豪華さ 割腹 – Luxus Harakiri
Fotos: Wolfgang Hummer, Mandarin Oriental
In Tokio begegnen einem so viele abgefahrene Dinge wie nirgendwo anders auf der Welt: Mädchen in Lolita-Outfits, kleine Luxusköter in Bienenkostümen und Leute, die ihre Kaninchen an der Leine über die Straße führen. Deshalb sollte es auch nicht verwundern, dass einer der talentiertesten Sushichefs des stets lächelnden Landes Höhenangst hat, und im 38. Stock des beeindruckenden Mandarin Oriental Tokio arbeitet. Hoch hinaus wollte Yuji Imaizumi schon mit 15 Jahren. Bereits im jungen Alter war ihm klar, dass er ein großer Sushichef werden muss. Dass er jedoch einmal im wahrscheinlich höchstgelegenen Sushitempel der Stadt Herr der Fische sein wird, hat er sich damals noch nicht gedacht.
Exakt zwei Meter und 50 Zentimeter beträgt die Entfernung von seinem Arbeitsplatz und dem gähnenden Abgrund in die Tiefe der Tokioter Straßenschluchten. Und viel näher an die große Glasfront wagt sich der talentierte Fisch-Artist auch nicht ran. Außer natürlich fürs Fotoshooting. Mit dicken Schweißperlen auf der bleichen Stirn. Nachdem der Horrortrip am blank geputzten Luxusfenster überstanden ist, zischt der wieder extrem ruhige Sushimeister flink in seinen sicheren Hafen hinter den Tresen und wird im Laufe des Interviews den Blick nie mehr in Richtung Fenster richten. Dafür ist er jetzt in seinem Element und macht…
Fotos: Wolfgang Hummer, Mandarin Oriental
In Tokio begegnen einem so viele abgefahrene Dinge wie nirgendwo anders auf der Welt: Mädchen in Lolita-Outfits, kleine Luxusköter in Bienenkostümen und Leute, die ihre Kaninchen an der Leine über die Straße führen. Deshalb sollte es auch nicht verwundern, dass einer der talentiertesten Sushichefs des stets lächelnden Landes Höhenangst hat, und im 38. Stock des beeindruckenden Mandarin Oriental Tokio arbeitet. Hoch hinaus wollte Yuji Imaizumi schon mit 15 Jahren. Bereits im jungen Alter war ihm klar, dass er ein großer Sushichef werden muss. Dass er jedoch einmal im wahrscheinlich höchstgelegenen Sushitempel der Stadt Herr der Fische sein wird, hat er sich damals noch nicht gedacht.
Exakt zwei Meter und 50 Zentimeter beträgt die Entfernung von seinem Arbeitsplatz und dem gähnenden Abgrund in die Tiefe der Tokioter Straßenschluchten. Und viel näher an die große Glasfront wagt sich der talentierte Fisch-Artist auch nicht ran. Außer natürlich fürs Fotoshooting. Mit dicken Schweißperlen auf der bleichen Stirn. Nachdem der Horrortrip am blank geputzten Luxusfenster überstanden ist, zischt der wieder extrem ruhige Sushimeister flink in seinen sicheren Hafen hinter den Tresen und wird im Laufe des Interviews den Blick nie mehr in Richtung Fenster richten. Dafür ist er jetzt in seinem Element und macht sich daran, ein herrliches Stück zartrosa Thunfisch in millimetergenauer Maßarbeit zu bearbeiten.
Sushi ist weltweit ja schon etwas länger drauf und dran, der Pizza als globalem Superfood den Rang abzulaufen. Aber wie erklärt sich Sushichef Imaizumi den weltweiten Hype: „Sushi ist ein augenscheinlich einfaches Gericht, das man aufgrund der offensichtlichen Komponenten als Gast leicht versteht und das zudem als ausgesprochen gesund gilt. Wobei man aber dazusagen muss, dass es auch viele schwarze Schafe unter den Sushi-köchen und -restaurants gibt.“ Laut Imaizumi werden vor allem in europäischen oder amerikanischen Sushiläden Unmengen an Zucker, Salz und Präservierungsstoffen verwendet. Von gesund kann da schon nicht mehr die Rede sein. Da ist die Philosophie der japanischen Sushielite eher schon mit einer Religion zu vergleichen. Wie viele große Sushimeister hat auch Yuji Imaizumi seinen ersten Fisch erst nach einem Jahr seiner Lehrzeit unters Messer bekommen, und es war somit ein ganz besonderes Erlebnis für ihn, was die strengen Ausbilder auch so beabsichtigten.
