wenn man aus etwas, was niemand mag, ein Gericht kreiert, das alle lieben.“
Crack ’n’ Snack
Damit man zu den Eierstöcken gelangt, muss man erst mal den stachelingen Panzer loswerden. Wer den Umgang damit nicht gewohnt ist, dem legen wir Handschuhe ans Herz. Den Seeigel mit der flachen Seite nach unten halten und an der gerundeten Seite zentral ein Loch von etwa drei Zentimeter Durchmesser schneiden. Deckel abheben und voilà, schon leuchten die Zungen entgegen. Die Innereien noch gut durchspülen und schon ist der Seeigel ready to eat.
Einfach und dabei doch elegant. “
www.amberhongkong.com
Next Chef
Ikarus Team | Hangar-7
Elfmal um die ganze Welt – aber im August ist es daheim immer noch am schönsten. Denn da kocht das Hangar-7-Team im traditionellen Festspielmonat seine eigenen Kreationen auf.
www.hangar-7.com
www.facebook.com/hangar7
Aufgetischt
Rezept von Hangar-7-Executive-Chef Roland Trettl
Und was wäre das Gastkoch-Produkt ohne geniale Umsetzung? Eben! Exklusiv für ROLLING PIN kreiert Roland Trettl das passende Gericht!
Seeigel, Nudeln, Miso-Carbonara
Specksud
750 ml Wasser
150 g geräucherter Bauchspeck am Stück
Seeigelcreme
100 ml Sahne
100 g helle Misopaste
60 g Eigelb
80 g frische Seeigelzungen
Nudel-Risotto
1 TL Pflanzenöl
150 g Reiskornnudeln (aus Hartweizengrieß)
450 ml Specksud (siehe Teilrezept)
60 g Eigelb
3 EL Seeigelcreme (siehe Teilrezept)
Salz
Grill-Lauch
2 Stk. Lauchstangen, nur das Weiße
Anrichten
28 Stk. frische Seeigelzungen
4 Wachteleigelb
4 TL Schnittlauchröllchen
Specksud
Das Wasser und das Bauchspeckstück in einem Topf 15 Minuten köcheln lassen. Den Specksud zugedeckt eine Stunde ziehen lassen, dann durch ein feines Sieb passieren.
Seeigelcreme
Die Sahne, die Misopaste, das Eigelb und die frischen Seeigelzungen in einem Mixer gut durchmixen und durch ein feines Sieb streichen.
Nudel-Risotto
Das Pflanzenöl in einem Topf erhitzen, die Reiskornnudeln zugeben und einige Minuten anschwitzen. Mit einer Schöpfkelle heißen Specksud aufgießen und unter gelegentlichem Rühren einkochen. Erst wenn die Reiskornnudeln die Flüssigkeit vollständig aufgenommen haben, die nächste Schöpfkelle heißen Specksud zugeben. Diesen Vorgang so lange wiederholen, bis die Reiskornnudeln gar sind. Zum Schluss 3 Esslöffel Seeigelcreme unter das Nudel-Risotto heben und je nach Bedarf mit Salz abschmecken.
Grill-Lauch
Die weißen Lauchstangen einzeln in Alufolie wickeln, in glühende Holzkohle legen und 15 Minuten garen. Die Lauchstangen in 1 Zentimeter dicke Scheiben schneiden.
Anrichten
Das Nudel-Risotto in 4 kleine Schalen füllen oder in großen Ausstechringen anrichten. Darauf mit einem Löffel etwas Seeigelcreme verteilen. Je 1 frisches Wachteleigelb vorsichtig auf das Nudel-Risotto platzieren und rundherum je 3 Scheiben Grill-Lauch und 7 frische Seeigelzungen verteilen. Zum Schluss mit Schnittlauchröllchen bestreuen.