Dieter Koschina: Big Boss an der Algarve

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert ist der Österreicher Dieter Koschina die kulinarische Speerspitze Portugals. Wie er aus der Vila Joya auch kulinarisch ein Haus der Freude schuf.
Juni 29, 2017 | Text: Georg Hoffelner | Fotos: Helge O. Sommer, Vasco Celio/Stills, beigestellt

Sie sind seit langer Zeit mit zwei Sternen die unangefochtene Speerspitze der portugiesischen Küche. Und doch haben Sie einmal in einem Interview gesagt, dass Sie sich überlegt haben, die Sterne abzugeben. Warum?
Dieter Koschina: Also ganz ehrlich: Weil ich nicht sternegeil bin. Die sind schon wirklich wichtig, damit auch Gäste kommen, wir können damit unsere Gehälter zahlen und den ganzen Apparat aufrechterhalten. Deswegen passen wir ehrlich gesagt auch unseren Küchenstil den Wünschen unserer Gästeklientel an. Wir haben ja etwa auch Stammgäste, die zehn Tage Urlaub bei uns machen, die muss man dann schon dementsprechend bei Laune halten. Sie sollen ja auch wiederkommen! Aber ohne Sterne kocht jeder garantiert frei und so wie er meint, dass es am besten ist.

 

Umso mehr Respekt verdient aber Ihre kulinarische Leistung. Andere 2-Sterne-Köche haben ihr Menü monatelang auf der Karte, bei Ihnen wechselt es täglich.
Koschina: Aber genau diese Abwechslung brauche ich. Darum gehe ich ja auch noch jeden Tag auf den Markt. Ich brauche das. Der Erfolg beruht wahrscheinlich vor allem auf meinem Produktfanatismus. Ich sehe es als Privileg, dass wir mit genialer Atlantikware wie Loup de Mer oder fantastischem Zackenbarsch arbeiten dürfen.

Haben Sie in der Anfangszeit eigentlich jemals die Vorgabe bekommen, Sterne zu erkochen?
Koschina: Na ja, die leider bereits verstorbene Vila-Joya-Gründerin Claudia Jung hätte schon immer gerne einen Stern gehabt, da sie immer gespürt hat, dass hier Potenzial besteht.

Was halten Sie eigentlich von der 50-Best-Liste, Sie waren darauf ja ab 2014 einige Jahre auch vertreten?
Koschina: Für die meisten Köche ist das marketingtechnisch gesehen bestimmt toll da gelistet zu sein. Wobei ich einige Restaurants der Liste besucht habe und mir nur dachte: „Um Gottes willen, die gehören da aber wirklich nicht hin!“

Habt Ihr damals mit Platz 22 einen unmittelbaren wirtschaftlichen Aufschwung erlebt?
Koschina: Nein. Das haben wir kaum bemerkt. Natürlich gibt es einige Gäste die diese Listen abklappern und dann waren sie auch bei uns zu Gast, aber wirklich stark zu spüren haben wir das nicht bekommen. Zur 50-Best-Liste muss man aber sagen, dass da wir Österreicher zu blöd sind. Die Spanier und Italiener tun sich zusammen und supporten sich, aber wir schaffen das anscheinend nicht. Der Heinz macht das clever und gut, aber sonst schaut das leider mau aus, obwohl es so viele tolle Köche gibt.

Sie sind seit langer Zeit mit zwei Sternen die unangefochtene Speerspitze der portugiesischen Küche. Und doch haben Sie einmal in einem Interview gesagt, dass Sie sich überlegt haben, die Sterne abzugeben. Warum?
Dieter Koschina: Also ganz ehrlich: Weil ich nicht sternegeil bin. Die sind schon wirklich wichtig, damit auch Gäste kommen, wir können damit unsere Gehälter zahlen und den ganzen Apparat aufrechterhalten. Deswegen passen wir ehrlich gesagt auch unseren Küchenstil den Wünschen unserer Gästeklientel an. Wir haben ja etwa auch Stammgäste, die zehn Tage Urlaub bei uns machen, die muss man dann schon dementsprechend bei Laune halten. Sie sollen ja auch wiederkommen! Aber ohne Sterne kocht jeder garantiert frei und so wie er meint, dass es am besten ist.

