Die unbequeme Wahrheit
Fotos: Wolfgang Hummer
Eckart Witzigmann
Der Koch des Jahrhunderts hat die deutsche Gastronomie auf ein neues Level gehoben, hat es als Erster geschafft, Deutschland ein 3-Sterne-Restaurant zu schenken und das, was heute als Basis gilt, in der Gastronomie zu verankern: „Das Produkt ist der Star“ sind mittlerweile geflügelte Worte. Seiner gedanklichen Fortschrittlichkeit ist es zu verdanken, dass eine Generation von Köchen entstanden ist, der die Wichtigkeit von nachhaltiger Küchenführung als Grundlage dient.
Als im September 2011 die Köche Alex Atala (Brasilien), Massimo Bottura (Italien), Dan Barber (USA), Yukio Hattori (Japan), René Redzepi (Dänemark), Ferran Adrià (Spanien), Michel Bras (Frankreich) und Gastón Acurio (Peru) das Manifest von Lima unterschrieben, wurden zwei Dinge offensichtlich…
Fotos: Wolfgang Hummer
Eckart Witzigmann
Der Koch des Jahrhunderts hat die deutsche Gastronomie auf ein neues Level gehoben, hat es als Erster geschafft, Deutschland ein 3-Sterne-Restaurant zu schenken und das, was heute als Basis gilt, in der Gastronomie zu verankern: „Das Produkt ist der Star“ sind mittlerweile geflügelte Worte. Seiner gedanklichen Fortschrittlichkeit ist es zu verdanken, dass eine Generation von Köchen entstanden ist, der die Wichtigkeit von nachhaltiger Küchenführung als Grundlage dient.
Als im September 2011 die Köche Alex Atala (Brasilien), Massimo Bottura (Italien), Dan Barber (USA), Yukio Hattori (Japan), René Redzepi (Dänemark), Ferran Adrià (Spanien), Michel Bras (Frankreich) und Gastón Acurio (Peru) das Manifest von Lima unterschrieben, wurden zwei Dinge offensichtlich: Bei der großen internationalen Kochmusik spielen deutschsprachige Köche augenscheinlich immer noch keine wesentliche Rolle und während man in unseren Breitengraden hingebungsvoll die Gegenwart diskutiert, macht sich der Rest der Welt Gedanken über die Zukunft und die Verantwortung der Köche von morgen.
Einmal davon abgesehen, dass der Stellenwert von Köchen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im internationalen Fokus sträflich unterbewertet ist und auch bei uns die Thematik von Lima auf dem Tisch liegt, sollten wir uns alle zusammen den Kopf über die Verantwortung unseres Berufsstandes bei der zukünftigen Koexistenz zwischen Mensch und Natur zerbrechen. Vor mehr als zehn Jahren habe ich in einem Interview die Behauptung aufgestellt, der größte Luxus der Zukunft wird sein, den Produzenten seiner Lebensmittel persönlich zu kennen. Heute würde ich ergänzen, beim Wort „Lebensmittel“ dem Begriff „Leben“ mehr Bedeutung zu schenken.
Bedingt durch die inflationären Lebensmittelskandale habe ich vermehrt den Eindruck, das Lebensmittel wird mehr und mehr Mittel zum Zweck. Zum Zweck, sich verantwortungslos und kriminell schnell die Taschen zu füllen und dabei gesundheitliche Schäden nonchalant zur Kenntnis zu nehmen. Hier ist unser Berufsstand gefragt, laut und deutlich den Finger in die Wunde zu legen und nicht alleine darauf zu vertrauen, dass die chronisch überlasteten Lebensmittelkontrolleure wieder einmal ein schwarzes Schaf auf stinkender Tat erwischen.
Ich halte es für dringend notwendig, dass wir die aktuelle Beliebtheit von Koch und Kochen nicht nur zur Steigerung der eigenen Popularität nutzen, sondern sie auch verantwortungsvoll in den Dienst unserer Lebensmittel stellen. Dazu gehört die Erkenntnis, dass gewisse Produkte nicht unendlich zur Verfügung stehen ebenso wie die unbequeme Wahrheit vom fairen Preis für ein fair produziertes Produkt. Es ist unendlich traurig, dass unsere Überflussgesellschaft Tonnen von Lebensmitteln auf den Müll kippt und in anderen Zonen unseres Planeten Tag für Tag Menschen mangels Nahrung verhungern.
Auch das gehört zu unserer Verantwortung und auch hier werden wir uns die Frage gefallen lassen müssen, was wir außer betroffenen Gesichtern dagegen getan haben. Ich habe mich über viele Jahrzehnte bemüht, über den Rand des Kochtopfes und der Teller hinauszuschauen, und dabei viele phänomenale und ebenso grässliche Dinge beobachten müssen. Mein scheuer Blick in die Zukunft lässt da jede Hoffnung auf schnelle Besserung sausen und reduziert sich am Ende des Tages auf eine einfache Erkenntnis: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.