Knochenharte Ausbildung
Beinahe 20 Jahre Erfahrung hat Imaizumi mittlerweile auf dem Buckel. Am Beginn einer großen Sushikarriere wird jedoch über Jahre hindurch erst einmal die Bedeutung von allem vermittelt. Dazu gehören unter anderem: Arbeit im Garten, Zeichnungen auf Geschirr, Geschichte des Sushis und dessen einzelner Bestandteile, dessen Zusammenstellung, saisonale Unterschiede, Auswirkungen von Laichzeiten, Begleitung der Ausbilder auf Fisch- und Gemüsemärkte sowie das sehr umfangreiche Thema Reis. Dabei hat sich für den experimentierfreudigen Koch auch ein absolutes Lieblingsprodukt herauskristallisiert: „Ikura-Lachsrogen hat im September und Oktober eine deutlich dünnere Membran und schmeckt daher dramatisch feiner als das restliche Jahr.
Das ist deshalb der einzige Zeitraum, in dem ich Ikura bei uns serviere.“ In der japanischen Küche werden die Speisen möglichst naturbelassen genossen. Sie unterliegen streng dem Rhythmus der Jahreszeiten, die Zutaten sind der Saison entsprechend ausgesucht. Und immer wieder macht der stoisch agierende Küchenchef aufmerksam: „Wir achten besonders auf Frische und Qualität.“ Die bekommt er am wohl bekanntesten Fischmarkt: Tsukiji. Jeden Tag wechseln hier über 2000 Tonnen Fisch aus aller Welt von über 400 verschiedenen Arten ihren Besitzer und werden an den Hunderten kleinen, spezialisierten Ständen zum Verkauf angeboten. Das große Kunststück in der Haute Cuisine der Tokioter Sushigiganten ist es, die richtigen Lieferanten dieses Fischmekkas auszuwählen und zu überzeugen, für das eigene Restaurant zu liefern. Jede Woche besucht Imaizumi in aller Herrgottsfrüh diesen geschäftigen Foodie-Hotspot, um mit seinen Fischhändlern des Vertrauens über Qualitäten zu philosophieren und Preise zu verhandeln.
Alt, aber gut
Yuji Imaizumi ist Verfechter des Edo-Mae-Sushi-Stils. Edo-Mae ist die jahrhundertealte Tradition der Sushizubereitung, wie sie vor allem in der Tokioter Bucht praktiziert wurde. Quasi das Ur-Fast-Food aus dem 17. Jahrhundert. Dabei wird der Geschmacksfokus beim Sushi auf nur eine Zutat gelegt. Und dieser Trend aus der Vergangenheit wird aktuell laut Sushichef Imaizumi in Tokio immer wichtiger: „Aufgrund der tollen Entwicklungen am Transportsektor bekommt man bei uns den Großteil der Fischarten noch am selben Tag des Fangs in die Küche geliefert. Frische war also lange Zeit das Hauptthema. Mittlerweile wendet man aber immer mehr auch die traditionellen Zubereitungsarten an und so werden auch Methoden wie die Reifung bestimmter Fischarten zum spannenden neuen Geschmackserlebnis.“
Drei Jungs arbeiten in der schwindelerregenden Mandarin-Oriental-Küche im Hintergrund und bereiten für Yuji Imaizumi Fische, Reis und Gemüse zu. Er ist quasi Showman am stylishen Tresen und für die optimale Präsentation sowie die exakten Schnitte der saisonal perfekt abgestimmten Komponenten zuständig. Mit drei Werkzeugen kommt er dabei aus: ein japanisches Zypressenschneidebrett, ein handgeschmiedetes Messer von Masamoto vom Tsujiki-Fischmarkt und eine aus Haifischhaut hergestellte Samegawa-Oroshi-Wasabi-Reibe. Weniger ist mehr. Diese zutiefst japanische Philosophie offenbart sich vor allem bei seinem Signature-Dish: Shari, also Reisbällchen. Ein, auf den ersten Blick, simples Gericht. Es geht gar nicht so sehr um die Zutaten. Reis, Essig, Salz: Das ist alles. Aber es gibt unendlich viele Möglichkeiten der Zubereitung und daher verblüfft es, welche geschmacklichen Nuancen der Koch aus diesen sonst wenig populären Komponenten letztendlich herauskitzelt.
Sushimeister oder Sushikoch: Wie erkennt man den Unterschied? Auf die wohl wichtigste Frage antwortet Imaizumi ganz gelassen so: „Auf einen einfachen Punkt gebracht: Beim Sushimeister ist nichts Zufall.“ Etwas grundsätzlich so Einfaches wie Sushi wird vervollkommnet und ist in dieser Form vom Meister jederzeit exakt wiederholbar. Selbst die einzelnen Reiskörner im Sushi haben eine Ordnung, liegen nicht wild durcheinander, sind gleichmäßig verteilt und wirken sortiert. Und der Meister ist stets die Ruhe in Person. Außer er schaut mal kurz aus dem Fenster.