 

Umso mehr Respekt verdient aber Ihre kulinarische Leistung. Andere 2-Sterne-Köche haben ihr Menü monatelang auf der Karte, bei Ihnen wechselt es täglich.
Koschina: Aber genau diese Abwechslung brauche ich. Darum gehe ich ja auch noch jeden Tag auf den Markt. Ich brauche das. Der Erfolg beruht wahrscheinlich vor allem auf meinem Produktfanatismus. Ich sehe es als Privileg, dass wir mit genialer Atlantikware wie Loup de Mer oder fantastischem Zackenbarsch arbeiten dürfen.

Haben Sie in der Anfangszeit eigentlich jemals die Vorgabe bekommen, Sterne zu erkochen?
Koschina: Na ja, die leider bereits verstorbene Vila-Joya-Gründerin Claudia Jung hätte schon immer gerne einen Stern gehabt, da sie immer gespürt hat, dass hier Potenzial besteht.

Was halten Sie eigentlich von der 50-Best-Liste, Sie waren darauf ja ab 2014 einige Jahre auch vertreten?
Koschina: Für die meisten Köche ist das marketingtechnisch gesehen bestimmt toll da gelistet zu sein. Wobei ich einige Restaurants der Liste besucht habe und mir nur dachte: „Um Gottes willen, die gehören da aber wirklich nicht hin!“

Habt Ihr damals mit Platz 22 einen unmittelbaren wirtschaftlichen Aufschwung erlebt?
Koschina: Nein. Das haben wir kaum bemerkt. Natürlich gibt es einige Gäste die diese Listen abklappern und dann waren sie auch bei uns zu Gast, aber wirklich stark zu spüren haben wir das nicht bekommen. Zur 50-Best-Liste muss man aber sagen, dass da wir Österreicher zu blöd sind. Die Spanier und Italiener tun sich zusammen und supporten sich, aber wir schaffen das anscheinend nicht. Der Heinz macht das clever und gut, aber sonst schaut das leider mau aus, obwohl es so viele tolle Köche gibt.

Als ich in den 90er-Jahren angefangen habe, war Portugal kulinarisch tatsächlich noch ein Niemandsland.
Dieter Koschina über seine Pionierarbeit

Beobachten Sie aus der Ferne die heimische Gastroszene?
Koschina: Klar. Ich bin auch ständig in Kontakt mit der kulinarischen Heimat. Ob Reitbauer, Dorfer oder bis hin zum Arlberg hinauf.

Ist die österreichische Küche in Portugal ein Begriff?
Koschina: Man kennt die Zugpferde schon, dazu hat natürlich auch der Hangar-7 viel beigetragen. Und Restaurants wie das Steirereck, Taubenkobel oder die Obauers sind dann doch auch international bekannt.

Wie war denn das eigentlich, als Sie als Österreicher binnen kürzester Zeit den ersten Stern, dann den zweiten Stern in Portugal bekommen haben? Da waren Sie lange Zeit alleine auf weiter Flur.
Koschina: Als ich in den 90er-Jahren angefangen habe, war das kulinarisch tatsächlich noch ein Niemandsland. Es gab zwar eine sehr gute traditionelle Küche, aber im Fine-Dine-Bereich war tote Hose. Die Eintopfküche ist fantastisch, aber nach einem Teller fällt man da um. Da muss man sich erst einmal zwei Stunden hinlegen, so schwer waren die Gerichte. Das hat also lange gedauert, bis sich 6-Gänge-Menüs hier durchgesetzt haben, nach denen man aufsteht und trotzdem nicht mit vollem Bauch durch die Gegend rennt.

Die breite Küche ist also nach wie vor o. k., im gehobenen Bereich herrscht aber noch Luft nach oben, oder wie?
Koschina: Genau. Die ersten Ansätze sind schon da. Die ersten Portugiesen kommen nach Lehrjahren im Ausland wieder nach Hause und beginnen, hier tolle Dinge zu erschaffen. Zudem boomt Lissabon ja erfreulicherweise ohne Ende, die Algarve sowieso, es ist also schon eine kleine Revolution im Gange.

Ich gehe ja nach wie vor noch jeden Tag auf den Markt und lasse mich dort von den frischen Produkten inspirieren.
Dieter Koschina über seine große Leidenschaft

Auch der Guide Michelin hat das in der letzten Ausgabe bemerkt.
Koschina: Da gab es tolle Aufwertungen. Ganz Portugal hat jetzt 21 vom Guide Michelin ausgezeichnete Restaurants und kommt auf insgesamt 26 Sterne. Im Vorjahr waren es noch 14 Restaurants und 17 Sterne. Zwei 2-Sterne-Restaurants – in Vila Nova de Gaia bei Portu und in Funchal auf der Insel Madeira – kamen bei der diesjährigen Kür ebenso hinzu wie sieben 1-Stern-Küchen. Diese Entwicklungen sind schon sehr wichtig für Portugal.

Sind Sie mit den portugiesischen Produkten zufrieden?
Koschina: Doch. Da kann man wahrlich nicht klagen. Das Porco Ibérico ist der Hit, regionale Produkte gibt es selbstverständlich auch hier en masse und der absolute Wahnsinn ist sowieso der Atlantik. Wir bekommen da Fische, die mit der Hand gefangen und nicht auf einer Farm gezüchtet oder mit einem großen Netz gefangen werden. Der beste Wolfsbarsch kommt etwa aus Cara Pateo. Dort ist die Strömung sehr stark, der Fisch braucht viel Energie und sein Fleisch ist geschmacklich der Hammer. Oder Rotbarbe, sie kommt aus Sagres, wo es tief und felsig ist. Wir wollen nicht eine, die gründelt – denn dann hat man meist einen moosigen Geschmack. Über die Jahre kommt man drauf, was am besten ist und wo man es findet.

Haben Sie ein bestimmtes Produkt, mit dem Sie besonders gerne arbeiten?
Koschina: Ich experimentiere aktuell sehr gerne mit Krustentieren. Aber eigentlich beschäftigen wir uns permanent mit Produkten aus dem Atlantik, da unsere Gäste natürlich vor allem exzellente Meeresgerichte essen wollen. Zurzeit sind die Melonen unschlagbar. Ich gehe ja nach wie vor noch jeden Tag auf den Markt und lasse mich dort von den frischen Produkten inspirieren. Da habe ich dann immer ein kleines Messer dabei, schneide die Produkte an und probiere. Und dabei entstehen auch schon wieder die nächsten Gerichte.

Gibt es etwas, was Sie nie kochen würden? 
Koschina: Ich bin offen für alles, was schmeckt.

Aber schmeckt zum Beispiel Qualle? 
Koschina: Qualle kann man ja nicht gescheit kochen. Auch Seegurke ist schwierig. Es gibt also schon Produkte, bei denen ich mir denke: „Das zahlt sich nicht aus, daran herumzuexperimentieren!“ Zudem müssen wir auch auf unsere Gäste schauen. Die haben teilweise schon ein Problem, wenn ich Kalbskopf mit Hummer auf der Karte habe. Da müssen wir also schon aufpassen.

Stefan Langmann ist Ihr Küchenchef, wie läuft da die Zusammenarbeit? 
Koschina: Den Stefan kenne ich schon ewig, er ist ja auch ein Jörg-Wörther-Schüler. Unsere Zusammenarbeit läuft blendend, da er insgesamt schon acht Jahre bei mir ist. Ich kann mich auf ihn komplett verlassen.

Generell scheint ihr Österreicher es euch da unten an der Algarve schon ganz gut gehen zu lassen?
Koschina: Stimmt, der Hans Neuner ist ein guter Freund und kocht unweit von uns in der Vila Vita auch zwei Sterne. Die Algarve ist aber auch herrlich. 300 Sonnentage im Jahr. Ich habe ja schon in vielen tollen Städten gearbeitet, aber in zwei Minuten sind wir umgezogen und 50 Sekunden später macht es auch schon Platsch. Arbeiten muss man überall, aber an dieser Location mit diesen Möglichkeiten ist es schon genial.

In zwei Minuten sind wir umgezogen und 50 Sekunden später macht es auch schon Platsch.
Dieter Koschina über die Vorzüge seines Arbeitsplatzes

Wie sieht es in Portugal mit der Personalproblematik aus? 
Koschina: Das schaut ganz ähnlich aus wie im deutschsprachigen Raum. Es ist also auch hier schwierig, Leute zu finden. Vor allem solche, die bereit sind, hart zu arbeiten, und unser Konzept schaffen. Denn bei uns wechselt das Menü beinahe täglich, das ist dann natürlich arbeitsaufwendig. Aktuell haben wir acht Nationen im Team, aber alle die einmal ein Jahr bei uns waren, sind dann extrem fit. Die kannst du rund um die Welt schicken. Die Tendenz ist aber auch hier so, dass sich junge Köche eher solche Häuser aussuchen, wo sie eine 5-Tage-Woche haben, bestmöglich nur am Abendservice und das dann noch bitte mit 25 Kollegen. Das geht sich bei einem Betrieb wie dem unseren natürlich nie aus!

Wie sieht es in Portugal mit der gastronomischen Ausbildung aus? Viele Top-Köche sind ja vor allem auch durch Ihre Schule gegangen.
Koschina: Problematisch. Portugal lebt ja meiner Kenntnis nach zu einem hohen Anteil vom Tourismus. Die professionelle Ausbildung diesbezüglich steckt jedoch in den Kinderschuhen. Da herrschen in den Gastronomiefachschulen komplett veraltete Strukturen mit Küchen teilweise noch aus den 50er-Jahren. Die guten Portugiesen habe ich ehrlich gesagt immer ins Ausland geschickt. Das trägt jetzt schön langsam Früchte. Täuscht der Eindruck oder will Portugal am kulinarischen Sektor Gas geben.

Sie veranstalten ja auch regelmäßig kulinarische Events? 
Koschina: Seit neun Jahren organisieren wir unseren „Tribute to Claudia“, der unserer verstorbenen Eigentümerin gewidmet ist. Auch Hans Neuner und sein Team leisten in der Vila Vita jährlich tolle Arbeit. Das ist nämlich schon ein logistischer Großaufwand. Wir sind also sehr dahinter, großartige Unterstützung von Tourismusverbänden oder vom Staat selbst gibt es aber nicht!

Abseits vom Harley-Cruisen mit Hans Neuner: Was machen Sie an der Algarve, wenn Sie sich von der Arbeit in der Küche erholen wollen?
Koschina: Hochseefischen.

Ich bin primär stets auf der Suche nach dem neuen Geschmack, strebe danach, eine gute Brigade auszubilden, und will Spaß bei der Arbeit haben. Der Rest kommt dann meist ganz von alleine!
Dieter Koschina über einen möglichen dritten Stern

Was war der letzte größere Fisch, den Sie geangelt haben? 
Koschina: Oh, das ist jetzt eher makaber. Das war gar kein Fisch, sondern eine Möwe. Die ist mir beim Tunafischen auf den Köder gekommen und hat sich verhakt. Wir konnten sie aber wieder freilassen.

Wie soll Ihre Zukunft ausschauen: Geht’s auch wieder einmal nach Hause?
Koschina: Also Pension kann ich mir bis jetzt noch keine vorstellen, da ich den Beruf nach wie vor unglaublich liebe. Was ich in den kommenden Jahren noch vorhabe, ist, mich mit dem Nachwuchs zu beschäftigen. Es kann doch nicht sein, dass der heutige Kochnachwuchs kein gescheites Gulasch mehr kochen kann, oder? Diese Traditionen und dieses Fundament muss man wieder festigen, neu aufbauen und positiv weitergeben. Den Lebensmittelpunkt sehe ich schon noch eher hier, da ich ja mit den tollen Flugverbindungen in kürzester Zeit in der Heimat und auch wieder zurück bin. Also im Winter am Berg und im Sommer am Meer. So könnte ich mir das gut vorstellen.

Gibt es noch Ziele, vielleicht einen dritten Stern?
Koschina: Ich bin primär stets auf der Suche nach dem neuen Geschmack, strebe danach, eine gute Brigade auszubilden, und will Spaß bei der Arbeit haben. Der Rest kommt dann meist ganz von alleine!
www.vilajoya.com

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